Rassegeflügelausstellung Lipsia Tauben- und Geflügelmesse Leipzig hat Teilnehmer- und Nachwuchssorgen
Hauptinhalt
03. Dezember 2023, 13:17 Uhr
Die Tauben- und Geflügelschau Lipsia hat schon bessere Zeiten erlebt. Innerhalb weniger Jahre ist die Zahl der teilnehmenden Züchter um Tausende eingebrochen. Die Kosten sind auch wegen verschärfter Schutzvorkehrungen explodiert. Doch es scheint auch ein Nachwuchsproblem zu geben. Tierschützer kritisieren solche Nutztiermessen schon länger, weil sie Stress für die Tiere bedeuteten und Qualzuchten förderten.
In einer großen Messehalle stehen Tausende Käfige aneinander gereiht. Mehr als 20.000 Tauben, Hühner, Puten und anderes Geflügel sind auf der 127. Leipziger Rassengeflügelausstellung (Lipsia) auf der Leipziger Messe zu sehen. Dabei hatte die Schau schon bessere Zeiten erlebt, denn die Teilnehmendenzahl hat stark abgenommen. "Die Auflagen sind von Jahr zu Jahr größer geworden", ist für den Vizepräsidenten des Bunds Deutscher Rassegeflügelzüchter, Wolfram John, ein Grund für den Rückgang.
Die hohen Schutzauflagen begründen Behörden mit dem Kampf gegen die Ausbreitung der Vogelgrippe (Geflügelpest). Die Fälle befinden sich laut Sächsischer Tierseuchenkasse zwar auf relativ geringem Niveau. So seien deutschlandweit insgesamt 201 Fälle der Vogelgrippe zwischen Oktober 2022 und Juli 2023 gezählt worden. In Sachsen seien es sechs Fälle gewesen. In Sachsen sind laut Statistik bisher insgesamt 812 Hühner, Enten und Gänse an der Vogelgrippe gestorben oder deswegen getötet worden. Dennoch haben mehrere Landkreise die Schutzbestimmungen verschärft. In mehreren Teilen des Freistaats wurden mehrere tote Wildvögel gefunden.
Teilnehmerzahl schrumpft wegen hoher Kosten
Deswegen müssten die Züchter für die Lipsia mittlerweile tief in die Tasche greifen, erklärt Verbands-Vize Wolfram John. Bis zu 50 Euro bezahlen Teilnehmende pro Tier für Standgebühr, Tierarztuntersuchung und Vogelgrippetest. "Das lohnt sich für viele nicht mehr", meint John. Beim Geflügel hätte man dieses Jahr eigentlich mit 9.000 bis 12.000 ausgestellten Tieren gerechnet. Doch es seien nur 600 da.
Insgesamt werden John zufolge auf der Lipsia dieses Jahr 22.000 Tiere ausgestellt. Davon seien allein 21.000 Tauben. "Die Tauben sind der Großteil, weil sie nicht an der Vogelgrippe erkranken können und keinen Test brauchen. Das sind also keine Zusatzkosten für die Züchter", sagt John dazu. Dass die Lipsia schrumpft, wird mit Blick auf vorherige Jahre deutlich. So ist die Zahl des ausgestellten Federviehs laut John im Vergleich zu 2019 um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Ein Problem beim Züchternachwuchs gebe es nicht, meint John. Ihm zufolge gibt es rund 500 jugendliche Züchter im Landesverband Sachsen.
Züchterverein überaltert
Doch auf der Lipsia selbst sind an diesem Wochenende nur wenige junge Menschen zu sehen. Hauptsächlich Männer ab 50 Jahren aufwärts laufen durch die Gänge. Da ist Kirsten Rose eine der wenigen Frauen auf der Messe. Sie steht bei den Käfigen mit Wiener Gansel - eine Taubenrasse mit auffällig großen, schwarzen Augen und eingedrücktem Schnabel. Kirsten Rose sei extra aus Hechthausen in Niedersachsen zur Lipsia gekommen.
Mit dem Nachwuchs sei es schwierig, findet die 62-Jährige, die mit ihrem Verein die Wiener Gansel züchtet. Das jüngste Vereinsmitglied sei 40 Jahre alt, der Rest aber weit darüber. "Die Jugend hat eben nicht mehr die Ausdauer", meint Rose. Auch die stark gestiegenen Züchterkosten schreckten ab. Für ihre 20 Tauben müsste sie mittlerweile bis zu 180 Euro monatlich allein für Futter bezahlen. Die Tierarztkosten hätten sich in den vergangen vier Jahren vervierfacht.
