Nistplätze und Brutstätte zerstört Kreis Gotha: Forstamt holzt Waldstück ab - Natur hat das Nachsehen

12. Februar 2022, 05:00 Uhr

Viele Gartenbesitzer wissen: es ist nicht gerade einfach, auf dem eigenen Grundstück einen Baum zu fällen. Weil hier strenge Naturschutzvorgaben gelten. In Pferdingsleben im Kreis Gotha ist vor wenigen Tagen ein kleiner Wald verschwunden. Ohne dass die Naturschutzbehörde Bescheid wusste. Das Pikante daran: Abgeholzt wurden die Bäume von Thüringenforst. Der Naturschutzbund im Kreis Gotha erhebt jetzt Vorwürfe gegen die Landesforstanstalt.

Wolfgang Hentschel
Bildrechte: MDR/Wolfgang Hentschel

Der Naturschutzbund im Kreis Gotha spricht von Rechtsverstößen. Laut Kreisverbandschef Ronald Bellstedt hätte für den Kahlschlag des etwa einen Hektar großen Waldstücks die Naturschutzbehörde des Landkreises einbezogen und beteiligt werden müssen. Das habe Thüringenforst nicht getan. "Ein Verstoß gegen Paragraf 20 des Thüringer Waldgesetzes und gegen Paragraf 24 des Thüringer Naturschutzgesetzes", rechnet Bellstedt vor. Seinen Angaben nach wird unter der Abholzung auch der Ort Pferdingsleben leiden: Weil ein wichtiger Windschutz verschwunden sei, werde der Ort jetzt verstärkt mit Trockenheit zu kämpfen haben.

Nistplätze und Brutstätte zerstört

Darüber hinaus beklagt der Nabu einen achtlosen Umgang mit schützenswerten Tierarten. In dem Wald hätten unter anderem Greifvögel gebrütet, so Susanne Löw, stellvertretende Kreisverbandschefin: "Gerade diese Stelle war sehr beliebt bei Greifvögeln. Mäusebussard und Rotmilan waren jedes Jahr hier drin. Und der Rotmilan ist eine europäisch geschützte Art, die auch auf der "Roten Liste" steht. Er hat hier sehr erfolgreich seine Jungen aufgezogen. Zwei bis drei Junge, das haben wir sonst im Landkreis eher weniger."

Natürschützerin Löw sagt, Thüringenforst hätte wissen müssen, dass in dem Gehölz der Rotmilan brütet. Der Horst sei von der Straße aus gut erkennbar gewesen. Zudem gebe es Programme, in denen die Rotmilan-Nistplätze aufgelistet seien. Der Nabu will jetzt mit der Naturschutzbehörde des Landkreises Gotha das Gespräch suchen. Sie müsse entscheiden, wie mit dem Fall umgangen werde.

Thüringenforst verweist auf Verkehrssicherungspflicht

Thüringenforst räumt die Vorwürfe des Nabu teilweise ein. Nach Angaben des zuständigen Forstamtsleiters Gerhard Struck sind die Information über den Rotmilan - so wörtlich - "unter dem Radar durchgegangen". Dass abgeholzt wurde, liegt laut Struck daran, dass von der Gemeinde ein entsprechender Antrag gestellt wurde. Die Bäume drohten auf angrenzende Gärten und Straßen zu fallen. "Die Pappeln waren 40 Meter hoch, teils mit Kronenbrüchen. Und insofern hat der Waldbesitzer gesagt, er will seiner Verkehrssicherungspflicht nachkommen", sagt Struck.

Feld mit Holz
Laut Thüringenforst war die Abholzung des Waldstücks rechtens. Bildrechte: MDR/Wolfgang Hentschel

Forstamtsleiter weist Rechtswidrigkeit zurück

Der Forstamtsleiter weist zudem den Vorwurf zurück, dass die Naturschutzbehörde rechtswidrig umgangen wurde. Für die Genehmigung des Kahlschlags sei sein Forstamt selbst zuständig, sofern keine Naturschutzbelange betroffen seien, betont Struck: "Das Forstamt hat dazu die Datengrundlage gesichtet. Und es hat festgestellt, es ist kein Naturschutzgebiet, kein FFH-Gebiet und auch kein Vogelschutzgebiet." Nach Angaben von Struck läuft die Grenze für das Vogelschutzgebiet, eine so genannte special protected area, genau an der Grenze des Waldstücks entlang.

