Münzen und Geldscheine
Viele Ausgaben, weniger Einnahmen - in diesem Dilemma stecken Kommunen und Landkreise in Sachsen. Bildrechte: Colourbox

Rettungspaket in der Anhörung Schutzlos ausgeliefert: Kommunen galoppieren die Ausgaben davon

25. August 2023, 18:23 Uhr

Im Sächsischen Landtag wurde am Freitag über außerplanmäßige Finanzhilfen für Sachsens Landkreise beraten. In der Anhörung schlugen die Experten Alarm. Sie sehen ein strukturelles Defizit auf den Freistaat zukommen und kommen zu dem Schluss, dass auch über die Kürzung von staatlichen Leistungen gesprochen werden muss.

134 Millionen Euro will das Land Sachsen den finanziell schwachen Landkreisen als Nothilfe zur Verfügung stellen - rund zehn Millionen Euro für jede der drei kreisfreien Städte und zehn Landkreise. Diese Finanzspritze ist Teil eines zwischen der Regierung und den kommunalen Spitzenverbänden beschlossenen Rettungspaketes. Das Gesetz, das die Auszahlung der Sonderhilfe im laufenden Haushalt möglich machen soll, wurde am Freitag im Landtag mit Sachverständigen in einer Anhörung beraten.

Landkreis Görlitz mit 90 Millionen Euro im Minus

Der Landrat des Landkreises Görlitz, Stephan Meyer (CDU), war einer der Sachverständigen. Meyer bedankte sich für die außerplanmäßige Finanzspritze, machte aber klar, dass diese längst nicht alle Löcher stopfen könne. Das Minus in seinem Haushalt betrage in diesem und im nächsten Jahr zusammen rund 90 Millionen Euro. Er verhandelt deshalb mit dem Finanzministerium noch über weitere Hilfen.

"Das müssen wir zeitnah hinbekommen, sonst kann ich mich im Herbst entscheiden, ob ich die Mitarbeiter bezahle oder die Sozialleistungen ausreiche - um das mal verkürzt darzustellen."

Eine Familie bei einer Radtour auf dem Oder-Neiße-Radweg in Görlitz
Der Oder-Neiße-Radweg führt durch mehrere historisch interessante Städte entlang der deutsch-polnischen Grenze - so auch durch die Europastadt Görlitz-Zgorzelec. Bildrechte: Philipp Herfort/Marketinggesellschaft Oberlausitz

Im Landkreis Görlitz ist die Lage besonders angespannt, da es hier keine Rücklagen gab. Auf die haben die anderen Landkreise zurückgreifen müssen, um den davon galoppierenden Ausgaben irgendwie auszugleichen, erzählt Caroline-Antonia Hummel vom Sächsischen Landkreistag. In den letzten zwei Jahren seien die Ausgaben in fast allen Bereichen extrem gestiegen: Personal- und Sachausgaben, Zuschüsse im ÖPNV, Sozialausgaben, dazu kommen Inflation und Energiekrise.

Städte- und Gemeindetag: Strukturelles Defizit sichtbar

Die Entwicklung gehe in Richtung eines strukturellen Defizits, mahnt Ralf Leimkühler vom Sächsischen Städte- und Gemeindetag: "Wir kommen mit der Ausgabenseite nicht mehr klar. Und zwar kann ich das gar nicht auf einzelne Ausgabenblöcke reduzieren. Es ist insgesamt so, weil wir leisten uns einfach zu viel und kriegen das nicht mehr in Einklang mit unserer Einnahmenseite."

Vor allem die kommunale Ebene sei dieser Entwicklung quasi schutzlos ausgeliefert, kritisiert Leimkühler. Die jüngsten Kostensteigerungen seien vor allem auf Gesetzesänderungen im Bund zurückzuführen.

Freiwillige Ausgaben wichtig für gesellschaftlichen Zusammenhalt

Mario Hesse, Finanzwissenschaftler von der Universität Leipzig, belegt das mit Zahlen. Im Schnitt müssten die Landkreise mehr als 90 Prozent ihrer verfügbaren Gelder für gesetzliche Pflichtaufgaben ausgeben. Nur zehn Prozent blieben für die sogenannten freiwilligen Aufgaben über. Darunter fallen Fördermittel für Sportvereine, Kultureinrichtungen, Wirtschaftsförderung oder Schulpartnerschaften.

"Das sind ja keine unwichtigen Bereiche. Bei freiwilligen Aufgaben schwingt manchmal mit, dass das so schnell zu streichen ginge. Aber es sind ja Bereiche, die Lebensqualität vor Ort ausmachen. Und nicht im Luxusbereich, sondern die stark auf den Zusammenhalt in einer Gemeinde hinwirken. Und wir stellen schon fest, dass in Krisenzeiten dort zuerst der Rotstift angesetzt wird."

Einigkeit: Bund muss sich stärker beteiligen

Das dürfe nicht passieren, so heute der eindringliche Appell der Praktiker im Sächsischen Landtag. Bei der Anhörung waren sich die Experten und Landespolitiker weitgehend einig, dass dafür zumindest sichergestellt werden müsse, dass der Bund künftig auch finanziell in der Pflicht ist, wenn er Gesetze auf den Weg bringt, die zusätzliche Kosten in den Ländern verursachen.

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Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Radioreport | 25. August 2023 | 18:10 Uhr

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