Eine Bronzestatue der römischen Göttin Justitia mit Waage und Richtschwert in der Hand 4 min
Audio: In den Urteilen der Woche geht es unter anderem um Verspätungen von Flügen und Funkzellenabfragen. Bildrechte: picture alliance / dpa | Arne Dedert

Urteile der Woche BGH: Funkzellenabfrage nur bei Verdacht auf besonders schwere Straftat zulässig

18. Mai 2024, 05:00 Uhr

Fast täglich werden im Gerichtssaal wichtige Urteile gesprochen, die Einfluss auf unser Leben haben können. MDR AKTUELL präsentiert Ihnen die drei interessantesten dieser Woche in Kurzform.


Funkzellenabfrage nur bei Verdacht auf besonders schwere Straftat

Bundesgerichtshof (Az. 2 StR 171/23)

Wer hat wann und wo telefoniert? Derartige Informationen können für Polizei und Staatsanwaltschaft immer dann wichtig werden, wenn es darum geht, eine schwere Straftat aufzuklären. Eine solche Funkzellenabfrage ist aber nicht so ohne Weiteres möglich. Anton Ansbach wird verdächtigt, Waffen gestohlen zu haben. Das zuständige Landgericht stützt dabei seine Anklage auf die Erkenntnisse aus einer solchen Funkzellenabfrage. Mit deren Hilfe kann nachgewiesen werden, dass sich der Verdächtige zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Nähe des Tatortes aufgehalten hat. Doch war die Abfrage überhaupt zulässig? Zum damaligen Zeitpunkt ging man lediglich von einem möglichen Diebstahl aus.

Am Bundesgerichtshof sagte man klar:  "Grundsätzlich darf eine Funkzellenabfrage nur bei Verdacht auf eine besonders schwere Straftat angeordnet werden. Wurde sie fälschlicherweise angeordnet, dürfen die Erkenntnisse daraus vor Gericht nicht als Beweise verwertet werden. Der Verdacht auf einen möglichen Diebstahl ist für eine  solche Anordnung nicht ausreichend."

Der Verdacht auf eine besonders schwere Straftat ist rechtlich genau definiert. Dazu zählen unter anderem Mord und Raub. Hier handelte es sich aber nur um den Verdacht eines Diebstahls. Die Verwendung der Funkzellenabfrage war also nicht zulässig.


Personalmangel an Flughafen kann Verspätung rechtfertigen

Europäischer Gerichtshof  (Az. C-405/23)

Das Ehepaar Palmenwind hat einen Flug auf die griechische Insel Kos gebucht. Der Flug verspätet sich um ganze vier Stunden – hauptsächlich, weil am Flughafen viel zu wenig Personal vorhanden ist, um die Gepäckstücke ins Flugzeug zu laden. Nun stellt sich die Frage nach Schadenersatz. Bei mehr als drei Stunden steht den Passagieren eine Entschädigung zu, so zumindest ist es in der europäischen Fluggastrechteverordnung geregelt. Wenn die Airline aber nachweist, dass die Verspätung auf unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände zurückgeht, dann muss sie nicht zahlen.

Der Europäische Gerichtshof entschied: "Die Airline kann eine Flugverspätung unter folgender Voraussetzung als außergewöhnlichen Umstand rechtfertigen: Sie muss nachweisen, dass der Vorfall – also hier der Mangel an Personal – unvermeidbar war und alle angemessenen Maßnahmen ergriffen wurden, um ihn zu verhindern." Das zuständige deutsche Landgericht muss nun beurteilen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist. Gab es derartige Maßnahmen nicht in ausreichendem Maß, dann wird ein Schadenersatz fällig.


Grenzgänger haben Anspruch auf gleiche Familienleistungen

EuGH (Az. C-27/23)

Nicht wenige Menschen wohnen und arbeiten in zwei verschiedenen Ländern der EU – sind also typische Grenzgänger. Bernard Bertran pendelt beispielsweise täglich von Belgien nach Luxemburg. Ein belgisches Gericht hat ihm ein Pflegekind zugesprochen, das auch in seinem Haushalt lebt. Das Kindergeld bezieht er lange Zeit aus Luxemburg. Nun aber wird es nicht mehr gezahlt, denn im Ausland lebenden Arbeitnehmern steht luxemburgisches Kindergeld nur für leibliche Kinder oder Adoptivkinder zu. Ist das in Ordnung?

Nein, sagten die Richter am Europäischen Gerichtshof: "Grenzgänger zahlen in dem Land, in dem sie arbeiten, Steuern und Sozialabgaben und tragen so zur Finanzierung der sozialpolitischen Maßnahmen bei. Darum stehen ihnen auch die gleichen Familienleistungen bzw. steuerlichen und sozialen Vergünstigungen zu wie inländischen Arbeitnehmern."

Luxemburg muss seine Gesetze hier also anpassen. Das Land ist dabei an die Rechtsauffassung der europäischen Richterinnen und Richter gebunden.

*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 18. Mai 2024 | 08:23 Uhr

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