Männer sitzen in einer Bar.
Wie viele kommen zu Wort, wie viele oder wie wenige dominieren die Diskussionen bei uns? Wir haben dazu mal nachgezählt. Bildrechte: MDR/Olga Patlan

Rückblick Userkommentare im Juni: Redebedarf zu Landratswahl und kanadischem Lehrer

04. Juli 2023, 10:00 Uhr

Die Landratswahl in Sonneberg und der nun Englisch-Pädagogik studierende kanadische Lehrer trieben die Kommentarzahlen bei uns steil nach oben. Der Juni landete in der Spitzengruppe der kommentarstärksten Monate.

Die Zahlen

Die Landratswahl in Sonneberg und der um beamtenrechtliche Anerkennung ringende kanadische Lehrer ließen die Zahlen nach oben schnellen. Fast 30.000 Kommentare liegen in der Spitzengruppe der bei uns registrierten Monatswerte. Zum Vergleich: Die zwei bisher kommentarstärksten Monate Februar und März 2020 mit den zwei Ministerpräsidentenwahlen lieferten 45.000 bzw. 38.000 Kommentare, der ebenfalls weit überdurchschnittliche Januar 2021 während Corona 39.000.

Auf der Webseite hatten wir 332 eigene Artikel, davon zwei Drittel kommentierbar (vor allem "Blaulichtthemen" sind in der Regel nicht kommentierbar, außerdem konzentrierten wir die Kommentierbarkeit der Sonneberg-Wahl der Übersichtlichkeit halber meistens auf einen Artikel pro Tag). Facebook hatte 323 Postings, Instagram 137.

Die Spitze in der Grafik Mitte August 2022 und das danach folgende hohe Niveau gehen auf das Ende der Sommerferien zurück sowie die Sommerinterviews und die ab dieser Zeit verschärften Sorgen vor Inflation und Energiepreisen. In der ersten Aprilwoche trieb das Facebook-Posting zum Absatzrekord von Vita Cola die Zahlen.

Die Topthemen

Die Artikel zur Landratswahl in Sonneberg bekamen mehr als 3.300 Kommentare. Das Stichwahl-Ergebnis und der Artikel über die Prüfung auf Verfassungstreue bei Wahlbeamten schafften es mit jeweils knapp 800 Kommentaren auf Platz drei und vier der meistkommentierten Artikel (Spitzenwert dabei sind mehr als 1.200 Kommentare unter einem Artikel zu einer Corona-Demonstration in Erfurt).

In einer eigenen Liga im Juni spielte der kanadische Lehrer Daniel Brady, der nun berufsbegleitend dreieinhalb Jahre Englisch-Pädagogik studiert, um in Thüringen verbeamtet werden zu können.

Mehr als 5.000 Kommentare zu einem einzigen Facebook-Posting hatte bisher nur eine FaktIst!-Sendung zu Corona-Beschränkungen. Wie bei der Sonneberger Wahl spielte dabei natürlich eine Rolle, dass diese Themen auch überregional aufgegriffen werden und damit viel "Laufkundschaft" unsere "digitalen Kneipen" stürmt. Das tat sie aber erst mit Verspätung ab Montag zu dem an einem Donnerstagmittag geposteten Beitrag.

...und noch mehr

Energie- und Mobilitätsthemen werden zunehmend konkreter und alltagsnäher wie etwa in der Diskussion um Lademöglichkeiten in großen Wohngebieten.

Ähnlich viel Substanz hatte die Diskussion zum geplanten neuen Schulfach "Medienbildung und Informatik" - direkter Bezug zu eigenen Erfahrungen liefert erkennbar mehr Inhalt. Dagegen wird das bei den verschiedendsten Themen sonst sehr gerne thematisierte Problem Wohnungslosigkeit beschwiegen, sobald es das eigentliche Thema ist - nicht zum ersten Mal gab es null Kommentare auch zu diesem Artikel über Wohnungslosigkeit.

Wie stark dominieren die Vielposter am Stammtisch?

Von Zeit zu Zeit machen wir in unserer "digitalen Kneipe" eine Stichprobe, wie es sich zwischen Stammgästen und Laufkundschaft verteilt, zwischen Viel- und Wenigpostern. Reden nur die wenigen am Stammtisch oder kommen viele zu Wort? Und wie unterscheidet sich das von anderen Netzkneipen?

Gezählt haben wir in drei unterschiedlich großen Threads rund um die Landratswahl in Sonneberg unter den Artikeln zur Stimmung vor der Stichwahl (320 Kommentare), dem Wahlkampfendspurt (162 Kommentare) und dem Ergebnis (775 Kommentare). Es zeigte sich ein erkennbarer Trend mit einzelnen Abweichungen.

