Drei Personen mit Wikinger-Helmen
Thor, Björn und Holger: Der Sommergewinn in Eisenach vereint die Generationen. Bildrechte: MDR/Ruth Breer

Eisenacher Frühlingsfest Drei Generationen Germanen feiern Sommergewinn: Tradition, Tanz und Trinkhörner

09. März 2024, 05:00 Uhr

Der Eisenacher Sommergewinn gilt als größtes deutsches Frühlingsfest. Den Winter zu vertreiben, geht auf heidnisches Brauchtum zurück. Wohl aus diesem Grund gehören schon sehr lange Germanen zu diesem Fest: eine raubeinige und trinkfreudige Truppe mit Hörnerhelmen, Tunika und Fell an den Beinen. Sie läuft im Umzug mit, ihre Auftritte bei den traditionellen Vorabenden, den Kommerschen, sind Kult. Nicht jeder darf mitmachen - aber einige sind mit der ganzen Familie dabei.

Thor Kummert trägt nicht nur den Namen eines germanischen Gottes. Der 14-Jährige ist tatsächlich in eine Germanenwelt hineingeboren worden - und das in Eisenach. Gemeinsam mit Vater Björn, Großvater Holger und vielen anderen steht er am vergangenen Wochenende beim Sommergewinns-Kommersch auf der Bühne, ficht Schaukämpfe aus und tanzt zu Shanty-Rock mit irischem Einschlag eine Art Line-Dance

Wir sehen cool aus, sind einzigartig und wir werden auch gefeiert.

Thor Kummert

Die Germanen sind einer der Höhepunkte des Abends, der Saal tobt, die Zugabe ist ihnen sicher - aber davor müssen sie sich erstmal mit Festbier stärken, sie sind ja schließlich die Germanen und haben einen Ruf zu verteidigen. Nur Thor als Jüngster muss diesmal noch verzichten.

In die Tradition hineingewachsen

Schon im Alter von zwei Jahren erlebte er seinen ersten Festzug mit den Germanen, erzählt der 14-Jährige, lief selbst mit oder wurde von den Eltern getragen. Was ihm an der Gruppe gefällt? "Wir sehen cool aus, sind einzigartig und wir werden auch gefeiert."

Die Leidenschaft ist sicher auch familiär bedingt. Vater Björn ist schon seit 28 Jahren bei den Germanen der Sommergewinnszunft. Das sei etwas Besonderes, sagt der 44-Jährige. Denn nur, wer beim Aufbau der Festwagen hilft und wer Mitglied der Zunft ist, darf auch bei den Germanen mitlaufen. Eine echte Auszeichnung.

"Wir sind alle mehr oder weniger reingewachsen in dieses Fest", erklärt Thors Großvater Holger Kummert die Verbundenheit seiner Familie mit dem Sommergewinn. "Wir sind aus der Weststadt, sind hier zur Schule gegangen." Da gehört es dazu, als Schüler beim Umzug mitzumachen. Der 66-Jährige erinnert sich an einen Einsatz als Jugendlicher in der Garde des Winters: "Bei bestimmt 25 Grad in einem schönen dicken Kostüm - es war sehr interessant", lacht er.

Mehrere als Wikinger verkleidete Personen in einer Holzboot-Attrappe
In die Kostüme der Germanen fließt einiges an Arbeit. Bildrechte: MDR/Ruth Breer

Urig mit Trinkhorn und Perücke

Die Germanen dagegen können ihr Aussehen selbst gestalten. Sie verfügen über einen eigenen Fundus, aber die meisten, sagt Björn Kummert, haben sich Kleidung und Ausstattung privat zugelegt oder sogar selbst aus Leder gefertigt.

Was dazu gehört? "Germanenhelm, Schwert, ein Trinkhorn, eine ordentliche Tunika, Perücke sollte schon sein, Felle um die Beine - also wirklich ein uriges Auftreten." Die richtigen Germanen, ergänzt Holger Kummert, hätten etwas anders ausgesehen: keine Hörner auf den Helmen und weniger aufwendig gekleidet. Sie sind eben die Germanen des Sommergewinns.

Das Proben war anfangs schwer, weil ich mir vieles merken musste.

