Nostalgiefahrt Am offenen Fenster den Sound genießen: Der Rodelblitz dampft wieder

28. Januar 2023, 21:24 Uhr

Erst bremste Corona den "Rodelblitz" aus, dann stellte das Land Thüringen vor einem Jahr das Bahn-Nostalgieprogramm ein. Doch jetzt fuhr der beliebte Dampfzug nach zwei Jahren wieder von Eisenach durch den Thüringer Wald nach Arnstadt und zurück. Möglich gemacht hat es der Verein IGE Werrabahn, der die Fahrten erstmals selbst organisierte. Viel Aufwand, ein hoher Fahrpreis - doch die Nachfrage war groß. Selbst aus dem Ausland wollten Bahnfans dabei sein.

Die Hauptattraktion auf dem Eisenacher Bahnsteig ist schon lange vor der Abfahrt dicht umlagert: die Dampflok Typ 41 1144 Baujahr 1939, mit Tender beeindruckende 24 Meter lang, blitzblank geputzt. Lokführer André Wandt schaut lässig aus dem Seitenfenster.

Die einen fotografieren, die anderen heben ihre Kinder hoch, wieder andere schauen sich technische Details aus der Nähe an. Manche bringen sich schon in Position, um die Abfahrt aufzunehmen.

Eine der schönsten Soundstrecken

Schon früh besetzt sind die Fenster im ersten Wagen. Er ist der Ort für die Hardcore-Eisenbahnfans. Sie brauchen keinen Sitzplatz, stehen mit Skibrille, Tüchern und Schals vermummt im Gang am offenen Fenster. Es geht vor allem darum, auf den Steigungsstrecken zu hören, wie die Maschine arbeitet - den "Sound".

"Die Strecke ist eine der schönsten Soundstrecken", sagt Jürgen Link aus Lauffen am Neckar. Aber auch den Dampf zu riechen, die Arbeit der Lok zu fühlen, dafür hält Julian Rzezacz aus Leipzig den Kopf aus dem Fenster: "Das macht es aus."

Schwarze Lok im weißen Schnee

Dazu Natur und Landschaft: Torsten Wilhelm aus Eppstein im Taunus freut sich über den Schnee: "Schwarze Dampflok mit weißem Schnee drumherum sieht einfach toll aus!" Nicht jeder im ersten Wagen mag sich stören lassen für ein kurzes Gespräch. "Nicht vor Förtha!" heißt es kurz nach der Abfahrt in Eisenach.

Die Abteile sind eher dünn besetzt. Auch dort hängen viele an den offenen Fenstern. So erklärt sich auch die freundliche Durchsage im Zug, nicht mit Schuhen auf die Sitze zu treten, sondern bitte Handtücher unterzulegen. Die Veranstalter kennen die Bedürfnisse ihrer Fans.

Zusammensein mit "Bahnverrückten"

Und die kennen sich untereinander, weil fast alle schon mit gefahren sind im "Rodelblitz". Jens Gießler aus Trusetal ist von Anfang an dabei, erzählt er, also seit über 20 Jahren. Und jedes Jahr mehrere Male. Man treffe inzwischen gute Bekannte, Freundschaften seien entstanden.

Was zählt, sei neben dem Sound das Zusammensein mit den "Bahnverrückten", sagt Sven Ferchland aus Muldenhammer. Und der Hesse Torsten Wilhelm meint: "Man kennt sich, man trifft sich unabgesprochen aus ganz Deutschland und halb Europa, sind ja auch etliche Kollegen aus der Schweiz, Österreich, England mit dabei."

Lange Anreise in Gruppen

Viele sind bereits gemeinsam angereist: aus der Nähe von Ulm in Baden-Württemberg ist eine Gruppe von einem Schmalspurbahn-Verein um 4 Uhr früh gestartet, erst um Mitternacht werden sie wieder zuhause ankommen.

Mehr Zeit nehmen sich sechs Männer vom einem Dampf-Verein aus den Niederlanden: sie sind schon am Freitag nach Eisenach gefahren, erzählt Martyn Foppen, und machen sich am Sonntag auf den Rückweg. Ein Gruppenerlebnis - und eine gemeinsame Leidenschaft.

Auf eigene Rechnung Fahrten organisiert

Viel Leidenschaft und Engagement hat auch der Verein IGE Werrabahn Eisenach aufgebracht, um den Rodelblitz auf eigene Faust und Rechnung wiederzubeleben. Die Lok gehört dem Verein. Wagen musste er zum Teil in Chemnitz mieten, zum Teil aus dem Harz holen.

Um das finanzielle Risiko überschaubar zu halten, wurden die Fahrkarten vorab im Internet angeboten. Sie kosten 85 Euro - mehr als doppelt so viel wie zu Zeiten des Bahn-Nostalgie-Programms, das vom Land Thüringen bezuschusst wurde. Erst als ausreichend Tickets vorbestellt waren, machte der Verein Nägel mit Köpfen.

Hoher Preis schreckt Fans nicht

"Wir haben uns vom Preis nicht abschrecken lassen", sagt Christiane aus Neustadt an der Orla, die gemeinsam mit ihrem Partner Torsten unterwegs ist. "Wir stehen dazu und fahren trotzdem mit. Und wie’s aussieht, denken andere ähnlich." Patrick Jakob aus Sachsen findet den Preis "ok - alles wird teurer".

Die Zeiten haben sich geändert, meint auch Jürgen Link aus Baden-Württemberg. "Man ist grad froh, wenn man das noch erleben darf. Und solange sie noch die Kohle bekommen für die Dampfloks, das ist auch so eine Sache."

Hoffen auf Zukunft der Bahn-Nostalgie

Uwe Pfotenhauer von der IGE Werrabahn Eisenach freut sich über die große Resonanz auf das "Experiment". Drei ausverkaufte Züge, damit setze man ein Zeichen an die Landesregierung, dass Bahn-Nostalgie doch eine Zukunft habe und stark nachgefragt sei.

Mit der Aufgabe des Programms habe sich "Thüringen einen Leuchtturm weggeschossen, um den uns andere Länder beneidet haben". Oder wie sagte ein Fahrgast: "Der Rodelblitz hat gefehlt - es wurde Zeit, dass es wieder losgeht!"

MDR (sar/rub)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 28. Januar 2023 | 19:00 Uhr

20 Kommentare

emlo am 30.01.2023

Dass ist jetzt nicht Ihr Ernst, dass EINE Dampflokomotive, die noch dazu nur an einzelnen Tagen unterwegs ist, irgendeinen Einfluss auf das Klima hat?!

Germinator aus dem schoenen Erzgebirge am 29.01.2023

" immer noch weit umweltfreundlicher als wenn die Passagiere des Zuges alle mit ihrem eigenen Auto unterwegs wären. "

Es sei denn, es sind E-Autos.


🍀☝️

emlo am 29.01.2023

Welch unheimlich "niveauvoller" Kommentar! Wahrscheinlich ist so ein altes "Dampfross" immer noch weit umweltfreundlicher als wenn die Passagiere des Zuges alle mit ihrem eigenen Auto unterwegs wären.

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