Schrein der Erlösung 4 min
Bildrechte: Grit Krause

Ausstellung Seltene gotische Prunkschreine in Schloßbergmuseum Chemnitz

24. September 2023, 14:22 Uhr

Eine Ausstellung im Schloßbergmuseum in Chemnitz widmet sich den Heiligen Gräbern in Europa. Mit wertvollen, einzigartigen Exponaten und großformatigen Fotografien werden die verschiedenen Erscheinungsformen dieser Kunstwerke vorgestellt, die im Mittelalter dazu dienten, die biblische Erzählung von Tod, Grablegung und Auferstehung Jesu Christi zu visualisieren. Höhepunkte der Schau sind zwei seltene gotische Prunkschreine, unter anderem das Heilige Grab aus der Chemnitzer St. Jakobikirche.

Wenn man vor dem prächtigen Heiligen Grab aus der Chemnitzer St. Jakobikirche steht, fühlt man sich an eine gotische Kathedrale erinnert. Auf dem Sockelrelief sieht man fein gearbeitete Grabwächter, darüber auf Konsolen stehen acht plastische Holzfiguren, die man eng mit Begräbnis und Auferstehung Christi verbindet, wie etwa Maria Magdalena, Jesu Mutter Maria und ein Engel, der das Grabtuch hält. Sie alle gruppieren sich wiederum um eine Art Schrein, in dem ein lebensgroßer Jesus liegt, ebenfalls aus Holz und mit beweglichen Armen.

Heiliges Grab, ein goldener Schrein im gotischen Stil mit großen Figuren.
Das Heilige Grab aus der Jakobikirche in Chemnitz, geschaffen um 1490-1520, beeindruckt durch die filigrane Gestaltung. Die Erschaffer dieser Kunstwerke sind zumeist unbekannt. Bildrechte: Kunstsammlungen Chemnitz/PUNCTUM/Bertram Kober

Im Mittelalter dienten Heilige Gräber dazu, die biblische Erzählung von der Passion und der Auferstehung Christi erlebbar zu machen. Als "handelnde Bildwerke" waren sie eingebunden in die gottesdienstlichen Feiern vom Karfreitag bis Ostersonntag. Mit dieser Kulissenarchitektur, aber auch mit den, wie etwa bei dem Chemnitzer Exemplar, beweglichen Figuren wurde im Grunde Theater gespielt, um den Menschen, die meist nicht lesen konnten, geschweige denn den in lateinisch abgehaltenen Gottesdiensten folgen, Glaubensinhalte volksnah zu vermitteln.

Multimediales Spektakel zur Festigung des Glaubens

Anliegen der Ausstellung "Der Schrein der Erlösung - Europas Heilige Gräber" ist es zu zeigen, dass es sich dabei nicht nur um aus heutiger Sicht meisterhafte Kunstwerke handelt, sondern dass und wie mit den Heiligen Gräbern, die seit dem 12. Jahrhundert zur Standardausstattung von Kirchenräumen gehörten, "gespielt" wurde.

Im Fall des gotischen Prunkschreins in Chemnitz geht man davon aus, dass die Jesus-Figur im Vorfeld der Osterspiele einen Platz in der Kirche einnahm. Am Karfreitag, zur Sterbestunde Christi, habe man dann die Nägel aus dem Kreuz gezogen, die Holzfigur abgenommen und sie, in Leichentücher gehüllt, auf einer Bahre von zwölf Männern durch den Kirchenraum getragen – um sie schließlich in den Schrein, die Grabeshöhle zu schieben.

Heiliges Grab aus Stein, das wie ein kleines gotisches Gebäude aussieht.
Es ging auch ohne viel Gold, wie dieser Schrein der Mauritius-Rotunde des Konstanzer Münsters zeigt, der um 1260 erschaffen wurde. Bildrechte: Justin Kroesen

Museumsleiter Uwe Fiedler spricht von multimedialen Performances, bei denen alle Sinne angesprochen wurden. Mit Licht habe man gearbeitet, mit Gesängen und Weihrauch. Überliefert sei ebenfalls, dass in den gotischen Kirchen oberhalb des Himmelfahrtsloches Bleche geschüttelt worden seien, um so Donner zu symbolisieren.

Man versucht, ein richtiges Spektakel dort zu inszenieren, dass man den Leuten das Gefühl gibt: Ich kann das sehen, ich kann das erleben, und was ich erleben und sehen kann, das kann ich auch glauben.

