MDR Thüringen Redakteur Uli Sondermann-Becker (neutral) und Mario Voigt, CDU-Fraktionschef, sitzt im Plenarsaal Plenarsaal des Thüringer Landtags.
MDR THÜRINGEN-Politikredakteur Ulli Sondermann-Becker (links) kommentiert den neuen Thüringentrend. Er meint: CDU-Landeschef Mario Voigt (rechts) kann von der Staatskanzlei träumen. Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/ Alexander Schmidt, picture alliance/dpa | Martin Schutt

Kommentar Mario Voigt kann träumen - und die AfD-Stärke bringt nichts

05. Juli 2023, 11:30 Uhr

Umfragen sind keine Wahlergebnisse und Sonntagsfragen nur Wegmarken bis zur nächsten Landtagswahl. Trotzdem geben repräsentative Befragungen von seriösen Meinungsforschungsinstituten wie der neue Thüringentrend wichtige Hinweise auf die politische Stimmung im Land. Die Ergebnisse von Sonntagsfrage und Politiker-Zufriedenheit werden bejubelt oder betrauert und in den Parteizentralen ausgewertet. Tun wir also einmal so, als wäre die aktuelle MDR THÜRINGEN-Umfrage das Landtagswahlergebnis.

Was wäre dann? Mario Voigt könnte sich freuen. Der CDU-Chef, Fraktionsvorsitzende und designierte Unions-Spitzenkandidat, schneidet bei der Frage Politikerzufriedenheit zwar schlechter ab als Bodo Ramelow (Linke), Thomas Kemmerich (FDP), Björn Höcke (AfD) und Georg Maier (SPD).

Hart formuliert heißt das: Der promovierte Akademiker mit langjähriger Verwurzelung in Thüringen und CDU ist unbeliebter als ein "Kommunist aus dem Westen" (Zitat aus CDU-Wahlkampfreden), ein deutschlandweit bekannter Rechtsextremist (aus dem Westen) und als ein blasser SPD-Landeschef mit Drang zu Höherem (ebenfalls aus dem Westen). Trotzdem kann CDU-Chef Voigt von der Staatskanzlei träumen und von einer von ihm geführten Minderheitskoalition aus Union, SPD und Grünen.

Warum? Seine CDU steht mit 21 Prozent Zustimmung um einen Punkt besser da als die Linke. Damit hat Voigt, wenn auch knapp, die Partei von Bodo Ramelow geschlagen und kann auf SPD und Grüne zugehen. Eine schwarz-rot-grüne Minderheitsregierung hätte in unserem skizzierten Fall zwar nur 36 Stimmen im Landtag und müsste deshalb von den Linken toleriert werden. Nach den Erfahrungen in der aktuellen Wahlperiode würde es denen aber schwerfallen, sich dieser Herausforderung zu entziehen.

Zur Not kann Voigt den Linken immer noch mit der AfD drohen, also dass Mehrheiten für Minderheitskoalitionsanträge auch mit AfD-Stimmen organisiert werden könnten. Übrigens hat Voigt die Vision einer CDU-geführten Minderheitsregierung schon mehrfach angedeutet.

AfD-Stärke zieht nicht

Und: Es ist kaum vorstellbar, dass der langjährige Regierungschef Bodo Ramelow als Chef einer Oppositions-Fraktion wieder zurück ins Glied tritt. In der Linken-Landtagsfraktion wäre also ein Generationswechsel zu erwarten. Ohne Ramelow wird die Linke schrumpfen und als politischer Konkurrent geschwächt. Aus dem Zweikampf zwischen Ramelow und Höcke um die Macht in Thüringen würde langfristig eine Konkurrenz aus AfD und CDU.

Wenn die aktuelle MDR THÜRINGEN-Umfrage das Wahlergebnis wäre, dann hätte die rechtsextreme Thüringer AfD die Landtagswahl gewonnen. Eine Regierungsmehrheit hat sie deshalb noch lange nicht. Im Land regiert, wer im Landtag zum Regierungschef gewählt wird - entweder aus eigener Kraft oder in Zusammenarbeit mit anderen Parteien. Die aber haben klargemacht, dass sie mit Extremisten und Demokratieverächtern nicht koalieren werden. Solange das so bleibt, wird es keinen AfD-Ministerpräsidenten in Thüringen geben.

Was bleibt?

Weil Björn Höcke das weiß, lockt er die CDU mit der Ansage, er könnte sich auch die Tolerierung einer CDU-geführten Minderheitsregierung durch seine AfD vorstellen. Gleichzeitig hält sich der Parteiführer in der Öffentlichkeit mit seinem dunklen Geraune über Deutschlands Zukunft unter AfD-Führung zurück. Sein Tolerierungsangebot an die CDU zieht sich aber wie ein süßes Gift durch alle möglichen Planungen von CDU-Wahlstrategen.

Der Landtag hat vor zwei Jahren die historische Chance ausgeschlagen, über Neuwahlen eine Änderung der vertrackten Mehrheitsverhältnisse herbeizuführen - ausgelöst durch die Weigerung von vier CDU-Landtagsabgeordneten, einen Regierungschef von den Linken aus dem Amt zu wählen.

Seitdem hat sich die Misere verfestigt: Rot-Rot-Grün und die CDU sind also weiterhin aneinander gebunden und leiden vor sich hin. Wie in einer schlechten Ehe, wo die Partner nicht voneinander loskommen, aber sich eigentlich hassen. Die AfD lehnt sich zurück und profitiert davon. Warum sollte das in den Monaten bis zur regulären Landtagswahl im September 2024 anders werden?


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MDR (co)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 05. Juli 2023 | 05:00 Uhr

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