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Sind wir unzufrieden, liegt es an uns, die Perspektive zu wechseln: nicht neidvoll auf andere zu blicken – sondern bei uns selbst zu schauen. Das empfiehlt Sachsen-Anhalts Landesrabbiner Daniel Fabian.

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MDR Kultur | 12.04.2024 Schabbat Schalom mit Rabbiner Daniel Fabian: "Perspektiven wechseln"

12. April 2024, 10:48 Uhr

Sind wir unzufrieden, liegt es an uns, die Perspektive zu wechseln: nicht neidvoll auf andere zu blicken – sondern bei uns selbst zu schauen, wie wir ausgeglichener werden können. Das empfiehlt Sachsen-Anhalts Landesrabbiner Daniel Fabian in seiner Auslegung des Wochenabschnitts Tazria.

Wer hat die Quarantäne erfunden? Die Dogen Venedigs im 14. Jahrhundert im Kampf gegen die Pest? Man könnte sagen: Es waren die Juden, und zwar bereits vor über 3.300 Jahren.

Eine Krankheit names Zaraat

Im Toraabschnitt dieser Woche, Tazria, wird eine Art von Krankheit namens Zaraat beschrieben. Es scheint sich dabei um eine Art von Ausschlag zu handeln, die sowohl Kleidung, Häuser als auch den Menschen selbst befallen kann. Ein solcher Befall soll von einem Priester begutachtet werden und dann für rein oder unrein erklärt werden.

Wie oft werden in den insgesamt 24 Büchern der Bibel Krankheiten beschrieben und wie man mit ihnen umgehen soll? Nur dieses eine Mal. Der Grund hierfür ist, dass die Tora ein Buch von Gesetzen, von Moral und von Geschichte ist, und kein medizinisches Werk. Warum also die Ausnahme?

Der Talmud erklärt, dass es sich beim Zaraat-Ausschlag um eine physische Manifestation eines charakterlichen Defizits handelt. Ständig schlecht über andere Menschen zu denken oder über sie zu reden, zerstört uns innerlich und frisst uns auf. Üble Nachrede oder auch eine Unfähigkeit, anderen Menschen ihr Glück zu gönnen, so der Talmud, führen zu einem Befall von Zaraat.

Ständig schlecht über andere Menschen zu denken oder über sie zu reden, zerstört uns innerlich und frisst uns auf.

Perspektive wechseln: Auf sich selber schauen

Interessanterweise erwähnt die Tora im Zusammenhang mit einem Zaraat-Befall von Kleidung, dass, wenn der Priester das Kleidungsstück nach dem Waschen begutachtet und "siehe, die Farbe des Ausschlags wurde nicht verändert", dem Priester dann nichts anderes übrig bleibt, als das Kleidungsstück für unrein zu erklären. Die wörtliche Übersetzung dieses Satzes lautet aber eigentlich nicht "der Ausschlag hat die Farbe nicht verändert", sondern "der Ausschlag hat sein Auge nicht verändert".

Mit anderen Worten: Wenn dieser Ausschlag von dir nicht als Warnzeichen für eine innere Unausgeglichenheit wahrgenommen wird, wenn du nicht in der Lage bist, jetzt deine Sichtweise zu ändern, anderen auch ihren Platz zu geben, dann wirst du auch von anderen negativ wahrgenommen werden – deine Kleidung, dein Haus, deine Haut! Der Ausschlag ist ein Spiegel deiner inneren Realität, die es zu ändern gilt.

Vielleicht waren die Menschen früher etwas mehr mit sich selbst in Einklang, hatten weniger Mauern nach außen aufgebaut, weniger Show und Schein. Eine innere Unausgeglichenheit zeigte sich dann damals auch äußerlich stärker. Und doch hat auch unsere Generation ihre Zivilisationskrankheiten wie Burnout oder Depressionen, mit denen wir zurechtkommen müssen. Die Tora empfiehlt uns hier, die Perspektive zu wechseln: nicht auf andere zu blicken – sondern auf uns selbst zu schauen und nach Strategien zu suchen, wie wir selbst innerlich ausgeglichen und zufrieden werden können. 

In diesem Sinne: Schabbat Schalom!

Zur Person: Daniel Fabian Der Landesrabbiner von Sachsen-Anhalt wurde 1974 in Israel geboren und wuchs in Deutschland auf. Ein Studium der Biologie schloss er mit einem Diplom an der Humboldt-Universität zu Berlin ab. Von 2007 an durchlief Daniel Fabian als einer der ersten Studenten ein Studium am Rabbinerseminar zu Berlin. Die feierliche Ordination zum orthodoxen Rabbiner erfolgte im Jahr 2011. Bereits während seines Studiums hatte Fabian in jüdischen Bildungseinrichtungen unterrichtet, ab 2011 übernahm er verschiedene Leitungsfunktionen in der Stiftung Lauder Yeshurun. 2021 wurde Fabian Landesrabbiner von Sachsen-Anhalt, seit 2022 nimmt er dort auch die Aufgabe des Polizeirabbiners wahr. Daniel Fabian ist verheiratet und hat fünf Kinder.

Schabbat Schalom bei MDR KULTUR Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

Jüdisches Leben

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 12. April 2024 | 15:45 Uhr