Andreas Grünwald auf einem E-Bike. Er ist todkrank.
Andreas Grünwald ist todkrank. Ärzte gaben dem Weimarer zunächst nur noch wenige Monate. Bildrechte: Andreas Grünwald

Diagnose Myelofibrose Weimarer wollte im Hospiz sterben - jetzt sucht er eine neue Bleibe

01. September 2023, 22:45 Uhr

Eigentlich hatte Andreas Grünwald abgeschlossen mit seinem Leben. Die Ärzte haben ihm eine schreckliche Diagnose gestellt. Seine Prognosen waren schlecht. Doch auf einmal hat sich die Situation geändert - und der Weimarer steht vor neuen Herausforderungen.

Es war im letzten November, um den 67. Geburtstag herum, als Andreas Grünwald begann, müde zu werden. "Zuerst hab ich es auf Faulheit geschoben, aber als es ein paar Wochen später nicht besser wurde, bin ich dann doch zum Arzt".

Was dann kam, war ein Schock. Die Blutwerte waren derart schlecht, dass Grünwald in die Uniklinik nach Jena überwiesen und dort mit einer schrecklichen Diagnose konfrontiert wurde: Myelofibrose, heilbar nur durch eine Knochenmarkstransplantation. Dazu eine Leukämie.

Ein bisschen neugierig auf den Tod

Schon einmal, vor 17 Jahren, hatte Grünwald eine Leukämie-Erkrankung überstanden. Doch jetzt gaben ihm die Ärzte nicht mehr als ein halbes Jahr. "Ich hatte keine Angst davor zu sterben, war vielleicht sogar ein bisschen neugierig drauf. Ich habe mir gesagt, meine Zeit ist jetzt wohl vorbei. Also bereite ich alles bestens darauf vor."

Andreas Grünwald fuhr mit seinem Rad, das er liebevoll "mein blaues Lebensgefährt" nennt, in den Friedwald nach Bad Berka und suchte sich eine Ruhestätte aus. Er einigte sich mit seinem Vermieter, kündigte die Wohnung, löste den Haushalt auf und begann seine Wertsachen zu verschenken.

Besonders am Herzen lag ihm seine Sammlung über die Nibelungen. Mehr als 1.600 Bücher und viele hundert Exponate zum Thema hatten sich angehäuft. "Die wollte ich in gute Hände geben und habe zum Glück ein Museum gefunden, das sich dafür interessiert."

Dann bin ich mit leichtem Gepäck im Hospiz eingezogen - bereit zu sterben.

Andreas Grünwald

Andreas Grünwald
Andreas Grünwald auf seinem blauen Gefährt. Nach seiner neuen Diagnose bleiben seine Wünsche bescheiden. Bildrechte: Andreas Grünwald

Haushaltsgegenstände schaffte er ins Sozialkaufhaus, die Bücher in eine kleine private Bibliothek nach Krautheim und Bargeld verschenkte er unter Nachbarn. Ganz wichtig war Grünwald eine Liste von Menschen, mit denen er Frieden schließen wollte. "Diese Liste habe ich abgearbeitet und viele gute Momente gehabt. Dann bin ich mit leichtem Gepäck im Hospiz eingezogen - bereit zu sterben."

Was ist eine Myelofibrose? Myelofibrose oder MF ist eine chronische Erkrankung des Knochenmarkes.
Das blutbildende Knochenmark wird durch Bindegewebe ersetzt und zunehmend verfasert. Dabei werden zunächst zu viele rote Blutzellen gebildet, später zu wenige.

Die genauen Ursachen sind noch nicht bekannt. Die Myelofibrose schreitet jedoch stetig voran. Die Erkrankung kann auch akut und damit schnell und heftig verlaufen - und damit innerhalb von Wochen oder Monaten zum Tod führen.

Oft gibt es zu Beginn keine oder nur unspezifische Symptome wie Müdigkeit oder Gewichtsabnahme.

