Hans-Georg Maaßen (WerteUnion) bei seiner Rede, wie er sich die Politikwende in Thüringen vorstellt.
Im Oktober 2023 standen alle Zeichen zwischen Werteunion und "Bündnis für Thüringen" auf Annäherung. Werteunions-Chef Hans-Georg Maaßen machte dem Bündnis Avancen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Heiko Rebsch

Landtagswahl 2024 Beziehungsdrama unter Rechtskonservativen: Wer passt zu wem?

23. März 2024, 16:32 Uhr

Drei teils rechtskonservative Gruppen wollten gemeinsam in den Thüringer Landtag einziehen: die "Bürger für Thüringen", der "Bündnis Deutschland"-Verein und "Die Basis". Seitdem die Werteunion aufgetaucht ist, fragt sich ein Bündnispartner jedoch: Was, wenn die besser zu mir passt? Eine Frage nach Loyalität, Dominanz, der Zersplitterung des Landtages und vor allem danach, wie es jetzt fürs Bündnis weitergeht.

Aktuelle Nachrichten des Mitteldeutschen Rundfunks finden Sie jederzeit bei mdr.de und in der MDR Aktuell-App.

Thüringens politische Landschaft ist noch mehr in Bewegung als sonst ein halbes Jahr vor der Landtagswahl. Vergangene Woche wurde auch im Freistaat das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gegründet. Der ehemalige rechtskonservative Verein Werteunion plant für Mitte April seine Landesparteigründung.

Mit der Werteunion hängt ein Beziehungsstreit auf der politischen Bühne Thüringens zusammen. Die Werteunion ist dabei die Partnerin, die lieber ihr eigenes Ding machen will. Hinter sich lässt sie gleich drei politische Liebschaften. Statt Plänen für die gemeinsame Zukunft werden zwischen denen nun Vorwürfe wegen Illoyalität laut.

Maaßen-Rede weckte Hoffnung beim "Bündnis für Thüringen"

Zurück in den Herbst, als noch alles gut war: Am 21. Oktober 2023 fand in Erfurt die sogenannte "Zukunftskonferenz" des Bündnis für Thüringen statt. Zu dem neu gegründeten Bündnis gehörten die zwei Kleinparteien "Die Basis" und "Bürger für Thüringen" sowie der Thüringer Verein der Freien Wähler. Ihr Ziel: "die bürgerliche Mitte zu stärken" und mit einer offenen Liste zusammen zur Landtagswahl anzutreten. In ihrem gemeinsamen Programm ist unter anderem die Rede von falschen Anreizen für Einwanderer und einer Hysterie, die "die Medien" beim Klimawandel auslösten.

Offene und geschlossene Liste Eine offene Liste zur Thüringer Landtagswahl wird von einer Partei angemeldet. In diesem Fall würden das die Bürger für Thüringer übernehmen. Nach dem Thüringer Landeswahlgesetz Paragraf 29, Absatz 5 und Paragraf 23, Absatz 1, Satz 1 müssen alle, die auf der Liste stehen, entweder der anmeldenden Partei angehören - also den Bürgern für Thüringen - oder parteilos sein. Sollte das Bündnis für Thüringen wie geplant antreten, müssten die Die-Basis-Mitglieder also noch ihr Parteibuch aufgeben. Geplant war das für den Tag vor der Listenanmeldung. Bei einer geschlossenen Liste hingegen müssen alle Listenmitglieder der anmeldenden Partei angehören. Die offene Liste hat den Vorteil, dass sich Gruppen zusammentun können, die alleine nicht die Fünf-Prozent-Hürde knacken und damit nicht den Einzug in den Landtag schaffen würden.

Das Programm des Bündnis für Thüringen schien der Werteunion zu gefallen - genauer: ihrem Chef Hans-Georg Maaßen, dem ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten, der inzwischen selbst vom Verfassungsschutz im Bereich Rechtsextremismus beobachtet wird. Es gefiel ihm scheinbar sogar so sehr, dass er bei der "Zukunftskonferenz" eine Rede hielt.

Und obwohl die Werteunion zu dem Zeitpunkt aus ihrer Sicht Teil der Union und von eigener Parteigründung noch keine Rede war, enthielt Maaßens Ansprache viel Kritik an CDU und CSU und große Unterstützung fürs Bündnis für Thüringen. Er sprach von einem "Wir", das die Wahl gewinnen könnte, und schlug dem Thüringer CDU-Chef Mario Voigt vor, sich am Bündnis zu beteiligen. Maaßen machte dem Bündnis Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft.