Uwe Fiedler, Leiter des Schloßbergmuseums

Ihre Wirkung auf die Gläubigen verfehlten diese Inszenierungen nicht, wie aus zeitgenössischen Überlieferungen bekannt ist. Der Kurator der Ausstellung, Stefan Thiele, ergänzt, dass auch volkstümliche Elemente integriert worden seien, wie der Lauf der Jünger, der dann als Wettlauf inszeniert wurde, oder auch Szenen, wie Maria Magdalena beim Apotheker Salben zum Einbalsamieren des Leichnams kauft. "So vermischen sich zutiefst geistliche Anliegen mit pädagogischen Elementen bis hin in die Volkskultur hinein", sagt Thiele.

Seltene Chance: Zwei originale Heilige Gräber sind zu sehen

Heilige Gräber, deren Urtyp die Grab-Ädikula in der Grabeskirche in Jerusalem ist, gibt es in vielfältiger Ausführung: als mehrteiliges Kappelenensemble wie etwa in Görlitz oder auch als steinerne oder hölzerne Sarkophage und Truhen. Das um 1500 entstandene Chemnitzer Exemplar gehört allerdings zu den heute seltenen hölzernen Maßwerkschreinen.

Heiliges Grab, einem Kirchenbau nachempfunden, scheint das Dach auf dünnen Säulen zu schweben, zahlreiche Figuren sind daran zu sehen.
Aus dem ungarischen Esztergom stammt dieses Heilige Grab, erbaut um 1500. Das Dach scheint auf den dünnen Säulen zu schweben. Der Schrein ist auf Rädern gelagert. Bildrechte: Christliches Museum Esztergom

Lediglich sechs existieren europaweit noch. Neben dem Objekt in Chemnitz gibt es Exemplare in der St. Marienkirche in Zwickau, im Salzburg Museum sowie in Esztergom in Ungarn. Jüngste Forschungen, die 2022 auf einem Symposium am Schloßbergmuseum vorgestellt wurden, haben darüber hinaus zwei weitere Vertreter in England und Finnland nachweisen können.

Der Wunsch, alle in einer Ausstellung zu versammeln bestand schon seit Jahren. Zumindest zwei – und das ist ein Glücksfall, den man so sicher nicht wieder erleben wird – können jetzt in der Ausstellung im Original gezeigt werden: das Chemnitzer Exemplar und das Heilige Grab aus der Salzburger Bürgerspitalkirche. Man geht bei dem goldfarbenen, ebenfalls kathedralartigen Prunkschrein davon aus, dass er als Heiliges Grab genutzt worden war, denn er zeigt vier Frauenreliefs, von denen eine das charakteristische Salbgefäß in der Hand hält.

Ein Schrein, der wie eine Kommode aussieht, darauf mittelalterliche gemalte Figuren.
Aus Magerau in Freiburg i. Ue. stammt dieses um 1330/40 geschaffene Heilige Grab. Die gemalten Figuren zeigen christliche Motive. Bildrechte: Museum für Kunst und Geschichte Freiburg, Primula Bosshard

Rettung und Würdigung des Heiligen Grabes in Chemnitz

Viele dieser handelnden Bildwerke wurden in späteren Jahrhunderten zerstört, da sie ihre Funktion verloren hatten. Anders das Heilige Grab in Chemnitz. Das wurde auf der Orgelempore der St. Jakobikirche aufgestellt und 1668 mit einer Tafel versehen, auf der erklärt wurde, warum man sich dazu entschieden hatte: "Wir ehren es nicht, sondern wir dulden es und stellen es auf diesen würdigen Platz, weil es dem ungelehrten Volk die heiligen Lehren predigt."

Ein Schrein aus Gold, der wie eine gotische Kathedrale aussieht, mit nachgestalteten Fenstern und einem Dach.
Das Heilige Grab aus der Salzburger Bürgerspitalkirche ist ebenfalls in der Chemnitzer Ausstellung zu sehen. Es stammt aus dem Jahr 1475 und erinnert an eine gotische Kathedrale. Bildrechte: Salzburg Museum

Seinen würdigen Platz hat das Heilige Grab inzwischen im Schloßbergmuseum und mit der Ausstellung soll diesem einzigartigen Schatz endlich die verdiente Aufmerksamkeit zukommen. Denn schließlich, das betont Museumsleiter Uwe Fiedler, sei es, wie auch das weitaus prominentere Zittauer Fastentuch, ein großartiges sakrales Kunstwerk des Mittelalters.

Redaktionelle Bearbeitung: op

Die Ausstellung Der Schrein der Erlösung – Europas Heilige Gräber
Sonderausstellung

24. September 2023 bis 10. März 2024

Schloßbergmuseum Chemnitz
Schloßberg 12, 09113 Chemnitz

Öffnungszeiten
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag, Feiertag 11 bis 18 Uhr
Mittwoch 14 bis 21 Uhr

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 23. September 2023 | 08:45 Uhr

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