Thüringer Urwaldpfade Leutenberg: Eine Wandertour über den Urwaldpfad

23. August 2022, 06:00 Uhr

Einige Teile des Waldes in Thüringen gehören zu den sogenannten Urwaldpfaden – einem geringen Anteil der deutschen Waldflächen, die als naturnah angesehen werden können. Zu den Thüringer Urwaldpfaden zählen insgesamt 16 geschützte Flächen und Wanderwege, die neben der Aussicht und Erholsamkeit noch deutlich mehr zu bieten haben. MDR THÜRINGEN hat den Urwaldpfad in Leutenberg besucht und zahlreiche Eindrücke gesammelt.

Festes Schuhwerk, eine ausreichend gefüllte Wasserflasche und eine Kopfbedeckung sind das A und O, wenn man mitten im August den Urwaldpfad in Leutenberg entlangwandern möchte.

Start der Wanderung

Mit dem 9-Euro-Ticket fährt man ab Erfurt etwa zwei Stunden in Richtung Saalfeld/Rudolstadt bis zum Bahnhof Leutenberg. Dort angekommen, werde ich direkt von der Sonne begrüßt, die unter anderem auch auf einen großen Holzstamm scheint. Wenn man den Parkplatz am Bahnhof Leutenberg passiert, erkennt man den dicken Schriftzug "Urwaldpfade" und den Kardinalsroten Schnellkäfer, der das offizielle Logo der Urwaldpfade auf der Holzfigur darstellt.

Doch noch ist kein Urwald in Sicht. Roswitha Leber, Naturführerin aus Leutenberg, erklärt mir, dass wir erst die Straße neben dem Bahnhof entlang wandern müssen, um in das Waldgebiet zu kommen. Doch wer geradeaus nach oben schaut, sieht, dass man dem Urwald mit jedem Schritt näherkommt.

Trockenheit in Leutenberger Wäldern

Obwohl das Waldstück des Urwaldpfades noch nicht beginnt, zeigt sich bereits, dass die umliegenden Pflanzen und Böden sehr stark mit Trockenheit zu kämpfen haben. Das bestätigt auch Naturführerin Roswitha Leber.

Trockenheit ist momentan das größte Problem.

Roswitha Leber Stadt Leutenberg

Dass der Thüringer Wald unbedingt mit Regenwasser versorgt werden muss, wird besonders an der Grünfläche - oder besser gesagt: Braunfläche - hinter den Hinweisschildern zum Urwaldpfad deutlich.

Doch nicht alle ansässigen Arten leiden unter der Dürrephase. Fast wäre ich auf die kleine Babyblindschleiche getreten - so vorsichtig wie sie sich am Weg in Richtung Rosenthal entlangschlängelt. Als eine Echsenart innerhalb der Familie der Schleichen nutze sie insbesondere trockene Sonnenplätze, beispielsweise auf Totholz oder dunklem Humusboden, erklärt Leber.

Einige Arten profitieren auch von der Dürrephase, andere werden verschwinden. Wir sind in einer Umstrukturierung.

Roswitha Leber Stadt Leutenberg

Urwald bleibt Urwald

Sobald ich unter den schattenspenden Bäumen am Anfang des Urwaldpfades angekommen bin, ist der Temperaturunterschied spürbar. Doch am besten nicht zu früh freuen - schwitzen wird man weiterhin. Ab hier beginnt der eigentliche Rundwanderweg, der vorerst nur bergauf geht. Umgestürzte Bäume, die teilweise auf dem Weg liegen, und das Totholz an den Seiten des Weges verraten, dass man sich ab sofort auf dem Urwaldpfad befindet.

"Man muss teilweise über Bäume steigen, was definitiv nichts für körperlich eingeschränkte Personen oder Familien mit Kinderwagen ist", sagt die leitende Beamtin der Stadtverwaltung Leutenberg, Sandra Grosch. Bis auf kleine Treppen oder Hinweisschilder verzichtet das Forstamt in Leutenberg ganz bewusst auf Hilfestellungen für Besucher.

Wir wollen jetzt anfangen, nicht mehr einzugreifen. Die Urwaldpfade sind ja die Urwälder von morgen und bis wir wirklich bei einem Urwald angekommen sind, dauert es noch lange.

Sandra Grosch Stadt Leutenberg

Doch auch wenn der Rundwanderweg keine expliziten Geländer oder Brücken im Pfad besitzt, heißt das trotzdem nicht, dass die Sicherheit nicht gegeben ist. Im Gegenteil: Der zuständige Forstwart läuft zwei Mal im Monat den gesamten Pfad ab. Falls er einsturzgefährdete Bäume findet, werden diese sofort umgelegt.

"Wenn der Baum nicht allzu riesig ist, wird er auf den Weg gelegt, sodass die Besucher drübersteigen müssen", sagt Leber. Die großen Bäume würden meistens an die Hänge gelegt, sodass sich die ein oder andere Tierart im Totholz vergnügen könne.