Aiwanger lehnte Zusammenarbeit der Freien Wähler mit Werteunion ab

Doch nicht alle freuten sich über die Annäherung des Bündnisses an den umstrittenen Politiker. Hubert Aiwanger, der Bundesvorstand der Freien Wähler, erholte sich gerade vom bayerischen Landtagswahlkampf und von der Flugblattaffäre mit Antisemitismus-Vorwürfen gegen ihn, als er dem thüringischen Verein der Freien Wähler die Zusammenarbeit mit der Werteunion im Bündnis für Thüringen untersagte. Sie sei mit den Grundwerten der Freien Wähler "in keiner Weise vereinbar". Also aus der Traum vom WU-gestützten Bündnis, bevor er richtig angefangen hatte?

Porträtfoto eines Mannes
Uwe Rückert war im Bündnis für Thüringen zunächst durch den Verein der Freien Wähler vertreten, nach dem Bruch mit dem Bundesvorstand dann durch den "Bündnis Deutschland"-Verein. Bildrechte: Uwe Rückert

Uwe Rückert zog das Bündnis dem Parteibuch vor. Er trat als Landesvorstand der Thüringer Freien Wähler zurück. Rückert und die Gruppierung um ihn waren auf dem politischen Markt wieder zu haben - und schlossen sich als Verein der Partei "Bündnis Deutschland" an. Doch während Rückert hoffte, damit der Zukunft des Bündnis für Thüringen samt Werteunions-Unterstützung alle Steine aus dem Weg geräumt zu haben, ging die ihren eigenen und bereitete sich auf die Parteigründung vor. Die fand auf Bundesebene kurz nach Valentinstag statt und damit stand fest: Die Werteunion will zur Landtagswahl in Thüringen mit einer eigenen, geschlossenen Liste antreten.

Thüringer Werteunions-Chef schließt gemeinsame Liste mit Bündnis aus

Von ihrer Gründung während einer Schifffahrt auf dem Rhein wurde ein Foto veröffentlicht. Darauf zu sehen ist der frisch gekürte Bundesvorstand - vier Männer, eine Frau. Ellenbogen an Ellenbogen steht neben Maaßen ein strahlender Mann mit gelber Krawatte; Albert Weiler aus dem thüringischen Saale-Holzland-Kreis. Erst jahrelanges SPD-, dann über 20 Jahre CDU-Mitglied, nun hat er wieder mal die Partei gewechselt.

Weiler kümmert sich darum, dass die Werteunion auch in Thüringen vom Verein zur Partei wird. Dass er auch danach Chef bleiben und damit die Mitglieder vertreten wird, ist wahrscheinlich. MDR THÜRINGEN sagte er, dass es für ihn nie eine Option gewesen sei, mit dem Bündnis für Thüringen in den Wahlkampf zu ziehen. "Ich nehme lieber gar nicht an der Landtagswahl teil als mit diesem Bündnis. Das schließe ich kategorisch aus." Keine Spur mehr von der Hoffnung, die Maaßen im Herbst noch aufkeimen ließ.

Das Vorstandsmitglied Albert Weiler spricht während der Pressekonferenz zur Parteigründung der "Werteunion" auf dem Ausflugsschiff Godesia.
Albert Weiler ist Thüringen-Beauftragter der Werteunion. Bildrechte: picture alliance/dpa | Thomas Banneyer

Streitpunkt: Konzept der wechselnden Mehrheiten

Die Ursache liegt laut Weiler bei einem der Hauptanliegen der Bürger für Thüringen - dem zweiten von drei Bündnispartnern neben dem "Bündnis Deutschland"-Verein. Angeführt wird diese Partei von Ute Bergner, Ex-FDP-Mitglied und Spitzenkandidatin des Bündnis für Thüringen. Was Bergner unbedingt will, sind wechselnde Mehrheiten im Parlament. Uwe Rückert und sein Verein finden die Idee auch gut. Das heißt: keine festen Koalitionen, sondern sachbezogene Zusammenarbeit ohne Fraktionsdisziplin - mit allen Parteien, auch der AfD.

Mit wechselnden Mehrheiten kommt man keinen Schritt weiter.

Albert Weiler, Thüringen-Beauftragter der Werteunion

Bergner sagt dazu: "Nur damit kann sichergestellt werden, dass es um die Sache geht, die Opposition nicht weiter ausgeschlossen wird und Amt und Mandat strikt getrennt werden." Weiler von der Werteunion hingegen findet: "Man muss Koalitionen eingehen, um Politik zu machen. Mit wechselnden Mehrheiten kommt man keinen Schritt weiter." Für die Landtagswahl gilt für Weiler also: Antritt mit geschlossener Werteunions-Liste oder gar nicht. Ein Schlupfloch lässt er allerdings: Die anderen können gerne bei ihm mitmachen.