Die Fläche wird für Jahrzehnte nicht mehr als Brutplatz zur Verfügung stehen.

Susanne Löw Nabu-Vorsitzende

Das Forstamt hat daher dem Antrag der Gemeinde auf Kahlschlag zugestimmt. Die Fläche soll laut Struck voraussichtlich im Frühjahr wieder aufgeforstet werden, mit Eichen und Spitzahorn. Für die stellvertretende Nabu-Kreisvorsitzende Löw ist das aber kein Trost: "Die Fläche wird für Jahrzehnte nicht mehr als Brutplatz zur Verfügung stehen. Damit wird ein weiterer Beitrag für den Artenschwund geleistet."

Ein Sprecher des Landratsamtes Gotha erklärte, das Umweltamt müsse den Fall unter die Lupe nehmen. In der kommenden Woche werde dazu Stellung genommen.

MDR

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 11. Februar 2022 | 19:00 Uhr

35 Kommentare

Jedimeister Joda am 14.02.2022

Na das hat ja geklappt. Schnell die Bäume unter vorgeschobenen Gründen fällen und dann unschuldig tun. Solange der Kapitalismus hier am Ruder ist wird vor der Natur nicht angehalten. Ihr sucht immer nur euren Vorteil und nichts ist euch heilig. Macht eure Hausaufgaben und sammelt den Müll den die Städter draußen verteilen ein. Wie in der Nähe von Eisenach zu sehen. Doch dort ist nicht die einzige Stadt in der es aussieht wie bei Hempels unterm Sofa. Jena Sömmerda Weimar Pößneck Schleiz Erfurt Neustadt Zeulenroda Greiz sind gute Beispiele dafür wie es in einer Stadt nicht aussehen sollte. Pfui. Bei den Dorfis sieht es längst nicht so schlimm aus. Aber die bekommen auch keine Einwohnerveredlung wie Erfurt Jena Weimar Gera. Schämt euch. Joda Dagobasystem

part am 13.02.2022

Auch eine Pappel lässt sich wie eine Kopfweide kultivieren, sie bietet dann ebenso Lebensraum für allerlei Getier bis hin zu Brutvögeln. Da hat wohl jemand die wirtschaftliche Verwertung des ganzen im Blick gehabt und selbst eingefärbte Pappelschnitzel lassen sich gewinnbringend in Umlauf bringen, wie schon geschehen. Für das Nichtzusammenwirken von Behörden und der Umsetzung von Gesetzen und Vorschriften gibt es Verantwortliche. Ich bin mal gespannt, ob sie entsprechend belangt werden oder sich die Behörden gegenseitig nicht ins Regal pi.... Wenn es um die Verkehrssicherungspflicht geht, dann müssten ganze Bundes- und Landstraßen gesperrt oder abgeholzt werden, es geschieht aber nicht, weil unverhältnismäßig. Alles, was dort noch möglich ist, ist die Beimpfung mit Austernpilzen zur Resteverwertung der Stumpen, wobei es heute auch noch üblich ist, die Stumpenfräse zur Anwendung zu bringen, um null Natur übrigzulassen.

_martin_ am 13.02.2022

Die Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers ist jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern lediglich auf die Sicherung gegen solche Gefahren beschränkt, die nicht waldtypisch, sondern im Wald atypisch sind (vgl. BGH, Urteil vom 02.10.2012, Az.: VI ZR 311/11, Rn. 13 f. - Fundstelle: juris). Zu den typischen Gefahren des Waldes zählen solche, die sich aus der Natur oder der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes unter Beachtung der jeweiligen Zweckbestimmung ergeben. Sie umfassen die Gefahren, die von lebenden oder toten Bäumen ausgehen. Zu den typischen Gefahren des Waldes können daher herabhängende Äste oder die mangelnde Stand- oder Bruchfestigkeit von Bäumen gehören (vgl. BGH, Urteil vom 02.10.2012, a.a.O., Rn. 25 m.w.N.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.03.2014, Az.: 13 U 56/12, Rn. 23 - Fundstelle: juris).

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