Ein Polizeifahrzeug steht vor einem Gebäude.
Das "Flieder Volkshaus" in Eisenach ist ein Treffpunkt der rechtsextremen Szene - und immer wieder im Blick der Polizei. Bildrechte: picture alliance/dpa | Martin Schutt

Rechtsextremismus Neonazis reisten aus ganz Deutschland zu Konzert nach Eisenach

16. Juli 2023, 05:00 Uhr

Im Flieder Volkshaus in Eisenach treffen sich immer wieder Anhänger verschiedener Neonazi-Gruppen - etwa zu Konzerten. Abgeordnete verschiedener Thüringer Landtagsfraktionen fordern, den Verfolgungsdruck auf Gastgeber und Veranstalter zu erhöhen.

In Eisenach hat am 8. Juli ein Neonazi-Konzert mit rund 50 Besuchern stattgefunden. Das teilte die Landespolizeiinspektion Gotha auf Anfrage von MDR THÜRINGEN mit. Es seien drei Strafanzeigen im Zusammenhang mit der Veranstaltung gestellt worden. Es werde aber noch weiter ermittelt.

Militanter Neonazi-Bund trifft sich in Parteiimmobilie

Fotos des investigativen Rechercheprojekts "Recherche Nord" im Internet zeigen mehrere Konzertbesucher mit strafbaren Neonazi-Tätowierungen. Zu dem Konzert im sogenannten Flieder Volkshaus der Partei "Die Heimat" (ehemals NPD) waren nach MDR THÜRINGEN-Informationen auch Mitglieder des internationalen Neonazi-Geheimbunds "Hammerskins" nach Eisenach gereist.

Bilder zeigen Hammerskin-Mitglieder verschiedener sogenannter Chapter aus dem gesamten Bundesgebiet. Das Neonazi-Netzwerk orientiert sich mit seinen internen Hierarchien und den regionalen, nationalen und internationalen Ablegern an Rockerclubs. Ein in Thüringen ansässiger Rechtsrock-Versandhändler aus dem Umfeld der Hammerskins soll nach Informationen von Szenekennern das Konzert mit dem niederländischen Neonazi-Musiker "Flatlander" organisiert haben. Auch er soll dem Hammerskin-Bund nahestehen.

Monatliche Neonazi-Konzerte in Eisenach

Laut Polizei haben im vergangenen halben Jahr elf Veranstaltungen in der Eisenacher Immobile stattgefunden, darunter sechs rechtsextreme Konzerte und Liederabende. Bei den restlichen Veranstaltungen soll es sich nach Angaben der Landespolizeiinspektion Gotha um Faschings- beziehungweise Kneipenabende oder Abende mit DJ-Musik gehandelt haben. Insgesamt befänden sich 21 Strafverfahren im Zusammenhang mit Veranstaltungen in der Immobilie in Bearbeitung.

Felix Steiner von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen (Mobit) sagte dem MDR, die Immobilie diene dazu, über Musik und Veranstaltungen auch die wichtigsten nationalen und internationalen Neonazi-Netzwerke zu vernetzen und Geld in die Kassen der Szene zu spielen. Durch die eigenen Räumlichkeiten müssten Veranstaltungen nicht mehr klandestin organisiert werden. "Dies minimiert auch die Gefahr, dass diese Veranstaltungen verboten werden können und damit finanzieller Schaden entsteht", so Steiner.

Verbindungen zur Organisierten Kriminalität

Das "Flieder Volkshaus" ist nach MDR-Recherchen in den vergangenen Jahren zum Dreh- und Angelpunkt militanter Neonazistrukturen bundesweit avanciert. Vertreter der in Deutschland mittlerweile verbotenen Neonazi-Gruppierungen "Combat 18" und "Blood & Honour", teils mit Verbindungen in die Organisierte Kriminalität, gehen hier ebenso ein und aus wie Mitglieder des konspirativen internationalen Hammerskin-Netzwerks.

Die Eisenacher Neonazi-Gruppierung "Knockout 51" hat hier regelmäßig ihre Kampfsporttrainings abgehalten. Vier mutmaßliche Mitglieder von "Knockout 51" sind von der Bundesanwaltschaft wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen und terroristischen Vereinigung, mehrfacher gefährlicher Körperverletzung, Angriffen auf Vollstreckungsbeamte, Landfriedensbruch, versuchter Gefangenenbefreiung und Verstößen gegen das Waffenrecht angeklagt worden.

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Neonazi-Konzerte fast ohne Öffentlichkeit

Im Sommer 2022 wurde das Flieder Volkshaus von der Polizei als sogenannter "kriminogener Ort" (gefährlicher Ort) eingestuft, an dem verdachtsunabhängig Kontrollen durchgeführt werden können. Immer wieder sind die Immobilie und die Eisenacher Neonazi-Szene Bestandteil von parlamentarischen Anfragen im Thüringer Landtag.

Trotzdem konnten die vergangenen Neonazi-Veranstaltungen dort weitestgehend ohne öffentliche Beachtung stattfinden. Offenbar auch, weil die Polizei keine Pressemittteilungen im Nachgang der Einsätze herausgab. Auf Anfrage von MDR THÜRINGEN antwortet die Landespolizeiinspektion Gotha: "Grundsätzlich werden Pressemeldungen zu Einsatzanlässen veröffentlicht, sofern ein öffentliches Informationsinteresse (per se oder z.B. anhand Nachfragen erkennbar) besteht (…) In der Regel wird dementsprechend nicht über Veranstaltungen ohne Vorkommnisse in einer Pressemeldung berichtet." Im aktuellen Fall am Samstag sei die zuständige Ordnungsbehörde nicht vor Ort gewesen.

Auf MDR-Anfrage, ob geschulte Beamte des polizeilichen Staatsschutzes im Einsatz waren, um mögliche verbotene Lieder oder strafbare Kennzeichen zu identifizieren, wollte die Landespolizeiinspektion Gotha keine Auskunft geben.

Landtagsabgeordnete fordern Verfolgungsdruck

Der Eisenacher CDU-Abgeordnete Raymond Walk sagte dem MDR, der Verfolgungsdruck der Sicherheitsbehörden müsse erhöht und die Zusammenarbeit mit anderen Stellen wie Finanzämtern, Ordnungsämtern, Waffenbehörden und dem Zoll gestärkt werden. Auch die Verbindungen zur Organisierten Kriminalität stellten eine akute Gefahr für die Gesellschaft dar.

"Wenn die Menschen glauben, es gäbe Parallelstrukturen, schwindet das Vertrauen in den Staat und staatliche Institutionen. Doch ohne konsequenten Repressionsdruck, ohne Kontrollen werden wir in diesem Deliktbereich keine neuen Erkenntnisse gewinnen", so Walk weiter.

Konzerte zum Vernetzen der Szene

Die Linken-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss sagte dem MDR, bei Konzerten wie am besagten Wochenende, die militanten Strukturen wie den Hammerskins zuzurechnen seien, handle es sich immer auch um Vernetzungstreffen der entsprechenden Strukturen. "Das Ziel muss sein, Veranstaltungen militanter Neonazis und die damit einhergehende Gefahr zu unterbinden." Das sollte durch das Thüringer Innenministerium unter Einbindung der zuständigen kommunalen Behörden der Stadt Eisenach und des Wartburgkreises erarbeitet und umgesetzt werden, fordert König-Preuss. "Dass es möglich ist, zeigt Staupitz."

Im sächsischen Ort Staupitz hatten die zuständigen Behörden vor wenigen Monaten dem Betreiber einer einschlägigen Rechtsrock-Immobilie, die Gewerbegenehmigung entzogen.

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