Heiliges Grab 4 min
Bildrechte: Kunstsammlungen Chemnitz/PUNCTUM/Bertram Kober
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Heilige Gräber dienten seit dem Mittelalter der Visualisierung biblischer Erzählung von Tod, Grablegung und Auferstehung Jesu Christi. Ein Exemplar dieser Heiligen Gräber gibt es auch im Chemnitzer Schlossbergmuseum.

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Heiliges Grab in Chemnitz Mit Weihrauch und Donner - Von vorreformatorischen Osterspielen

28. März 2024, 15:16 Uhr

Heilige Gräber dienten seit dem Mittelalter der Visualisierung biblischer Erzählung von Tod, Grablegung und Auferstehung Jesu Christi. Es gibt Gemeinden, die diese Tradition der Osterspiele wieder aufleben lassen, wie in Gernrode bei Quedlinburg oder auch in Görlitz. Ein ganz außergewöhnliches Exemplar dieser Heiligen Gräber gibt es in Chemnitz im Schlossbergmuseum zu sehen.

Eine gotische Kathedrale – daran fühlt man sich erinnert, wenn man vor dem prächtigen Heiligen Grab im Schlossbergmuseum Chemnitz steht. Unten auf dem Sockelrelief die fein gearbeiteten Grabwächter, darüber auf Konsolen acht plastische Holzfiguren, die man eng mit Begräbnis und Auferstehung Christi verbindet, wie etwa Maria Magdalena, Maria, die Mutter Jesu und ein Engel, der das Grabtuch hält. Sie alle gruppieren sich wiederum um eine Art Schrein, in dem ein lebensgroßer Jesus liegt, ebenfalls aus Holz und mit beweglichen Armen.

"Es ist ein ganz spezieller Corpus Christi, der wahrscheinlich vor den Osterspielen einen festen Platz in der Kirche hatte. Wahrscheinlich am Gründonnerstag haben dann Küster und Pfarrer Leitern an sein Kruzifix angelehnt, haben am Boden eine Totenbahre mit Leichentüchern aufgestellt. Zur Sterbestunde Christi hat man dann die Nägel aus dem Gekreuzigten herausgezogen, da fallen die Arme runter. Die Figur wird abgenommen, unten auf die Bahre gelegt und in die Leichentücher gewickelt“, erklärt Uwe Fiedler.

Im Gottesdienst inszenierte Schauspiele

Was Uwe Fiedler, Leiter des Chemnitzer Schlossbergmuseums beschreibt, sind in vorreformatorischer Zeit in den Kirchen inszenierte Schauspiele, um den Menschen, die ja meist nicht lesen konnten, Glaubensinhalte volksnah zu vermitteln.

Im Fall des Heiligen Grabes war es die Passion, wobei in Chemnitz die Christusfigur auf der Bahre von zwölf Männern durch den Kirchenraum getragen und schließlich durch eine Klappe in den Schrein, die Grabeshöhle, geschoben wurde. Uwe Fiedler spricht von einem "handelnden Bildwerk", das eingebunden war in die gottesdienstlichen Feiern vom Karfreitag bis Ostersonntag.

Heiliges Grab aus der St. Jakobikirche zu Chemnitz
Das um 1500 entstandene Chemnitzer Heilige Grab gehört zu den heute seltenen hölzernen Maßwerkschreinen Bildrechte: Mirko Schmid

"Eine multimediale Performance mit Licht, Klang und olfaktorischen Dingen - Weihrauch wird natürlich auch abgebrannt. Oberhalb des Himmelfahrtloches in der Kirchendecke werden Bleche geschüttelt, um Donner zu symbolisieren. Man versucht, ein richtiges Spektakel zu inszenieren, dass man den Leuten das Gefühl gibt: Aha, ich nehme an diesen Dingen Teil. Ich kann das sehen, ich kann das erleben, und was ich erleben und sehen kann, das kann ich auch glauben“, so der Museumsleiter.

Nur noch wenige hölzerne Heilige Gräber in Deutschland

Heilige Gräber, deren Urtyp die Grab-Ädikula in der Grabeskirche in Jerusalem ist, gibt es in vielfältiger Ausführung, als mehrteilige Kappelenanlage wie etwa in Görlitz oder auch in der Stiftskirche St. Cyriakus in Gernrode in Sachsen-Anhalt.

Das um 1500 entstandene Chemnitzer Exemplar gehört wiederum zu den heute seltenen hölzernen Maßwerkschreinen. Uwe Fiedler kann dabei auf 25 Jahre Restaurierungs- und Forschungsgeschichte zurückblicken. Unter anderem vermutet er inzwischen, dass die Figuren aufgrund ihrer stilistischen Gestaltung und ihrer Kleidung innerhalb von 50 Jahren entstanden sein müssen.

Zudem standen zeitgenössische Druckgrafiken Pate, zum Beispiel die Darstellung eines Grabwächters auf dem Sockel, der auf einem Blatt von Martin Schongauers Passionszyklus zu finden ist.

Das Heilige Grab in Chemnitz blieb erhalten

Doch wie ging es bei den Osterspielen in der Chemnitzer Jakobikirche um 1500 weiter? Stefan Thiele, Kurator am Schlossbergmuseum, ist mit dem Prunkschrein gleichermaßen vertraut und rekonstruiert die liturgische Inszenierung weiter:

"In der Zwischenzeit hat man natürlich in der Osternacht die Figur, den Leichnam entfernt und ihn durch ein Standbild des auferstandenen Christus ersetzt. Diese Figur wurde anschließend auf den Hochaltar gebracht, verblieb dort die nächsten 40 Tage bis zum Himmelfahrtstag, bevor sie dann nach oben ins Gewölbe gezogen wurde", so der Kurator.

Viele dieser handelnden Bildwerke wurden in den drauffolgenden Jahrhunderten zerstört, gerieten in Vergessenheit. Anders das Heilige Grab in Chemnitz, dem selbst die Lutheranern einen würdigen Platz in der Jakobikirche gaben.

Den hat es inzwischen im Schloßbergmuseum, dort hofft man noch auf die entsprechende Aufmerksamkeit, die diesem einzigartigen Schatz fraglos zukommt, wie Uwe Fiedler findet. Denn das Heilige Grab in Chemnitz sei, wie auch das weitaus prominentere Zittauer Fastentuch, ein großartiges sakrales Kunstwerk des Mittelalters.

Das große Zittauer Fastentuch von 1472 in der zum Museum umgebauten Kirche Zum Heiligen Kreuz in Zittau
Das große Zittauer Fastentuch von 1472 Bildrechte: picture alliance / dpa

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Religion und Gesellschaft | 29. März 2024 | 08:15 Uhr

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