Das Bündnis aufgeben und stattdessen auf der Liste der Werteunion mitzumachen, um möglichst viele rechtskonservative Stimmen zu vereinen und einen Einzug in den Landtag wahrscheinlicher zu machen: Ist das für die, die sich mal mit dem Bündnis die politische Treue schworen, eine Option?

Rückert will auch ohne ehemaligen Partner zur Landtagswahl antreten

Für Uwe Rückert und seinen "Bündnis Deutschland"-Verein eher nicht. "Wenn die Werteunion mit einer eigenen Liste antritt, ist das ihr gutes Recht, aber ich werde da nicht mitmachen." Er sei aber weiter zu Gesprächen bereit. "In der Grundausrichtung sind Werteunion und wir ganz nah beieinander." Der Grund für seine Zurückhaltung liege nicht an Inhalten, sondern an Organisatorischem.

In der Grundausrichtung sind Werteunion und wir ganz nah beieinander.

Uwe Rückert, Vorsitzender des Thüringer "Bündnis Deutschland"-Vereins

Seitdem die Partei-Website der Werteunion online ist, gibt es dort ein Foto der Wartburg aus der Vogelperspektive, das mit "Landtagswahl 2024: 01.09. Thüringen" überschrieben ist. Noch ist es grau hinterlegt. Denn: Bisher ist die Partei in Thüringen nicht gegründet. Bis Mitte April soll sich das zwar ändern, doch auch danach gibt es eine Menge Fristen einzuhalten. Laut Thüringer Wahlgesetz entscheidet der Landeswahlausschuss beispielsweise "am 58. Tag vor der Wahl über die Zulassung der Landeslisten". Bis 5. Juli muss die Partei dementsprechend gegründet sein und mithilfe der Mitglieder die Liste aufgestellt, die Listenplätze festgelegt und eingereicht haben. Die Zeit drängt also. Rückert zweifelt daran, dass die Werteunion das noch rechtzeitig schafft.

Bergner und die Werteunion im Austausch über gemeinsame Zukunft

Um sich auf diesen Fall vorzubereiten, könnte das Bündnis für Thüringen wie geplant zu dritt antreten - eventuell allerdings mit der Werteunion als Konkurrent mit ähnlicher politischer Agenda. Doch dagegen sprechen auch die verletzten Gefühle der einstigen Bündnispartner. Rückert sagt, dass seit dem Auftauchen der Werteunion als Partei in ihr auf einmal der neue Wunschpartner der Bürger für Thüringen gesehen werde. Den Parteivorstand der Bürger für Thüringen - Bergner ausgenommen, die lediglich Vereinsvorstand ist - bezeichnet Rückert als "wildgeworden" und "Bündnisbrecher". Hinter Bergner stehe er loyal, samt ihrer Führungsrolle. Die wiederum kritisiert Rückert für fehlende Kommunikation.

Was das für die politische Zukunft der Bürger für Thüringen mit Bergner an der Spitze heißt? Das ist noch offen. "Meine Gefühle sind im Moment etwas durcheinander", sagt sie. Ob es mit dem alten Bündnis weitergeht, hängt für sie davon ab, "wie viel Kraft und Aufwand man braucht, um zum alten Glück zurückzukommen". Bergner schließe keinen Akteur in der politischen Landschaft Thüringens vom Gespräch aus. Dementsprechend "gibt es auch Gespräche mit der Werteunion, um gemeinsam zur Landtagswahl anzutreten".

Robert-Martin Montag und Dr. Ute Bergner
Ute Bergner führt derzeit als Spitzenkandidatin das Bündnis für Thüringen an. Bildrechte: IMAGO / Karina Hessland

Am Sonntag (24. März) findet eine Mitgliederversammlung der Bürger für Thüringen statt. Dort soll entschieden werden, ob die Partei sich der Liste der Werteunion anschließt und die Mitglieder damit ihre eigene Parteizugehörigkeit aufgeben. Intern gilt es als wahrscheinlich, dass das Bündnis in seiner Ursprungsform zerbricht und sich die Bürger für Thüringen der Werteunions-Liste anschließen.

Fragt man Albert Weiler, was er vom Streit zwischen den zwei einstigen politischen Flirts der Werteunion hält, will er damit nichts zu tun haben. Gäbe es bereits vor den Wahlen Probleme, so Weiler, würde das Bündnis umso wahrscheinlicher im Landtag zersplittern. Aus einer Fraktion würden dann parlamentarische Gruppen der einzelnen Bündnispartner werden. Ute Bergner kennt das bereits. Damit wäre es noch schwieriger, Mehrheiten zu bilden und Entscheidungen zu treffen, als ohnehin schon zu erwarten ist.

