Russland heute Putin lässt sich als Präsident wiederwählen
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16. März 2024, 15:34 Uhr
Am Wochenende will sich der russische Präsident Wladimir Putin für sechs weitere Jahre im Amt bestätigen lassen. Ernst zu nehmende Konkurrenten des 71 Jahre alten Ex-Geheimdienstlers wurden nicht zur Wahl zugelassen. Seine drei Gegenkandidaten gelten als vorab ausgewählt und chancenlos.
- Wahllokale in besetzten ukrainischen Gebieten
- Simulation einer Wahl ohne Beobachter von außen
- Thema Ukraine-Krieg weitgegend vermieden
Von Freitag bis Sonntag, erstmals an drei Tagen, sollen die Bürger von Russland bei Präsidentenwahlen ihre Stimme abgeben. Dass Wladimir Putin dabei für eine weitere sechsjährige Amtszeit bestätigt wird, gilt in Russland wie im Westen als ausgemacht. Kritiker sprechen von einer "Scheinwahl" mit vorab ausgewählten Gegenkandidaten.
Am Mittwoch rief Putin im Staatsfernsehen in "schwierigen Zeiten" dazu auf, "Patriotismus" zu zeigen: "Ich bitte Sie, Ihre patriotische und staatsbürgerliche Pflicht zum Ausdruck zu bringen und zur Wahl zu gehen", sagte er, "für eine strahlende Zukunft unseres geliebten Russlands".
Vom 15. bis zum 17. März sind insgesamt rund 114 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen – unter ihnen auch 4,5 Millionen in den besetzten ukrainischen Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson sowie auf der bereits 2014 ebenfalls völkerrechtswidrig annektierten Krim. Zwei Millionen Wahlberechtigte leben in anderen Ländern.
Auch in besetzten Gebieten wird abgestimmt
In Russland mit seinen elf Zeitzonen öffneten die ersten Wahllokale im äußersten Osten. Die letzten schließen am Sonntag um 19 Uhr MEZ in der Ostsee-Exklave Kaliningrad. Danach soll es eine Prognose und erste Ergebnisse geben, ein Endergebnis spätestens am 28. März.
Die Abstimmungen in den besetzten Gebieten sind international nicht anerkannt, weshalb dies auch für das Gesamtergebnis gelten könnte. Die Urnengänge dort hatten sogar schon vor Tagen begonnen, größtenteils unter der Aufsicht russischer Soldaten.
Die russischen Umfrage-Institute sagten Putin etwa 82 Prozent der Stimmen voraus, so viel wie noch nie seit seinem Amtsantritt als Staatschef zu Neujahr 2000, als Vorgänger Boris Jelzin seinen bisherigen Geheimdienst-Chef und Ministerpräsidenten zum Präsidenten ernannt hatte.
Vom KGB in den Kreml
Damals galt Putin, der 1989 in Dresden das Ende der DDR durch friedliche Proteste als KGB-Mitarbeiter erlebte, in seinem Land und im Westen als Hoffnungsträger für demokratische Entwicklungen in Russland. Dabei führte seine Karriere durch den Sumpf an Korruption, die nach dem von Putin auch öffentlich bedauerten Ende der Sowjetunion 1991 das Land beherrschte.
Nicht erst seit dem Jahr 2000 hat Putin dann seine Macht systematisch ausgebaut. Dass er nun erneut kandidieren kann, ermöglichte ihm eine Verfassungsänderung von 2020, bei der eine Begrenzung der Präsidentschaft auf zwei Amtszeiten gestrichen wurde. Diese Bestimmung hatte Putin durch einen Ämtertausch mit dem damaligen Ministerpräsident Dmitri Medwedew zwischen 2008 und 2012 bereits einmal umgangen.
Simulation einer Wahl
Von der Wahlkommission zugelassen wurden insgesamt vier Kandidaten, Putin als "unabhängiger", der Nationalist Leonid Sluzki, der Kommunist Nikolai Charitonow und Wladislaw Dawankow von der Partei "Neue Leute". Ihnen prognostizieren die staatlichen Meinungsforscher je fünf bis sechs Prozent der Stimmen.
Echte Oppositionelle sind nicht unter diesen Kandidaten, sie wurde ausgeschlossen, sind in Haft, im Exil oder tot. Putins zuletzt vielleicht einziger ernst zu nehmender Konkurrent, Alexej Nawalny, starb Mitte Februar in einem Straflager in Sibirien.
Einer seiner Vertrauten, Leonid Wolkow, wurde vor etwa einer Woche in Litauen mit einem Hammer angegriffen und schwer verletzt. Wolkow, früher Stabschef von Nawalny hatte zuletzt zu Protest-Aktionen beim Urnengang in Russland aufgerufen.
Eine Kandidatur des Kriegsgegners Boris Nadeschdin hatte die Wahlkommission wegen angeblich fehlerhafter Unterstützerunterschriften abgelehnt. Ähnlich erging es der oppositionellen Bewerberin Jekaterina Dunzowa. Erlaubt sind auch keine Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Man habe nur Organisationen eingeladen, die "nicht unter der Kontrolle des Westens stehen", hieß es vom russischen Föderationsrat. Im Jahr 2018 war die OSZE noch mit rund 600 Beobachtern in Russland und ihr Fazit: "Eine Wahl ohne echten Wahlkampf", vor der die Bevölkerung massiv eingeschüchtert worden sei.
Die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung erklärt das System in Russland unter anderem mit den Begriffen "autoritäre Präsidialherrschaft" und "simulierte Demokratie". Letzteres gilt nach Ansicht vieler Beobachter auch für diese Abstimmung, die demnach eine Wahl nur simuliert. So seien die "Gegenkandidaten" in russischen Medien kaum zu sehen gewesen.
Der Historiker und Russland-Experte Mark Galeotti sagte dazu: "In gewisser Weise wird versucht, die Wahlmanipulation an den Wahltagen zu minimieren, durch etwas, das man als Vorabmanipulation bezeichnen könnte."
Ukraine-Krieg im "Wahlkampf" vermieden
Dass viele Russinnen und Russen den Machthaber im Kreml trotzdem unterstützen, erklären auch unabhängige Meinungsforscher wie die des Lewada-Zentrums mit Passivität und einem Wunsch nach Stabilität, vor allem aber auch mit einer professionellen Medien-Propaganda. Nicht erst seit Kriegsbeginn in der Ukraine wird Russland darauf eingeschworen, dass es sich gegen eine Bedrohung durch einen "kollektiven Westen" wehren müsse.
Das Thema Ukraine-Krieg habe Putin zuletzt aber gemieden, sagte der Politikwissenschaftler Alexander Kynew der dpa in Moskau: "Jedes Gespräch über den Krieg führt zu der Frage: Wann hört er auf? Die Staatsmacht hat darauf keine Antwort. Deshalb geht sie der Diskussion aus dem Weg."
MDR(ksc)/dpa/AFP
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | RADIO | 15. März 2024 | 06:00 Uhr