Etwas mehr als vier Kommentare entfielen im Schnitt auf jeden User - mit einer Spanne zwischen einem und 24 Kommentaren pro Thread beim "Endspurt"-Artikel beziehungsweise 54 (Stimmung) und 33 Kommentaren (Ergebnis) der jeweils aktivsten einzelnen User. Nur beim "Stimmungs"-Artikel lag der Durchschnittswert mit 6,3 Kommentaren pro User deutlich höher. Die Zahl der kommentierenden User pro Artikel stieg mit dem Kommentaraufkommen von 35 über 49 auf 165 (beim Ergebnisartikel). Knapp ein Drittel der User postete nur einen einzigen Kommentar, beim "Endspurt"-Artikel waren es aber 51 Prozent.

An einem Tisch in einem Lokal diskutieren Gäste miteinander.
Wie viele kommen zu Wort, wie viele oder wie wenige dominieren Diskussionen? Wir haben nachgezählt. Bildrechte: imago/McPHOTO

Dominiert das Stammtischpublikum?

Wir messen das mit dem Anteil der User, die zusammen die Hälfte aller Postings eines Threads liefern. Bei Endspurt und Ergebnis waren das 13 bzw. 14 Prozent, was sich auch in anderen Stichproben bei anderen Themen ergab. Beim "Stimmungs"-Artikel dagegen posteten nur acht Prozent der User schon die Hälfte aller Kommentare - eine für unsere Verhältnisse deutlich überdurchschnittliche Dominanz. Vergleichszahlen für Webseiten sind relativ dünn gesät, aber meistens nennen sie weniger als zehn Prozent der User, die die Hälfte der Kommentare besteuern, in einem Fall waren es sogar nur fünf Prozent. Gerne dürfen es aber auch bei uns noch mehr sein, also eine noch wahrnehmbarere Vielstimmigkeit.

Um eine Frage gleich vorweg zu beantworten: Nein, wir veröffentlichen keine individuellen Statistiken, welche User wie viele Postings geschrieben haben. Es geht uns um Qualität der Diskussion, was keinen Zusammenhang zur Häufigkeit von Kommentaren hat. Es ist natürlich einfacher, schnell viele oft schnippische Kurzkommentare zu schreiben oder sich per Kurzkommentaren zu duellieren als eine kleinere Zahl durchdachter und dann eher längerer Kommentare zu schreiben. Wir brauchen beides - und gerne auch noch mehr Stimmen der 90 bis 95 Prozent, die nur still mitlesen.

Userzitate

"Auch eine Art zur Verkehrsberuhigung" (Jens Löser zu Cannabis-Anbau in Begrünungsbereich der Erfurter Clara-Zetkin-Straße) - "Gut dass sich eine unwissende Oma noch kein Brennnesseltee von gemacht hat" (Seb Jacobsen zum gleichen Thema) - "Jenaer und Jenenser sind 2 vollkommen unterschiedliche Typen Mensch! Wärend der Jenaer nur in Jena lebt/wohnt, ist der Jenenser dort geboren und anders mit Jena verbunden!" (Andreas Witschel bei der Diskussion über Keksrolle vs Jentower) - "Aha Kekstower also" (Chalett Frama zum gleichen Thema) - "Allein der Begriff „Westlohn“ lässt den Blutdruck auf 180 hoch schnellen." (Tamico161 zur Tarifeinigung bei Waldquell) - "Auch das Pferd war einfacher zu handhaben als ein Auotomobil, als beide gegeneinander im Bereich der Mobilität antraten. Wie es ausgegangen ist wissen wir heute." (Mediator bei Diskussion um E-Autos) - "Wenn ich ein Auto kaufe, dann schaue ich, ob jetzt! eine vernünftige Möglichkeit zum Laden da ist, sonst kauf ich halt einen Verbrenner." (Anni22 zum gleichen Thema) - "Daher muss sich das Forstamt nach den Lieferterminen der Gitterroste und den Terminen der Firma richten. Gern hätten wir die Arbeiten auch vor den Sommerferien abgeschlossen. Auch Beamte denken manchmal mit.... Ihr Forstamt" (Ansgar Pape, Leiter des Forstamts Marksuhl, zur Kritik an Drachenschluchtsperrung während der Ferien)

MDR (csr)

1 Kommentar

martin vor 43 Wochen

Zum Thema "Wohnungslosigkeit": Ich fand den MDR-Beitrag recht "rund" und fühlte mich weder herausgefordert, zum 423. auf die verfehlte Wohnungsbauförderung des Bundes hinzuweisen noch zum 321. auf die "bemerkenswerte Gleichzeitigkeit" der Förderung des "Rückbaus" und dem Beklagen von Wohnraummangel.

Bemerkenswert finde ich in der Tat den Punkt, dass ein bestimmter Fanblock nicht den "ungebremsten Zuzug" als vermeintliche Ursache benannt hat.

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