Manga, Animé und Light-Novel Offener Brief: Manga-Übersetzer fordern höhere Honorare
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18. Oktober 2024, 04:00 Uhr
Der Verband deutschsprachiger Übersetzer hat einen offenen Brief von Manga- und Light-Novel-Übersetzern veröffentlicht. Ihre Klage: Zu viel Arbeit bei zu wenig Honorar. Die Entwicklung schadet demnach der körperlichen und vor allem mentalen Gesundheit der mehr als 60 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner. Darunter ist auch die Leipziger Japanologin Diana Hesse. Sie hat MDR KULTUR Einblicke in ihren Arbeitsalltag gegeben und erläutert, wie ihr geliebter Job an ihren Kräften zehrt.
- Die Manga- und Light-Novel-Übersetzerinnen und Übersetzer fordern in einem offenen Brief unter anderem höhere Honorare für ihre Arbeit.
- Unter ihnen ist die Japanologin Diana Hesse, die seit 2012 Manga- und Animé-Serien ins Deutsche übersetzt.
- Mehrere Verlage und die Leipziger Messe als Veranstalter der Manga-Comic-Con haben auf Nachfrage von MDR KULTUR auf den offenen Brief reagiert.
Die Manga- und Light-Novel-Übersetzerinnen und Übersetzer schlagen Alarm. In einem offenen Brief, der von ihrem Berufsverband VdÜ veröffentlicht wurde, heißt es: "Um zu überleben, müssen wir immer mehr Manga und Light Novels in immer kürzerer Zeit ins Deutsche übertragen." Diese Entwicklung wirke sich negativ auf die körperliche und vor allem mentale Gesundheit aus, zudem gefährde sie "unsere Existenz und hindert uns daran, die Zeit und die Hingabe aufzubringen, die die Texte verdienen." Mehr als 60 Betroffene haben den offenen Brief unterzeichnet.
Die Branche erlebt einen Boom, der sich auf die Auftragslage für die Übersetzerinnen und Übersetzer auswirkt. Doch dieser Boom spiegele sich nicht in der Bezahlung wider, so der Verband deutschsprachiger Übersetzer/innen literarischer und wissenschaftlicher Werke (VdÜ).
Forderungen der Übersetzerinnen und Übersetzer
Laut einer internen Umfrage des VdÜ erzielen Manga-Übersetzerinnen und -Übersetzer ein Stundenhonorar von durchschnittlich 28,32 Euro. Im Bereich Light Novels sei die Lage mit 29,09 Euro ähnlich. Was nach viel klingen mag, entpuppe sich, wenn man selbstständig sei, als wenig, so der Verband. Steuern, Versicherungen, Betriebskosten und Vorsorge minderten das Monatsnetto enorm. Hinzu komme, dass es keine Sozialleistungen für die Zeiten gebe, in denen man nicht arbeite.
Es braucht mehr Verständnis dafür, was Freiberuflichkeit bedeutet.
Konkret geht es den Übersetzerinnen und Übersetzern bei ihren Forderungen deswegen um eine Erhöhung der Grundhonorare und die Abrechnung nach Normseiten gemäß dem Vertrag zwischen VdÜ und Börsenverein. Darüber hinaus fordern sie einen regelmäßigen Inflationsausgleich, eine Staffelung der Honorare bei langfristiger Zusammenarbeit, die Möglichkeit zur Nachverhandlung bei unverhältnismäßigem Mehraufwand, faire Tantiemenregelungen und keine unbezahlte Arbeit.
Übersetzerin aus Leipzig hat offenen Brief unterschrieben
Die Leipziger Japanologin und Übersetzerin Diana Hesse arbeitet seit 2012 freiberuflich und übersetzt unter anderem für Manga-Verlage, aber auch für Anbieter von Animé-Serien. Diana Hesse beklagt im Gespräch mit MDR KULTUR den harten Arbeitsalltag. Sie habe seit 2012 kaum Freizeit gehabt bei ungefähr 300 Arbeitstagen pro Jahr. So viel müsse sie arbeiten, um überhaupt über die Runden zu kommen. Sie wisse nicht, ob sie unter den Bedingungen, die aktuell herrschten, noch lange durchhalte.
Zum Aufklappen: Eine Auswahl der Manga und Animé, die Diana Hesse übersetzt hat
Manga
Ein Zeichen der Zuneigung (Altraverse)
In/Spectre (Tokyopop)
Die rothaarige Schneeprinzessin (Tokyopop, ab Band 9)
Ano Hana (Tokyopop)
Animé
7. Staffel von "Natsume Yūjinchō" (Crunchyroll)
7. Staffel von "My Hero Academia" (Crunchyroll)
Es mangelt laut dem offenen Brief an der Verhandlungsbereitschaft vieler Verlage. Das ist auch eine Erfahrung von Diana Hesse: "Verlage sagen, 'wir zahlen so viel und entweder du arbeitest für uns oder nicht'", so die Leipzigerin. "Leider sind diese von den Verlagen festgelegten Honorarsätze alle zu niedrig und es ist auch so, dass jeder Verlag eine andere Berechnungsgrundlage hat", ergänzt sie. Der eine zahle nach Zeichenanzahl, der andere nach einer selbstdefinierten Normseite. Andere wiederum hätten Pauschalpreise. Sie hofft, dass der offene Brief ein Weckruf für die Branche ist.
Verlage und Manga-Comic-Con reagieren auf offenen Brief
Der Sprecher der Leipziger Messe, Felix Wisotzki, sagte MDR KULTUR auf Nachfrage: "Als Veranstalter der Manga-Comic-Con erkennen wir die immense Bedeutung von Übersetzer:innen in der Manga- und Light-Novel-Szene ausdrücklich an." Die Forderung nach fairen Arbeitsbedingungen könne die Messe nachvollziehen: "Ihre Arbeit ist ein wesentlicher Pfeiler für den Erfolg der gesamten Branche."
Vom Kinder- und Jugendbuchverlag Carlsen heißt es, das Thema erfordere eine differenzierte Betrachtung. Man wolle die erhobenen Forderungen intern nun sorgfältig besprechen. Und weiter: "Aktuell können wir darauf hinweisen, dass der Carlsen Verlag die Grundvergütung für Manga-Übersetzungen in den letzten Jahren angehoben hat." Darüber hinaus war und sei der Verlag immer zu Gesprächen bereit, wenn es in konkreten Fällen zu Sonderaufwand kommen sollte. Wie Diana Hesse dem MDR sagte, bestätigen Übersetzende, die für Carlsen arbeiten, dass es in den letzten Jahren Erhöhungen gab. Diese glichen jedoch "nicht einmal die Inflation aus".
Der Geschäftsführer des Manga-Verlags Altraverse, Joachim Kaps, sagte auf Nachfrage von MDR KULTUR, der Verlag sei von dem offenen Brief und den Forderungen kurz vor der Frankfurter Buchmesse überrascht worden. Es habe vorher keine Forderungen oder Gespräche gegeben. Daher könne er nicht einmal sagen, ob sein Verlag überhaupt von der Kritik betroffen sei. Das werde jetzt geprüft. Dann wolle man mit den Übersetzerinnen und Übersetzern ins Gespräch kommen.
Redaktionelle Bearbeitung: ost, luk, hki
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Kultur am Morgen | 15. Oktober 2024 | 07:10 Uhr