Bereits Geld zurückgefordert: Bündnis steht kurz vorm Aus

Egal, ob die Bürger für Thüringen nun der Werteunion beitreten oder nicht: Die gemeinsame Liste des Bündnis für Thüringen aus "Bündnis Deutschland"-Verein, Bürger für Thüringen und Die Basis scheint Geschichte zu sein. Mehrere Mitglieder des "Bündnis Deutschland"-Vereins, auch Uwe Rückert, sollen bereits ihr Einlagegeld zurückgefordert und damit dem Bündnis für Thüringen einen Teil seines finanziellen Grundstocks weggenommen haben. Rückert vergleicht die zerborstene politische Partnerschaft mit einer geplatzten Verlobung: "Wenn man sich verlobt, ist das auch erst mal eine Ankündigung, auf die zwar eine Erwartungshaltung folgt. Das heißt aber nicht, dass man auch wirklich heiratet."

Ganz aus scheint der Traum vom Heiraten bei ihm allerdings noch nicht zu sein. Rückert sagt, sein Verein wolle nicht alleine zur Landtagswahl antreten, sondern sei in Austausch mit überparteilichen Interessierten und der Partei Die Basis. Die hingegen beobachtet als Dritte im Bunde stumm das Beziehungsdrama der zwei anderen und scheint inzwischen ganz das Interesse an einer weiteren Verlobung auf Landesebene verloren zu haben.

Porträtfoto eines Mannes
Sven-Jarno Bien und seine Partei Die Basis waren in den Streit der zwei anderen Bündnispartner nicht involviert. Bildrechte: Dirk Wächer

Die Basis zieht sich voraussichtlich aus Landtagswahlkampf zurück

Sven-Jarno Bien, Thüringer Parteivorsitzender von Die Basis, schließt die Teilnahme an der Werteunions-Liste als Parteiloser eher aus. Parteimitglied will er unter keinen Umständen werden. Und ihm sei es "auch langsam egal", ob er und seine Partei im Landtag sitzen oder seine "Brüder im Geiste, wie die Werteunion oder die Bürger für Thüringen". "Es ist wahrscheinlicher, dass wir uns auf die Kommunalwahlen konzentrieren und an der Landtagswahl gar nicht mehr teilnehmen."

Mehr zur Werteunion und Hans-Georg Maaßen

MDR (ost)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 23. März 2024 | 18:00 Uhr

51 Kommentare

Anita L. vor 4 Wochen

Sie tadeln den rostigen Nagel am Boden der Werkzeugkiste und wählen deshalb den durchgefaulten Holzbalken über dem Tor?

Ich muss Sie außerdem enttäuschen, aber der Blick in Ihre Nachbarbundesländer dürfte Ihnen offenbaren, dass die "Polarisierung", wie Sie es bezeichnen (und was auch immer genau Sie damit meinen), nicht von der Regierungsarbeit oder auch nur den Wahlergebnissen der Partei Die LINKE abhängig ist.

MDR-Team vor 4 Wochen

Sie haben jetzt sehr weit ausgeholt in Ihrer Antwort, das ist in Ordnung, wir möchten alle Kommentatoren in dieser spezifischen Diskussion aber nun bitten wieder zum Thema des Artikels zurückzukehren, in dem beispielsweise Remigration keine Rolle spielt. Vielen Dank!

Anita L. vor 4 Wochen

Sehr amüsant, Freies Moria, letztens wollte mir ein anderer Vertreter des "demokratischen Rechtsextremismus" noch weismachen, Demokratie sei ausschließlich darin definiert, dass die Bürger zur Wahl gingen... Sie sehen, dass sich offenbar jeder seine "Demokratie" neuerdings selbst definiert, wie er sie gerade benötigt, und sei es, ideologische Ziele, die per definitionem "im Kern mit der Pluralität der Interessen, der Gewaltenteilung oder/und den Menschenrechten auf Kriegsfuß" stehen (bpb) und entweder die konstitutionelle und/oder die auf der freien Meinungsäußerung (ja, dazu gehört auch, anderen Meinungen zu widersprechen oder sie eben als demokratiefeindlich einzuschätzen) basierende demokratische Grundlage des Staates abschaffen möchte, als "demokratisch" zu bezeichnen. Aber wie eine Vertreibung keine Remigration wird, nur weil jemand sie "Remigration" nennt, wird eine extremistische Ideologie nicht demokratisch, nur weil jemand sie "demokratisch" nennt.

Mehr aus Thüringen