Mario Voigt, Thüringer CDU Landeschef und Fraktionsvorsitzender im Landtag
CDU-Fraktionschef Mario Voigt: Seine Fraktion ist an den Verhandlungstisch zum Haushalt zurückgekehrt und will rund 200 Änderungsvorschläge einbringen. Bildrechte: IMAGO / Karina Hessland

Verhandlungen Kommentar zum Haushalt: Für die CDU wird das Eis dünner

30. November 2022, 18:00 Uhr

Bei den Verhandlungen zum Thüringer Etat 2023 stehen sich Rot-Rot-Grün und CDU unversöhnlich gegenüber. Auch wenn die Union jetzt an den Verhandlungstisch zurückgekehrt ist, wird für sie das Eis dünner. Ein Kommentar.

Man kennt das von Tarifverhandlungen. Was macht die Arbeitnehmerseite, also die Gewerkschaften, wenn sie weiß, dass es nichts als Kröten zu schlucken gibt? Und sie das trotzdem ihrer Klientel beibiegen muss? Richtig: Ihre Vertreter verhandeln bis spät in die Nacht.

Erst wenn die Hälfte der Delegation am Verhandlungstisch eingenickt ist, das letzte Mortadellabrötchen mumifiziert und alle Zigaretten weggedampft wurden, gibt es das Ergebnis. An den eingefallenen Wangen und dicken Augenringen sieht man: Nicht alles wurde erreicht, aber die Verhandler haben wenigstens gekämpft bis zum Schluss.

Konstruktive Opposition gibt es nicht zum Nulltarif

So ähnlich ist gerade Mario Voigt unterwegs. Seine CDU versteht sich (noch) als konstruktive Opposition der rot-rot-grünen Minderheitsregierung. "Konstruktiv" heißt: Die größte Oppositionsfraktion verhandelt den Landeshaushalt mit und hat ihm in den letzten beiden Jahren auch immer zugestimmt - ohne die Christdemokraten hätte der linke Ministerpräsident Bodo Ramelow seine Haushaltsgesetze nicht durch den Landtag bekommen.

Wenn man so will, hat die CDU mit ihrer konstruktiven Opposition Ramelow schon zweimal im Amt gehalten. Wenn das der Friedrich Merz wüsste! Aber Thüringen ist nicht Berlin, und für die Zustimmung zahlte Rot-Rot-Grün jedes Mal einen Preis - zuerst war es das unter Schmerzen ausgesprochene Verbot von Windkraft im Wald, dann ein in letzter Minute von der CDU hinein verhandelter Haushaltsschnitt, der mehrere hundert Millionen Euro im Haushalt sparen sollte.

Konstruktive Opposition alternativlos

Solange sich die CDU als selbsternannte Thüringen-Partei ernst nimmt, gibt es zur konstruktiven Opposition übrigens keine Alternative. Ohne Haushaltsgesetz muss das Land seine Ausgaben ab Januar auf Sparflamme setzen. In der sogenannten vorläufigen Haushaltsführung darf Finanzministerin Heike Taubert nur die allerdringendsten Rechnungen bezahlen.

Geldflüsse, etwa vom Land an die Kommunen, sind wie eingefroren. Gestaltet wird nichts. Nur wer den Staat nicht mag, findet so etwas gut. Wer aber wie die Christdemokraten überall im Land Bürgermeister stellt oder an Investitionen in Straßen oder Digitalisierung interessiert ist, der kann so einen Sparkurs nicht wollen - die eigene Basis, die eigene Klientel auf dem Land und in Vereinen würde es nicht verstehen.

Pokern auf dünnem Eis

Also was ist es diesmal? Mit welchem Argument, mit welchem Zugeständnis von Linken, SPD und Grünen wird Voigt dieses Mal vor seine Leute treten und sagen: "Seht her, dieses Haushaltsgesetz trägt auch unsere Handschrift, lasst uns zustimmen"? Man weiß es (noch) nicht.

Aber jetzt sind die Christdemokraten wenigstens an den Verhandlungstisch zurückgekehrt und haben eigene Vorschläge angekündigt. Das Pokern geht weiter. Aber das Eis wird dünner. Nicht nur für Mario Voigt persönlich. Wenn die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ihn zu einer Anklage führen, dann wird seine Partei ihn fallen lassen wie eine heiße Kartoffel.

Wenn aber die Haushaltsverhandlungen platzen, oder selbst wenn sie sich weiter ziehen bis ins nächste Jahr, dann nutzt das nur der selbsternannten Systemopposition, der AfD, dem Rechtsextremismus. Dann kommen zu Kriegsangst, Inflation und steigenden Energierechnungen weitere Unsicherheiten hinzu. Wenn es Deutschland schlecht geht, dann ist das gut für die AfD, formulierte einst ihr Bundessprecher Christian Lüth. Für das schöne Bundesland Thüringen gilt das auch.

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MDR (sar)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 30. November 2022 | 18:10 Uhr

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