Wanderroute Urwaldpfad Leutenberg

Informationen für Wanderer

  • Start und Ziel: Bahnhof Leutenberg (Rundwanderweg)
  • Länge: etwa acht Kilometer
  • Dauer: etwa zwei Stunden mit Pausen

Durch die Baumwipfel scheint die Sonne auf ein kleines schwarz-weißes Symbol eines Baums. Es ist der Kardinalsrote Schnellkäfer! Er weist uns den Weg in Richtung Wandslebhütte, die einen tollen Ausblick auf Leutenberg garantiere, verspricht die Naturführerin.

Waldschäden durch Trockenheit und Tiere

Neben dem Schnellkäfer gibt es noch andere Käferarten im Urwald. Eine Art, die ganz besonders stark vertreten und alles andere als beliebt ist, ist der Borkenkäfer. Er suche sich gesunde Bäume und krieche unter die Rinde, um das saftige Material des Baums zu befallen, erklärt die Naturführerin. "Tote Bäume interessieren ihn deswegen herzlich wenig", sagt sie. Der Borkenkäfer fliegt ins Material und setzt dort seine Larven ab.

Die Larven fressen sich dann ihre Gänge durch das Material. Wenn sie bereits irreversible Schäden am Baum angerichtet haben, würden sie über die winzigen Löcher, die sie sich frei gebissen haben, wieder aus der Rinde fliegen und sich den nächsten Baum suchen, sagt Leber.

Für den Borkenkäfer ist der Baum erledigt, aber für viele andere holzbesiedelnde Arten wichtig.

Roswitha Leber Stadt Leutenberg

Der Urwaldpfad hält, was er verspricht, denn urig und naturnah ist er allemal. Als ich einen Blick links herunter in Richtung Hüttengrund werfe, fällt mir einerseits auf, wie weit wir schon vorangekommen sind. Andererseits sehe ich einen langen Abschnitt mit einigen Holzstämmen und abgebrochenen Ästen. Die Naturführerin sagt zwar, dass sie den Charme des alten Urwalds mit Totholz und allem was dazu gehört schätze, aber dieser Zustand berge auch eine große Gefahr.

Wenn es brennt, dann brennt es wie Zunder.

Roswitha Leber Stadt Leutenberg

"Der Urwaldpfad selbst war bislang noch nicht von Bränden betroffen und das soll auch so bleiben", sagt Leber. Das strikte Rauchverbot ist unter anderem eine Maßnahme, um Waldbrände in Leutenberg zu verhindern. Doch so mancher Besucher raucht trotzdem oder grillt mit einem Einweggrill im Waldgebiet.

Der nächste Wegweiser ist in Sicht! Der Schnellkäfer sagt: 400 Meter noch, dann sind wir bei der Wandslebhütte. Dann wandern wir mal weiter durch das Geäst …

Neben dem Totholz rechts am Hang fällt dem einen oder anderen eventuell das helle Moos auf. Normalerweise ist Moos doch dunkelgrün? Doch auch hier äußert sich die starke Trockenheit im Gebiet. Leber erklärt, dass Moos sehr widerstandsfähig sei. Sobald Moos wieder feucht wird, ist es sofort wieder grün. Da bleibt nur zu hoffen, dass das Moos bald wieder Regen aufsaugen kann.

Wenn man sonst in Moos reindrückt, würden normalerweise sofort die Wassereinlagerungen heraussickern.

Roswitha Leber Stadt Leutenberg

Doch nicht nur das Moos kann sich nicht so entwickeln wie vorgesehen. Auch die kleinen Tannen, die am Wegesrand stehen, verpassen die Möglichkeit zu wachsen - der Grund: Rehwild. Obwohl Tannen hart im Nehmen seien, erklärt Leber, fallen sie dennoch dem Rehwild zum Opfer. "Die Wildtiere beißen die Spitzentriebe der Äste ab", sagt Leber.

Gerade weil viele Wanderer den Weg in den Urwald finden, wird kaum im Gebiet gejagt. In Leutenberg lebt Rehwild, Schwarzwild und das Muffelwild, das ursprünglich aus Korsika stammt. Die kleinste Unterart des Mufflons stelle eine der größten Gefahren für die Naturverjüngung im Gebiet dar, erklärt sie.

Muffelwild grast. Es geht über alles hinweg.

Roswitha Leber Stadt Leutenberg

"Sie werden zwar gejagt, doch die Jagd auf Muffelwild ist wahnsinnig schwer", sagt die Naturführerin. Die Schafe stehen oftmals im Pulk innerhalb eines großen Rudels. "Sie sind die einzige Wildart, die nach oben in den Jagdsitz schauen kann - sobald dort also eine Waffe zu sehen ist, ist das Rudel schon weg", sagt sie.

Roswitha Leber bemerkt am Rande, dass es noch eine andere Möglichkeit gibt, um den Bestand des Muffelwilds einzudämmen: Indem man es isst. In der Region Leutenberg gibt es eine Menge Vermarkter, die Muffelwild verkaufen. Oftmals werden die Fleischereien ihr Fleisch aber nicht los, da die meisten Leute eher in der Winterzeit Wild essen möchten, berichtet Leber.

