Aufräumarbeiten Nach dem Brand: Bothenheilingen hält zusammen

21. Juli 2022, 10:18 Uhr

200 Feuerwehrleute im Einsatz - sechs Familien ohne Zuhause: Das ist die Bilanz nach einem Feuer, das in Bothenheilingen bei Mühlhausen am Montag einen Vierseitenhof und eine Scheune samt Hinterhaus zerstört hat. Um den Familien zu helfen, planen Nachbarn nun ein Benefizkonzert.

Mitten im Ort klafft eine große Lücke - von dem Vierseitenhof stehen nur noch die Grundmauern, überall türmen sich verkohlte Holzbalken und verbogenes Metall, auch ein verbranntes Auto steht auf dem Hof. Es riecht verbrannt. Vor der Ruine sitzt Polizist Klaus-Dieter Müller. Er hält Brandwache.

Sollten sich Glutnester neu entzünden, würde die Feuerwehr alarmiert. Ansonsten bliebe die Brandruine unangetastet. In den vergangenen Tagen kämpften über 200 Feuerwehrleute gegen das Feuer im Dorf. Weil die Wasserversorgung zwischenzeitlich zusammengebrochen war, halfen umliegende Bauern mit Wassertanks aus. Ein Übergreifen auf weitere Häuser konnte so verhindert werden. Am Freitag sollen jetzt die Ermittler vom Landeskriminalamt den Brandort noch einmal untersuchen. Auch ein Gutachter und Vertreter der Versicherungen werden erwartet, so Müller.

Der Schock in Bothenheilingen sitzt tief

Immer wieder kommen Dorfbewohner zum abgebrannten Vierseitenhof. Ihnen ist der Schrecken noch deutlich anzusehen. Ein junger Mann, der in einem der Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite wohnt, erzählt, dass er mit Wasser aus dem Gartenschlauch versucht habe, sein Haus zu kühlen - wie auch die Nachbarn. Die Fenster seien zersprungen, davon abgesehen habe er Glück gehabt.

Hier draufklicken: Polizei bittet um Bilder und Videos

Für die Ermittlungen bittet die Polizei um Bilder und Videos. Wie eine Sprecherin der Polizei MDR THÜRINGEN sagte, sind alle Aufzeichnungen vom Brand hilfreich. Zeugen müssten auch nicht befürchten, dafür belangt zu werden, dass sie das Unglück gefilmt haben. Die Ermittler erhoffen sich mehr Hinweise darauf, wie es zu dem Brand kam. Anwohner und Zeugen können Bilder und Videos auf dem Infoportal der Polizei th.hinweisportal.de einreichen.

Anders als sein Bruder und ein Kumpel. Sie hatten im Vierseitenhof gewohnt. Sie und vier andere Familien haben ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Der Kumpel ist Alexander Hauck. Der junge Mann kann es immer noch nicht fassen, was passiert ist. Die Familie sei von der Rolle. Es sei schwer zu begreifen, dass von jetzt auf gleich alles weg ist - vor allem Erinnerungen wie alte Fotos. "Das ist jetzt alles Asche", sagt Hauck und ringt um Fassung.

Kind und Unterlagen gerettet - alles andere ist Asche

Als es zu der Explosion in der Tischlerlei kam, fütterte Alexander Hauck gerade seinen Sohn. Er konnte sich nur noch sein Kind, ein paar Unterlagen und den Kinderwagen schnappen. Mehr war nicht zu retten. Das Feuer greift schnell auf den kompletten Vierseitenhof über. Wie es jetzt weitergeht, weiß er noch nicht. Dabei sei die Hilfsbereitschaft groß, Freunde möchten wissen, was die Familie braucht. Darüber aber hat Alexander Hauck noch keinen Überblick.

Tischlereibetrieb ohne Firmenräume

Ihm sind wie auch Tischlerlei-Betreiber Andy Niebergall die vergangenen Tage deutlich anzusehen. Geschlafen habe er so gut wie gar nicht, dafür geistlos gekämpft, sagt Niebergall. "Die Tischlerei wird weiterbestehen und wir bauen den Betrieb wieder neu auf, auf einem Grundstück außerhalb des Ortes", steht für ihn fest. Gespräche mit dem Landrat und den Behörden habe es schon gegeben. Hilfe sei zugesagt. Geht es nach dem Tischlerei-Inhaber, sollte der Wiederaufbau schnell gehen, die Auftragsbücher seien voll. Allerdings muss dafür die Versicherung mitspielen. Bis dahin will Niebergall seine zehn Mitarbeiter halten.

Die Tischlerei wird weiterbestehen und wir bauen den Betrieb wieder neu auf, auf einem Grundstück außerhalb des Ortes.

Andy Niebergall, Tischlerlei-Inhaber aus Bothenheilingen

Auch Scheune ist abgebrannt

Betroffen von dem Großbrand ist auch Jürgen Grimm. Durch die herumfliegende Glut sind seine Scheune und ein bewohntes Hinterhaus abgebrannt. Als das Feuer ausbrach, war Grimm gerade im Autohaus in Gotha, dachte sich nichts Schlimmes. Bis seine Frau anrief und ihm sagte, dass die Scheune brenne.

Bei dem Gedanken ringt Jürgen Grimm um Fassung, nimmt seine Tochter Leonie in den Arm. Sie habe fürchterlich geweint und sei sehr traurig, sagt die Achtjährige und streichelt dabei ihren Hund. Sie hoffe sehr, bald wieder ihr Kinderzimmer beziehen zu können. Ihr Vater ergänzt, dass das Haupthaus durch eine Brandmauer vermutlich geschützt gewesen sei vor den Flammen. Nur das Löschwasser habe Spuren hinterlassen. Wichtig sei, dass es allen gut geht. Alles andere sei reparabel, sagt Grimm, und lächelt.

Feuerwehr ohne Schlaf

Wie Grimm, Niebergall und Hauck hat auch Feuerwehrmann und Wehrleiter Tobias Rink die vergangenen Tage und Nächte kaum geschlafen. Nach wie vor müssten Glutnester gelöscht, Trümmer umgeschichtet, die Feuerwehrtechnik gereinigt werden. Am Mittwochmittag hat er sich eine Stunde Schlaf gegönnt. Mehr sei nicht drin.

Die Stimmung im Dorf beschreibt Rink als bedrückt. Viele hätten das Geschehen noch nicht verarbeitet, könnten nicht verstehen, wie es zu dem verheerenden Brand kommen konnte. Trotz allem sei die Hilfsbereitschaft im Dorf enorm. So hätten die Anwohner die Feuerwehrleute mit Trinken und Essen versorgt. Für Rink keine Selbstverständlichkeit. Und er sei froh drüber.

Dorf hilft mit Spendenkonto und Benefizveranstaltung

Auch Ortsteilbürgermeister André Hettenhausen ist stolz auf seine Einwohner. Die Dorfgemeinschaft sei noch einmal enger zusammengerückt. Jeder habe geholfen, wo er konnte. Die betroffenen Familien seien inzwischen alle untergekommen. Viele davon bei Verwandten oder Freunden. Die Gemeinde will dabei helfen, die Betroffenen auch langfristig gut unterzubringen.

Außerdem soll ihnen geholfen werden, etwa die wichtigsten Dokumente wie Ausweise oder Zeugnisse neu zu organisieren. Auch soll alles dafür getan werden, dass die Tischlerlei im Ort bleibt, so Hettenhausen. Um den Familien zu helfen, wurde außerdem ein Spendenkonto eingerichtet. Zudem planen Nachbarn eine Benefizveranstaltung.

MDR

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 21. Juli 2022 | 08:14 Uhr

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