Tierschutzbedenken junger Menschen?
Gibt es vielleicht auch einen weiteren Grund? Tierschützer mahnen seit Jahren die sogenannten Qualzuchten gerade bei Tauben an. Der Tierschutz sagt, dass die Tiere dadurch in ihrer Lebensweise stark eingeschränkt seien - so etwa bei der Perückentaube, deren Sichtfeld durch ein dichtes Federkleid am Kopf eingeschränkt ist. Wollen deswegen junge Menschen nicht mehr Taubenzüchter werden? Kirsten Rose glaubt das nicht.
Sie öffnet ihre Hand in Richtung Käfig und gurrt einer Taube entgegen. "Meinen Tauben geht es gut", sagt die Züchterin. Aber sie bemerke auch Stress an ihren Tieren während der Ausstellungen mit Hunderten von Besuchern. "Die sitzen dann ein bisschen angestrengt in der Ecke", sagt Rose.
Tiere immer wieder aufgeschreckt
Es gibt eine enorme Vielfalt an Formen, Farben und Größen der Tauben auf der Lipsia. Manche Tauben haben sehr lange Beine und machen einen eleganten Eindruck. Andere sehen aus wie kleine, weiße Pfauen. Manche haben einen Kropf am Hals, so groß wie ein Ball. Bei manchen Tauben erkennt man die Augen kaum. Es ist beeindruckend, die Tiere von so nah sehen zu können. Doch während die Leute durch die tristen Gänge mit Hunderten Käfigen laufen, schrecken die Vögel immer wieder auf.
Die Tauben sind einzeln in den Käfigen von einer Fläche eines A3-Blattes. Vereinzelt strecken Besucher Finger und Hände durch die Gitterstäbe in Richtung der Tiere. Manche der Vögel sitzen alleine, aber gedrängt in den Käfigecken. Einige liegen auf dem Boden mit leicht geöffneten Augen. Sie schlafen nicht, sondern schauen ständig, was vor ihren Gitterstäben passiert. Viele der Vögel bewegen sich kaum.
Bedrohte Rassen erhalten
Bedenken wegen der Gesundheit der Tauben und des Geflügels hat Michael Götz nicht. Er ist Tierarzt sowie Geflügelzüchter und für Tierschutz- und Tierwohlfragen beim Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter zuständig. Die Gesundheit der Tiere würde ständig beobachtet und fließe in die Bewertung der Tiere durch die Preisrichter ein, sagt er. Götz widerspricht dem Vorwurf von Tierschützern, nur Qualzuchten fortzuführen. Die Tauben- und Geflügelzucht hat ihm zufolge den Zweck, teils jahrhundertealte Nutztierrassen zu erhalten. "Viele unserer Tiere stehen auf der Liste bedrohter Nutztiere", sagt Götz.
Die Ausstellungen seien unbedingt notwendig, um die Rassen zu erhalten, meint er. Auf den Messen würden sich Züchter austauschen und nach den bestmöglichen Tieren für ihre Zucht Ausschau halten. Dass solche Messen wie die Lipsia Stress für die Tiere bedeutet, gibt aber auch Götz zu. "Jede Ausstellung bedeutet Stress für die Tiere. Das ist gar keine Frage", sagt er. Seiner Meinung nach erholten sich die Tiere jedoch relativ schnell davon.
Taubenzüchten vom Opa abgeschaut
Stress an einigen seiner Tauben bemerkt auch Aron Bewersdorf aus Neuruppin in Brandenburg. Er züchtet die Taubenrasse Texaner. "Manche verlieren während so einer Ausstellung deutlich an Gewicht", sagt der 22-Jährige. Deswegen plane er zwischen den Marathons von bis zu sieben Ausstellungen im Jahr Ruhetage für die Tiere ein. Das Taubenzüchten habe er sich bei seinem Opa abgeschaut. "Nach der Arbeit kann ich bei meinen Tauben gut runterkommen", sagt er.
Neben Aron steht ein älterer Mann mit Brille. Die Taubenzüchter seien gut miteinander bekannt, sagt Karsten Rosentreter. "Aron mit seinen 22 Jahren ist eine Ausnahme, wenn man sich hier unter den Züchtern umschaut", sagt Rosentreter. Für ihn sei das Nachwuchsproblem überdeutlich: "Es ist ein aussterbendes Hobby."
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | SACHSENSPIEGEL | 30. November 2023 | 19:00 Uhr