Pro Jahr erkrankt etwa einer von 100.000 Menschen daran. Es ist damit eine sogenannte "seltene Erkrankung". Sie wird im Schnitt ab 65 diagnostiziert, 90 Prozent sind älter als 46 Jahre. Männer sind häufiger betroffen.

Quelle und weitere Informationen: https://www.leben-mit-myelofibrose.de

Sterbefasten und Flucht aus Hospiz: Doch der Tod kam nicht

Der Tod aber kam nicht so schnell. "Ich war noch recht selbstbestimmt, bin sogar noch mit dem Elektroroller rumgefahren, hab aber gemerkt, wie das von Tag zu Tag schwerer ging."

Dennoch hielt sich Grünwald am Leben. "Nach einiger Zeit wollte ich nicht mehr und trat ins Sterbefasten ein. Zehn Tage lang habe ich nichts mehr gegessen. Doch auch das funktionierte nicht."

Sie sagten, ich könne locker noch ein bis zwei Jahre leben.

Andreas Grünwald

Grünwald nahm sich ein Taxi, floh aus dem Hospiz und ging in den Wald. Drei Tage lang hungerte er dort, dann rief er den Rettungsdienst. In der Klinik päppeln sie den 67-Jährigen bis heute auf. Und sie stellten eine neue Diagnose.

"Mein Krankheitsbild hatte sich verändert. Sie sagten, ich könne locker noch ein bis zwei Jahre leben. Das war natürlich eine Freude." Doch mit der Freude schwang auch die Sorge mit.

Neue Diagnose wie zweiter Geburtstag

"Ich war verzweifelt, denn ich weiß nicht wohin. Die Wohnung ist gekündigt und alle Sachen sind verschenkt." Nun sucht Andreas Grünwald eine Bleibe. "Es sollte eine Wohnung in Parterre oder mit einem Fahrstuhl sein. Ich bin nicht mehr so gut zu Fuß. Außerdem will ich mir einen Senioren-Roller anschaffen. Für den sollte auch Platz und eine Lademöglichkeit da sein."

Außerdem will ich gesünder leben, kein Alkohol, und Zeit beim Essen lassen.

Andreas Grünwald

Die Ansprüche von Andreas Grünwald sind bescheiden. In Weimar möchte er bleiben und dann minimalistisch leben. "Ich werde keinen Besitz mehr anhäufen. Die Zeiten sind vorbei. Kaufe ich mir mal ein Buch, gebe ich es danach in den öffentlichen Bücherschrank. Außerdem will ich gesünder leben, kein Alkohol, und mir Zeit beim Essen lassen. Das habe ich mir vorgenommen."

Am 22. August hat Andreas Grünwald von seiner neuen Diagnose erfahren und er feiert diesen Tag wie seinen zweiten Geburtstag. "Ich habe einen Lottoschein mit diesen Zahlen ausgefüllt. Leider war nicht eine Einzige davon richtig."

Doch wer weiß, was das Schicksal für Andreas Grünwald noch so in petto hat. In den vergangenen Wochen jedenfalls hat sich der ehemalige Straßenbauingenieur mehrfach selbst überrascht.

MDR (cma/sar)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 01. September 2023 | 06:10 Uhr

3 Kommentare

_Michaela _ vor 34 Wochen

Wir haben in Weimar eine möblierte Wohnung im EG, bezugsfertig in ca. 1 Woche.
Wie kann ich Herrn Grünwald erreichen?
MDR kann gern meine Kontaktdaten an ihn weitergeben, bitte.

Tpass vor 34 Wochen

Medizinischen Urteilen ist wohl dann mit Vorsicht zu genießen oder zu glauben. Dann wünsche ich diesen Erdenbürger noch eine schöne Zeit auf unseren Planeten.

MDR-Team vor 34 Wochen

Vielen Dank für die Informationen. Wir setzen uns mit Ihnen in Verbindung.

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