Screenshot eines Facebook-Posts, der die Firmenwagen des Sicherheitsunternehmens zeigt, die Polizeiautos ähneln
Die Fahrzeuge der Sicherheitsfirma, für die die Tatverdächtigen arbeiten, wirken optisch wie Polizeiwagen. Bildrechte: Facebook/Firmenauftritt

Untermaßfeld Ermittlungen wegen illegaler Personenkontrollen

11. Juli 2019, 05:00 Uhr

Die Staatsanwaltschaft Meiningen hat Ermittlungen gegen Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens aus Untermaßfeld bei Meiningen aufgenommen. Nach Informationen von MDR THÜRINGEN wird ihnen vorgeworfen, in Bahnhöfen und an Gleisanlagen illegal Personen kontrolliert zu haben. Die Bundespolizei ermittelt wegen des Verdachts auf Amtsanmaßung und Nötigung.

Die Tatverdächtigen waren für Sicherheitsdienste an Gleis-Baustellen der Deutschen Bahn zuständig. In diesem Zusammenhang traten sie mutmaßlich im vergangenen und in diesem Jahr in Meiningen, Themar, Chemnitz sowie in der Schwarzwaldregion um Weil am Rhein in blauer Firmenbekleidung auf, die stark an Polizeiuniformen erinnert.

Auch ihre Firmenfahrzeuge ähnelten Polizeifahrzeugen sehr. Deswegen meldete die Kfz-Zulassungsstelle Köln zwei der Fahrzeuge Anfang Juli von Amts wegen ab. Auf Anfrage von MDR THÜRINGEN teilte die Behörde dazu mit: "Beide Fahrzeuge sind mit Sonderfolierung und Sonderbeleuchtung ausgestattet, ohne dass es dazu das jeweils erforderliche Gutachten gibt, außerdem fehlte es an der zweckgebundenen Begründung."

Sicherheitsdienst-Mitarbeiter sollen Personen illegal kontrolliert haben

Wegen der mutmaßlichen, illegalen Personenkontrollen, die den Sicherheitsleuten vorgeworfen werden, ermittelt die Bundespolizei in Mitteldeutschland und in der Schwarzwaldregion. Dort suchten in den vergangenen Wochen mehrmals Beamte der Bundespolizei Tatverdächtige auf, um sie zu befragen.

Zudem teilte der Inspektionsleiter der Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung Halle, Markus Pfau, auf Anfrage von MDR THÜRINGEN mit: "Ausgangspunkt der Ermittlungen sind Zeugenhinweise, die im Rahmen der Ermittlungen entsprechend geprüft und bewertet werden." Bei diesen "Zeugen" handelt es sich offenbar um Betroffene, die sich an die Polizei wandten, nachdem sie mutmaßlich illegal kontrolliert worden waren. Nach Informationen von MDR THÜRINGEN sollen in diesem Zusammenhang ein knappes Duzend Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sein.

Deutsche Bahn unterhält nach eigenen Angaben keine direkte Geschäftsbeziehung

Die Deutsche Bahn AG teilte auf Anfrage von MDR THÜRINGEN mit, dass der Konzern oder dessen Tochterunternehmen keine Geschäftsbeziehungen zu der Firma, die die beschuldigten Mitarbeiter beschäftigen soll, unterhalte.

Screenshot eines Facebook-Posts, der die Projekte der Sicherheitsfirma im Juni 2019 dokumentiert
In Facebook-Posts hat die Sicherheitsfirma aus Untermaßfeld in Thüringen ihre Aufträge dokumentiert. Auch nach der Gewerbeuntersagung. Bildrechte: Facebook/Firmenauftritt

"Insbesondere handelt es sich nicht um ein Unternehmen oder eine Beteiligung des DB-Konzerns", sagte ein Bahnsprecher. Nicht ausschließen könne der Konzern allerdings, dass wiederum andere Sicherheitsdienste, die im Auftrag der von der Bahn beauftragten Bauunternehmen tätig sind, das Untermaßfelder Unternehmen als Subunternehmer engagiert haben.

Hierzu teilte die Bahn mit: "Auf Vertragsverhältnisse, die Auftragnehmer der DB - etwa Bauunternehmen - mit den genannten Firmen unterhalten, haben wir keinen Zugriff." Auf die Frage nach den mutmaßlich illegalen Personenkontrollen, die den Sicherheitsleuten vorgeworfen werden, sagte der Bahnsprecher: "Eine Zusammenarbeit mit Unternehmen, die gegen geltendes Recht verstoßen, ist nach den Compliance-Richtlinien des DB-Konzerns ausgeschlossen."

Welche Rolle spielt Unternehmer Roland B.?