Ich werbe immer dafür: Leute, esst mehr Wild und nicht nur an Weihnachten!

Roswitha Leber Stadt Leutenberg

Weiter geht es: Doch wer denkt, der Anstieg hat nun ein Ende, hat falsch gedacht … Auf den letzten Metern in Richtung Wandslebhütte wird der Pfad noch einmal anspruchsvoll. Mit ausholenden Schritte muss ich mich auf dem trockenen, mit großen Steinen besetzten Weg nach oben kämpfen. Besonders an dieser Stelle wird deutlich, dass feste Wanderschuhe ein absolutes Muss sind. Beim näheren Hinsehen sind sogar kleine Holzstufen zu erkennen, die den Anstieg etwas erleichtern.

Schutzhütten und Denkmäler

Endlich geschafft - der Hang unterhalb der Wandslebhütte ist erklommen! Die Hütte wurde übrigens nach Albert Ludwig Wandsleb benannt, der von 1893 bis 1902 Oberförster in Leutenberg war. Bei der Aussicht auf den Ort sind die Anstrengungen wie weggeblasen. Von hier aus kann man auch die bekannte Hohenwartetalsperre erkennen.

Leber erzählt, dass es im Gebiet immer wieder zu Hochwasserschäden gekommen sei. Vor allem im Jahr 1994 war Leutenberg dort, wo Ilmtal und Lemnitztal aufeinanderstoßen, von einem starken Hochwasser betroffen. "Das Wasser stand einen Meter über der Straße." Zu dieser Zeit hatte es tagelang durchgeregnet und alle Straßen erinnerten an Flüsse. Momentan herrscht das Gegenteil im Urwald: kein Wasser, nur Trockenheit.

Bei der Wandslebhütte gibt es zwei Möglichkeiten, die Route weiter zu wandern. Entweder läuft man von hier aus den steilen Weg nach unten oder man geht den Hang, auf dem man nach oben gelaufen ist, wieder zurück. Leber sagt, dass es angenehmer ist, wieder denselben Weg zurückzulaufen. Wenn man wieder am Wegweiser angekommen ist, sind es nur noch 250 Meter bis zum Cronebrunnen, den jeder auf dem Rundwanderweg mitnehmen sollte, rät Leber.

Ähnlich wie die Wandslebhütte trägt der Cronebrunnen nicht umsonst diesen Namen. Der Brunnen wurde nämlich nach Robert Crone benannt, der zwischen den Jahren 1904 und 1926 Bürgermeister der Stadt Leutenberg war.

"Save Nature Group" im Einsatz

Die Hänge sind geschafft. In Richtung Innenstadt geht es nur noch bergab. Auf dem Weg nach unten fällt meine Sicht auf ein kleines Haus, das nicht ganz in ein Waldgebiet passt. Leber erklärt, dass es sich um das Haus der "Save Nature Group" handelt. Die gemeinnützige Naturschutzorganisation wurde von Johannes Leeder und Georg Lesser ins Leben gerufen. Die beiden wollen durch Öffentlichkeitsarbeit und Unterricht an Schulen ein stärkeres Umweltbewusstsein schaffen.

Letzter Stop: Gustav-Fehler-Höhe

Und etwas weiter steht auch schon die nächste Schutzhütte, nämlich die Gustav-Fehler-Höhe. Von hier aus hat man einen eindrucksvollen Ausblick auf die Stadt Leutenberg sowie auf das Schloss Friedensburg, das auch gleichzeitig ein Fachkrankenhaus für Dermatologie sei, sagt Leber. Im Jahr 1993 wurde die Klinik eröffnet und beschäftigt sich seitdem mit Haut- und chronisch degenerative Erkrankungen.

Wieder in der Stadt angekommen, weist Naturführerin Roswitha Leber noch auf eine Zusatzroute des Urwaldpfades hin. Falls man noch Lust und Laune hat, kann man die kleine Treppe nach oben steigen und vom Kaiser-Friedrich-"Turm" ins Tal herabschauen.

Und nun hat man den knapp acht Kilometer langen Rundwanderweg des Leutenberger Urwaldpfades geschafft und ist wieder am Parkplatz des Bahnhofs angekommen. Mit Pausen dauerte die Tour insgesamt zwei Stunden. Die Wanderung ist sehr zu empfehlen - doch bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil und lassen Sie sich vom urigen Naturschutzgebiet faszinieren!

MDR (mab)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 23. August 2022 | 15:00 Uhr

2 Kommentare

erdhelm am 24.08.2022

Ein sehr interessanter Artikel, auch schön, dass mal etwas ausführlicher berichtet wurde! Gerne öfter längere Artikel zu solch interessanten Themen :)

Kulturhauptstaedter am 23.08.2022

Urwaldpfade sind sicherlich eine Bereicherung für Naturliebhaber. Wenn man jedoch keine Pflege der Wege mehr betreibt, werden sie früher oder später unpassierbar werden und das Ganze wird zum Hürdenlauf. Menschen, die vielleicht nicht mehr ganz so flott unterwegs sind, würde man dann ausschließen.

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