Thor Kummert über sein Germanen-Debüt

Für den Auftritt beim Kommersch müssen sie - wie alle anderen Beteiligten auch - ausführlich üben. Spätestens seit November ist jeder Sonntagvormittag dafür reserviert. Thor war jetzt zum ersten Mal dabei. "Das Proben war anfangs schwer, weil ich mir vieles merken musste", erzählt er. Muss ein Sommergewinns-Germane also auch tanzen können? Naja, sagt Holger Kummert, es sei eher bewegen als tanzen. Und es sei ja freiwillig und mache Spaß.

Mehrere als Wikinger verkleidete Personen machen einen Line-Dance auf einer Bühne
Germanen schwingen das Tanzbein beim "Line-Dance". Bildrechte: MDR/Ruth Breer

Handwerkliche Arbeit in der Zunft-Werkstatt

Gleichzeitig gibt es auch in der Werkstatt der Zunft viel zu tun: Ein Teil der Festwagen muss nach dem Vorjahresumzug abgeschmückt und dann neu aufgebaut und gestaltet werden, vielfältige handwerkliche Arbeit. Über den Winter habe man dazu ausreichend Zeit, sagt Holger Kummert. Seit 1996 ist er dabei. Und selbst der 14-jährige Thor hat in diesem Winter häufiger als einmal die Woche im Zunfthaus geholfen, erzählt er.

Beim Festzug am Samstag ziehen die Sommergewinns-Germanen als große Sippe mit Frauen und Kindern durch die Stadt - traditionell kurz vor dem Winter. Mit dabei haben sie ein großes Feuerrad, als Erinnerung an vorchristliche Bräuche des Winteraustreibens, die auch aus Eisenach überliefert sind.

Thor ist immer wieder von den vielen Menschen beeindruckt, die die Straßen säumen und den Zug feiern. Im vergangenen Jahr habe er schon eine Woche nach dem Fest gedacht, "es könnte schon wieder Sommergewinn sein, weil es so aufregend war".

Nach dem Streitgespräch zwischen Frau Sunna und dem Winter auf dem Marktplatz haben die Germanen noch eine wichtige Aufgabe: sie zünden eine Strohpuppe an und verbrennen so symbolisch den Winter, der beim Streit unterlag.

Highlight des Sommergewinns: Das Feuerradrollen

Aber das ist noch nicht alles. Seit einigen Jahren haben die Sommergewinns-Germanen einen Fest-Nachschlag am Sonntagabend etabliert: In der Dämmerung versammeln sie sich am Waldrand unterhalb des Metilsteins auf einer abschüssigen Wiese. Dort lassen sie ganz stimmungsvoll ein brennendes Feuerrad ein kurzes Stück langsam bergab rollen.

Das mit Stroh und Holz gefüllte Metallrad misst zwei Meter im Durchmesser, wird beidseits gesichert an Achse und Drahtseilen. Das Ganze endet an einem Lagerfeuer mit lauten Germanen-Liedern und kühlen Getränken. Jahr für Jahr zieht es immer mehr Menschen dort hinauf, wo man mit weitem Blick über die Stadt das Festwochenende perfekt ausklingen lassen kann.

MDR (cfr)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 08. März 2024 | 18:45 Uhr

16 Kommentare

Ralf G vor 8 Wochen

Anita - Wir reden von Eisenach und wer wird da wohl mit Einheimische gemeint sein? Es geht dabei um die Tradition der "Stiegker".
Ihre Bedenken hinsichtlich der Wikinger halte ich für unbegründet. Die werden kaum aus ihren Gräbern steigen und sich vom Umzug traumatisiert fühlen.

Anita L. vor 8 Wochen

"Gut, dass beim Umzug und der Kostümierung vorwiegend Einheimische mitmachen."

Woher wissen Sie das und wie definieren Sie Einheimische? Ich meine, haben die Teilnehmenden einen entsprechenden Abstammungsnachweis erbracht, dass sie von den Seekriegern abstammen? Oder wenigstens von Germanen?

Anita L. vor 8 Wochen

"Allerdings ist Comic für die Einsicht in historische Gegebenheiten nicht hilfreich. Stattdessen empfehle ich, ein Museum, ein gutes(!) Buch oder ein Gespräch mit anerkannten(!) Historikern."

Damit tragen Sie zumindest bei mir Eulen nach Athen.

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