Die tatverdächtigen Firmenangehörigen sind Teil eines unübersichtlichen Firmengeflechts, in dessen Mittelpunkt der Unternehmer Roland B. steht. Derzeit bestätigt die Staatsanwaltschaft Meiningen nicht, ob auch gegen den 37-Jährigen, der sich auch Roland W. nennt, Ermittlungen wegen Amtsanmaßung und Nötigung begonnen haben.

Die Unternehmen, in denen Roland B. entweder als Geschäftsführer oder Prokurist tätig ist, bieten laut Handelsregister "Dienstleistungen im Bereich der Baustellensicherung" oder die "Koordination von Bahnschutz- und Fahrwegdienstleistungen" an. Aufträge dafür erhalten Unternehmen wie diese üblicherweise von den von der Bahn beauftragten Bauunternehmen. Die Firmen, mit denen Roland B. in Verbindung steht, unterhalten Niederlassungen in mehreren Bundesländern. Als Hauptsitz wurde am häufigsten Frankfurt am Main gewählt. Im Fokus der Ermittler liegt eine Betriebsstätte im thüringischen Untermaßfeld.

Gewerbeuntersagung gegen Roland B. - Firmengeflecht ändert sich

Das Landesverwaltungsamt Thüringen belegte Roland B. im vergangenen März mit einer Gewerbeuntersagung. Nach dieser behördlichen Entscheidung kam es zu Veränderungen im Firmengeflecht, in dem Roland B. tätig ist.

Screenshot eines Facebook-Posts, der den Mitarbeiter der Sicherheitsfirma mit Tommy Frenck zeigt
Arm in Arm: Roland B. posiert für ein Foto mit dem Thüringer Rechtsextremisten Tommy Frenck. Später landete das Bild auch auf Facebook. Bildrechte: Facebook/Firmenauftritt

Ein Unternehmen bekam eine neue Geschäftsführerin, ein weiteres Unternehmen wurde gegründet, Firmenanteile wurden verschoben. Auf Baustellen waren Firmen tätig, die mit Roland B. in Zusammenhang stehen, auch nach der behördlichen Gewerbeuntersagung.

Das dokumentierte eines der Unternehmen selbst auf seinem Facebook-Kanal anhand von Fotos und sogenannten Einsatzmeldungen. Die Firmen-Posts beziehen sich dabei unter anderem auf Baustellen der Deutschen Bahn an der Bahn-Strecke "Titisee-Neustadt und Seebrugg" in Baden-Württemberg oder an der Bahn-Strecke "Flieden – Gemünden" in Hessen und Bayern.

Möglicherweise bestehen Verbindungen ins rechtsextreme Milieu

Bereits im Februar hatte die Deutsche Bahn AG ein markenrechtliches Verfahren gegen eines der Unternehmen in Gang gesetzt, weil die Firma das Kürzel "DB" im Namen trug. Ein Konzernsprecher der Deutschen Bahn teilte dazu mit: "Für die DB bestehen Ansatzpunkte für ein juristisches Vorgehen in Fragen des Kennzeichenrechts und Markenschutzes." Der Konzern war auf die Firmen nach eigenen Angaben zu Beginn des Jahres aufmerksam geworden.

Anlass war ein Facebook-Post, der auch bei Twitter kursiert. Darin ist ein Foto zu sehen, das Roland B. Arm in Arm mit dem Politaktivisten, Kreisrat und Rechts-Rock-Veranstalter Tommy Frenck vor dessen Gaststätte zeigt. In dem Text dazu heißt es, die Firma "… schätzt gutes Essen und empfiehlt uneingeschränkt das Gasthaus Goldener Löwe - Kloster Veßra".

Gastwirt Frenck zählt laut Thüringer Verfassungsschutz zu den "führenden Rechtsextremisten in der Region". Dessen Gaststätte bezeichnet der Geheimdienst als "Anlaufobjekt der rechtsextremistischen Szene in Südthüringen". Vor diesem Hintergrund gehen mehrere Polizeistellen auch dem Anfangsverdacht nach, wonach der Untermaßfelder Unternehmer Roland B. Kontakte ins rechtsextreme Milieu in Thüringen unterhalten soll.

Firma äußert sich per E-Mail

Am Telefon wollte sich Roland B. weder zu den Vorwürfen gegen seine Mitarbeiter noch zu den weiteren Vorwürfen oder zu den behördlichen Maßnahmen äußern. In einer nicht namentlich unterzeichneten Firmen-E-Mail, die MDR THÜRINGEN erreichte, heißt es, "dass keinerlei Straftaten der Amtsanmaßung bzw. Nötigung durch uns oder durch unsere Mitarbeiter begangen wurden".

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 11. Juli 2019 | 05:00 Uhr

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