Neonazis gehen nebeneinander.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat den rechtsextremistischen Verein "Hammerskins Deutschland" einschließlich seiner regionalen Chapter und seiner Teilorganisation "Crew 38" verboten. Bildrechte: MDR/WDR, honorarfrei

Extremismus Schlag gegen Neonazis in Thüringen: Das sind die "Hammerskins"

19. September 2023, 11:44 Uhr

Die Polizei hat am Dienstagmorgen auch in Thüringen Wohnungen mutmaßlicher Mitglieder der "Hammerskins" durchsucht. Was hat es mit der Gruppierung auf sich, die bundesweit Mitglieder hat?

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Seit fast drei Jahrzehnten agieren die sogenannten Hammerskins weltweit größtenteils im Verborgenen. Aufgeteilt in internationale, nationale und regionale Chapter, mit strengen Hierarchien, orientiert sich der rechtsextreme Geheimbund an den Strukturen von Rockerclubs.

Mehrere Mitglieder waren in der Vergangenheit an rassistischen Anschlägen und Angriffen beteiligt, ranghohe Mitglieder wie der Thüringer Thomas G., der offiziell zum sächsischen Chapter der Gruppierung gehört, bewegten sich im engsten Umfeld des "Nationalsozialistischen Untergrunds". Nach MDR-Informationen soll auch G. von den Wohnungsdurchsuchungen am Dienstag betroffen sein.

Ebenfalls Ziel der Ermittler: Steffen A., ein Neonazi mit Wohnsitz in Thüringen und mutmaßlich Kader der Hammerskin-Unterstützergruppe "Crew 38" in Sachsen.

"Hammerskins" auch in Thüringen aktiv

Obwohl es kein eigenes Thüringer Chapter gibt, sind die "Hammerskins" auch im Freistaat seit Jahren aktiv. So veranstaltete das "Hammerskin"-Chapter Franken über Jahre Konzerte in der sogenannten Erlebnisscheune in Kirchheim nahe Erfurt.

Einzelne Mitglieder der Thüringer Neonazi-Rockergruppe "Turonen", sollen dem "Hammerskin"-Bund nahestehen. Mehrere "Turonen"-Mitglieder waren erst kürzlich wegen Drogengeschäften zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Auch diese Gruppe veranstaltete über Jahre Konzerte in Kirchheim.

Immer wieder führt auch die Spur von Malte Redeker, mutmaßlich Europa-Chef der "Hammerskins" und eines der einflussreichsten deutschen Mitglieder, nach Thüringen. So betreute Redeker, der sich jahrelang im verborgenen hielt, im Oktober 2017 die australische "Hammerskin"-Band "Fortress" öffentlich bei ihrem Auftritt im südthüringischen Themar.

"Kampf der Nibelungen" - Das Gewaltnetzwerk

Redeker, der seit Jahren gute Geschäfte mit Neonazimusik macht, gilt auch als Initiator des rechtsextremen Kampfsportnetzwerkes "Kampf der Nibelungen", dem die Thüringer Neonazi-Gruppierungen "Knockout 51" und "Jungsturm" nahestehen sollen.

Mitglieder des "Jungsturm" wurden 2020 wegen gefährlicher Körperverletzung und Bildung einer kriminellen Vereinigung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, vier Mitglieder der Eisenacher Gruppe "Knockout 51" stehen derzeit unter anderem wegen ähnlichen Vorwürfen vor Gericht.

Im Zuschauerraum des Thüringer Oberlandesgericht in Jena fand sich gleich am zweiten Prozesstag gegen die Gruppe der aus Niedersachsen stammende "Hammerskin"-Unterstützer Nils B.. Er ist seit Jahren beim "Kampf der Nibelungen" aktiv, gilt mittlerweile als wichtiger "Hammerskin"-Netzwerker, auch in Thüringen.

Ein Polizeifahrzeug steht vor einem Haus.
Anhänger der "Hammerskins" kamen in diesem Sommer ins Flieder-Volkshaus in Eisenach. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Martin Schutt

Thüringen als wirtschaftlicher Rückzugsraum

Drei rechtsextreme Szeneversandgeschäfte aus dem Umfeld der "Hammerskins" wurden bereits Ende 2019 von Nils B. mit einer Postfachadresse in Artern (Kyffhäuserkreis) angemeldet. B. soll zum engsten Vertrauenskreis der "Hammerskins" gehören und trug in der Vergangenheit Bekleidung ihrer Unterstützergruppe "Crew 38“", die ebenfalls von dem Verbot des Bundesinnenministeriums betroffen ist.

Mittlerweile lebt B. seit mehreren Jahren in Thüringen und ist dort bestens vernetzt. So soll er erst vor wenigen Wochen ein Konzert im sogenannten Flieder-Volkshaus in Eisenach organisiert haben, zu dem "Hammerskins" aus ganz Deutschland angereist waren.

Bis vor wenigen Jahren wurden nach MDR-Recherchen mindestens zwei der Arterner Versandhandel von Kadern des "Hammerskin"-Netzwerks geführt. Experten glauben schon lange, dass es sich bei dem Inhaberwechsel um ein strategisches Manöver handeln könnte. Im Falle eines Verbots könnten die "Hammerskins" ihre Geschäfte vor dem Zugriff der Behörden schützen, wenn der Inhaber nicht offiziell zum Netzwerk gehört. Das könnte ihnen nun gelungen sein, denn nach dem derzeitigen Stand ist B. nicht von den Durchsuchungen betroffen.

Dienstagmorgen hatte das Bundesinnenministerium mitgeteilt, dass der Verein "Hammerskins Deutschland" verboten wurde - einschließlich seiner regionalen Gruppierungen.

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Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 19. September 2023 | 19:00 Uhr

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