Eine Lehrerin schreibt in einer Grundschule Wörter mit «Sp» am Anfang an eine Tafel.
Sachsen macht sich Gedanken über die Schule der Zukunft. Dazu wurde nun vom Kultusministerium das Strategiepapier "Bildungsland 2030" erstellt. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Bildungsland 2030 Evolution statt Revolution: Sachsens Plan für die Schule der Zukunft

16. Mai 2024, 11:01 Uhr

Wie soll sich Schule inhaltlich und strukturell weiterentwickeln, um neuen Herausforderungen gerecht zu werden? Mit dieser Frage haben sich in den vergangenen Monaten Bildungsexperten, Lehrkräfte, Schulträger, Schüler und Eltern in Sachsen beschäftigt. Das Kultusministerium hat auf dieser Grundlage ein Strategiepapier erstellt und am Donnerstag veröffentlicht. "Bildungsland 2030" heißt es - und es nichts weniger als der Fahrplan für die Zukunft der Schulen im Freistaat.

Sachsen will seine Schulen auf Grundlage eines neuen Masterplans reformieren. Hinter dem Strategiepapier "Bildungsland Sachsen 2030" stecke ein aufwendiger und deutschlandweit einmaliger Beratungsprozess, so Kultusminister Christian Piwarz (CDU). Bildungsexperten aus ganz Deutschland würden mit Neugier verfolgen, was Sachsen sich trauen würde, in die Umsetzung zu bringen, wie Schule hier weiterentwickelt werde.

Empfehlungen von Expertenräten

In einer monatelangen Diskussion hatten vier Expertenräte mit insgesamt 80 Personen aus Wissenschaft, Schulpraxis, Landeselternrat, Landesschülerrat, Kommunen beziehungsweise Schulträgern 218 konkrete Empfehlungen erarbeitet, wie die sächsischen Schulen auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren sollten. Diese Empfehlungen wurden auf fünf regionalen Bildungsforen diskutiert und zudem von einer begleitenden Schulleiterrunde und durch Vertreter und Vertreterinnen der Kommunen beurteilt.

Mit diesen Bewertungen und Rückmeldungen hat die Kultusverwaltung einen Fahrplan entwickelt, der in den kommenden Jahren umgesetzt werden soll. Nicht alle Empfehlungen der Expertenräte wurden übernommen. Es gehe darum, Schule behutsam weiter zu entwickeln, Evolution statt Revolution sei die Devise, so Christian Piwarz.

Überprüfung der Lehrpläne

Insgesamt 62 konkrete Maßnahmen sollen nun Schritt für Schritt ab dem kommenden Schuljahr realisiert werden. Dazu gehört unter anderem, dass die Lehrpläne für jede Schulart und für jede Klassen- und Jahrgangsstufe überprüft und aktualisiert werden. Kernfrage sei, ob die Inhalte noch relevant sind. Ziel sei zudem, mehr Zeit für freie Unterrichtsgestaltung zu ermöglichen.

Bisher seien rund 70 Prozent des Unterrichts durch den Lehrplan vorgegeben. Zukünftig sollten idealerweise zwei bis sechs Stunden pro Woche in den Schulen frei gestaltet werden können. Dieser Spielraum könne auch im Rahmen der bestehenden Stundentafeln organisiert werden, ist der Kultusminister überzeugt.

Damit gehe auch einher, dass prinzipiell die Eigenverantwortung der Schulen gestärkt werden solle. Es gehe nicht um Schulautonomie, aber Schulen sollten selbst mehr Möglichkeiten eingeräumt werden, Lernprozesse vor Ort gestalten zu können.

In diesem Sinne sollen Schulen auch ein Globalbudget für Lernangebote und Schulentwicklung erhalten. Mit diesem sollen die Schulen selbst auch externes Personal zur Umsetzung von konkreten Lernangeboten einstellen können. Sollten an der jeweiligen Schule Lehrerstellen unbesetzt sein, sollen auch diese Mittel in das Globalbudget fließen.

Lehrer durch bessere Schulorganisation entlasten

Ein weiterer wichtiger Punkt in Bezug auf die Schulorganisation: Zukünftig sollen nach dem Willen des Kultusministeriums an jeder Schule sogenannte multiprofessionelle Teams etabliert werden. In diesen Teams sollen unter anderem Schulleitung, Lehrpersonal, Schulassistenz, Schulsozialarbeit oder auch das IT-Management gemeinsam agieren. Es gehe auch darum, Lehrer mit dieser Organisation zu entlasten, ihnen mehr Zeit für ihre pädagogische Arbeit zu ermöglichen, so Christian Piwarz.

So könnten auch Digitalisierungsprozesse und Herausforderungen durch eine zunehmende Heterogenität der Schülerschaft besser gemeistert werden. Schon jetzt gibt es an Schulen solche multiprofessionellen Teams. Sie überall zu etablieren, würde viel Geld kosten. Das ist dem Kultusminister klar. Er ist jedoch davon überzeugt, dass auf diese Weise in Bildung im Freistaat investiert werden müsse.

Neue Formen der Benotung?

Ein sehr kontrovers diskutiertes Thema ist die Bewertung durch Ziffernnoten. Die Expertenräte hatten empfohlen, diese Noten von Klasse 1 bis 8 auszusetzen. Das Kultusministerium ist dieser Empfehlung nicht gefolgt. Dennoch soll den Schulen die Möglichkeit gegeben werden, die Benotung teilweise weiterzuentwickeln.

So soll in der Grundschule außer in den Fächern, Deutsch, Mathematik und Sachunterricht die Bewertung durch Alternativen zur Ziffernnote erfolgen können. Ein entsprechendes Konzept muss durch die Schulkonferenz und die Schulaufsicht bestätigt werden. Auch für die Klassenstufen 3 bis 8 sind nach dem Strategiepapier Alternativen zur Ziffernnote möglich: In ausgewählten Fächern und im Rahmen von Pilotprojekten, die durch die Schulaufsicht begleitet werden. Die sogenannten Kopfnoten sollen prinzipiell weiterentwickelt werden.

Gewerkschaften nur vorsichtig optimistisch

Die Lehrergewerkschaften Sächsischer Lehrerverband (SLV) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßen das Strategiepapier des Ministeriums grundsätzlich, haben aber auch Bedenken. In vielen der angekündigten Maßnahmen werde ausschließlich auf die Eigenverantwortung der Schulen gesetzt, kritisierte der GEW-Vorsitzende Burkhard Naumann.

Die Anforderungen an die Schulen seien jedoch in den vergangenen Jahren bereits immens gestiegen. "Deshalb benötigen wir stärkere Entlastungen, die in der vorgelegten Strategie deutlich zu kurz kommen", sagte Naumann, der vor allem zusätzliches Personal anmahnte.

Sein Kollege vom SLV, Michael Jung, sieht die Finanzierung der Pläne als Achillesferse. "Fast alle Maßnahmen erfordern zusätzliche personelle, zeitliche oder finanzielle Ressourcen. Hier ist ein politischer Prozess notwendig, um die Finanzierung sicherzustellen und gegebenenfalls gesetzliche Anpassungen vorzunehmen." Zusätzliches Geld müsse über den Doppelhaushalt bereitgestellt werden, sagte Jung.

MDR (ali/sth)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 16. Mai 2024 | 19:00 Uhr

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