Nach Merz-Interview CDU-Streit: Voigt gegen AfD-Zusammenarbeit - Kommunalpolitiker für Pragmatismus

24. Juli 2023, 13:05 Uhr

In der CDU gibt es eine heftige Diskussion darüber, wie mit der AfD umgegangen werden sollte. Auslöser ist das ZDF-Sommerinterview mit Friedrich Merz, in dem dieser ein gemeinsames Vorgehen auf kommunaler Ebene nicht ausgeschlossen und dafür deutliche Kritik geerntet hatte.

CDU-Landeschef Mario Voigt hat in der Debatte über den Umgang seiner Partei mit der AfD zur Zurückhaltung aufgerufen. Voigt sagte MDR THÜRINGEN, die Union müsse sich besonnen und geschlossen zeigen. Die Partei müsse die Sorgen der Menschen benennen und dafür Lösungsvorschläge präsentieren.

Debatten um die AfD würden Deutschland nicht aus der Krise bringen. Voigt verwies auf einen Beschluss des CDU-Landesvorstands nach der Landratswahl von Sonneberg. Darin habe die Thüringer Union noch mal klargemacht, dass es mit der AfD keine Koalition geben könne. Die AfD polarisiere das Land, mit ihr wie auch mit der Linken gebe es keine politische Stabilität.

CDU-Chef Merz über mögliche Zusammenarbeit

CDU-Parteichef Friedrich Merz hatte am Sonntagabend im ZDF-Sommerinterview mit Blick auf die Landratswahl in Sonneberg gesagt, eine solche Wahl müsse akzeptiert werden.

In den Kreistagen, Stadt- oder Gemeinderäten müsse nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestalte. Nach heftiger Kritik auch aus der eigenen Partei hatte Merz dann klargestellt, dass es auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben werde. Auf kommunaler Ebene gibt es in Thüringen bereits seit Langem gemeinsame Abstimmungen mit der AfD und vor allem CDU-Lokalpolitiker lehnen eine Ausgrenzung der Partei ab.

Auf lokaler Ebene gibt es seltener als im Landtag oder Bundestag feste Koalitionen zwischen Parteien. Dort werden auch keine Gesetze verabschiedet, sondern es geht zum Beispiel um Entscheidungen zu Schul-, Straßenbaumaßnahmen oder Satzungen.

Deutschlandfunk-Korrespondent Henry Bernhard berichtet im Audio darüber, wie Thüringer Lokalpolitiker mit der AfD umgehen.

Kommunalpolitiker drängen auf Pragmatismus

Bei Thüringer CDU-Kommunalpolitikern stößt die Haltung der Unions-Spitze auf Kritik. Der Präsident des Thüringer Gemeinde- und Städtebundes, Michael Brychcy, sagte MDR THÜRINGEN, vor Ort in den kommunalen Parlamenten werde schon längst mit der AfD geredet. Das sei auch nötig, anders würde das Leben in einer Stadt nicht funktionieren. Nur wenn mit der AfD und auch mit deren Wählern gesprochen werde, könne die CDU die besseren politischen Angebote machen.

Nach Ansicht von Brychcy, der auch CDU-Bürgermeister der Stadt Waltershausen ist, schadet sich die CDU selbst, wenn sie permanent Gespräche mit der AfD ausschließt. "Je länger wir sagen, mit denen reden wir nicht, desto mehr reagieren die Menschen mit Trotz und wählen erst recht die AfD", sagte Brychcy. Die Union müsse besser werden in der Kommunikation und die Leute wieder mitnehmen.

Brychcy sagte MDR THÜRINGEN, er verstehe nicht, warum Merz hier wieder eine Rolle rückwärts mache. Er lade Merz ein, einmal an einer Stadtratssitzung in Waltershausen teilzunehmen. Bereits vor Kurzem hatte sich Brychcy für eine politische Zusammenarbeit der AfD mit der CDU in Sachfragen ausgesprochen. Nicht alle AfD-Mitglieder seien Faschisten, begründet er. Er wolle aber nicht mit Rechtsradikalen reden.

Greizer Landrätin: Abblocken geht nicht

Ähnlich äußerte sich Martina Schweinsburg, CDU-Landrätin im Kreis Greiz. Man müsse in einem Kommunalparlament immer sehen, was pragmatisch vor Ort möglich sei, sagte Schweinsburg MDR THÜRINGEN. Immer nur alles abzublocken, weil etwas von der AfD komme oder weil ein Beschluss mit den AfD-Stimmen verabschiedet werde, sei kontraproduktiv. In den Gemeinden, Städten und Landkreisen seien Pragmatiker am Werk.

CDU in Sonneberg will Sesselmann beobachten

Die Vorsitzende des CDU-Kreisverbandes Sonneberg, Beate Meißner, verwies auf einen Beschluss ihres Kreisverbandes. Maßstab für die weitere Arbeit im Kreistag werde das Wohl des Landkreises Sonneberg sein, so Meißner. Die CDU werde dabei sehr genau prüfen, welche Initiativen der neue AfD-Landrat Robert Sesselmann auf den Weg bringe und diese nicht von vornherein ablehnen.

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MDR (whe/dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 24. Juli 2023 | 12:00 Uhr

317 Kommentare

martin vor 41 Wochen

Sorry "erich" und "wessi" - aber bzgl. der AfD muss ich widersprechen. Die Kameraden haben durchaus einen Plan und verfolgen diesen recht zielstrebig. Dass dies von Demokraten nicht als konstruktiv bezeichnet werden kann, bedeutet ja nicht, dass da nichts sei ....

martin vor 41 Wochen

@pinka: Ihr ursprüngliche These in allen Ehren. Wenn ich mich so umschaue, habe ich allerdings den Eindruck, dass sie nur für einen Teil der Wählerschaft zu gelten scheint. Ein anderer Teil scheint populistisches Getöse zu bevorzugen.

martin vor 41 Wochen

@matthias: Nun ja, das Hochkochen des Themas "Kinderarmut" zeigt m.M.n. doch die AFD-Methodik recht gut: Ein Problem, für das die AfD keine Lösung hat (oder welches sich unter einer AfD-Regierung noch verstärken würde) wird skandalisiert und per Fingerpointing den "Altparteien" (nicht immer unberechtigt) zugewiesen. Und wenn der Mitdenkensprozess spätestens hier gestoppt wird, steht die AfD als selbstpropagierte (angebliche) Alternative gut da.

Insoweit gebe ich "pinka" durchaus Recht, dass es die Summe der tatsächlich ungelösten Probleme sowie der im Sumpf der parteipolitischen Rangeleien stecken gebliebenen Lösungsansätze der AfD unnötiges Futter geben.

Aber als alleinige Begründung taugt das m.M.n. auch nicht - denn wenn die AfD kein realen Vorlagen bekommt, bastelt sie sich mit "alternativen Fakten" halt selbst was zusammen, was sie skandalisieren kann.

Selbstverständlich sollten Mandatsträger miteinander reden - aber eine konstruktive Zusammenarbeit ist so kaum möglich.

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