Jüdisches Restaurant unter Polizeischutz Wie das "Schalom" in Chemnitz antisemitischen Anfeindungen trotzt

28. Oktober 2023, 04:00 Uhr

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel sehen sich auch Juden in Deutschland verstärkt Anfeindungen und Gewalt ausgesetzt. Hass auf Juden wird wieder offener gezeigt: auf Demonstrationen, vor Synagogen und im Netz. Deshalb stehen hierzulande jüdische Einrichtungen seit Anfang Oktober unter verstärktem Polizeischutz. In Chemnitz sind das nicht nur die Synagoge, der jüdische Kindergarten und der Friedhof, sondern auch das Restaurant "Schalom" und sein Inhaber Uwe Dziuballa.

Bei einem Glas Wein oder Simcha-Bier genießen die Gäste des "Schalom" koschere Speisen, von jiddischen Pfannkuchen bis Gefilte Fisch. In dem gut gefüllten Chemnitzer Restaurant sorgt ein junger Mann am Klavier für den passenden Soundtrack, die Kellner - in dunkelroter Schürze und Kippa-  haben alle Hände voll zu tun.

Auf den ersten Blick wirkt alles wie immer. Wäre da nicht der Streifenwagen vor der Tür, in dem zwei Beamte in Uniform sitzen.

Es ist kein gewöhnlicher Abend, auch nicht in der Gefühlslage. Das heißt, für den Gast ist es ein ganz normaler Abend im Restaurant "Schalom". Aber die Protagonisten hinter den Kulissen fühlen eine sehr hohe Ambivalenz.

Restaurantchef Uwe Dziuballa

Für den Polizeischutz ist Restaurantchef Uwe Dziuballa dankbar. Aber auch traurig und wütend, dass dieser überhaupt notwendig ist. Dabei wirkt Dziuballa erstaunlich gelassen – selbst als der Streifenwagen vorm Haus losfährt. "Wenn das Polizeiauto weg ist, sind wir per se nicht ohne Schutz. Dann ist nur der Schutz nicht so sichtbar", sagt er.

Nahost-Konflikt hat sich in den Alltag geschlichen

Fakt ist: Seit Anfang Oktober haben die Behörden bundesweit den Schutz jüdischer Einrichtungen hochgefahren. Und so hat sich der Konflikt zwischen der Hamas und Israel längst in das Privatleben der Betroffenen geschlichen, bis nach Chemnitz. Die Geburtstagsparty seiner Frau unter Polizeischutz - selbst für einen wie Dziuballa eine befremdliche Situation. Doch was tut er selbst, um sich sicherer zu fühlen?

"Zum Beispiel auf verschiedensten Wegen das Haus verlassen. Wenn ich in die Stadt gehe oder mich außerhalb von Restaurant und Wohnung bewege, trage ich immer einen Hut, Basecap oder was auch immer, so dass die Kippa nicht zu sehen ist“, erklärt der 59-Jährige.

Regeln, die Dziuballa spätestens seit August 2018 peinlich genau befolgt. Damals griff eine Gruppe Neonazis das Restaurant an. Vermummte warfen Steine und Flaschen. Dziuballa wurde an der Schulter verletzt, erinnert sich an Parolen wie "Judensau" und "Verschwinde aus Deutschland". Ein Schock, aber Aufgeben sei für ihn trotzdem keine Option gewesen, ebenso wenig Weggehen.

Solche Übergriffe und Beleidigungen sind kein Chemnitzer Phänomen. Dasselbe kann in Dresden, in München, überall passieren. Unsere Familie ist seit 1743 hier. Das ist unsere Heimat. Und jüdisches Leben ist Teil dieser Republik.

Uwe Dziuballa

Dziuballa sieht sich in erster Linie als Kulturvermittler. In seinem Restaurant wird daher nicht nur koscheres Essen serviert. An den Ruhetagen finden hier Lesungen statt, Vorträge und Konzerte. Der Mann mit der Hornbrille scheint unermüdlich.

Einziges koscheres Restaurant in Ostdeutschland

1965 wird Uwe Dziuballa in Karl-Marx-Stadt geboren. Er studiert in der DDR Elektrotechnik, geht nach der Wende für ein knappes Jahr als Broker in die USA und kehrt schließlich in seine Heimatstadt Chemnitz zurück, wo er im Jahr 2000 das "Schalom" eröffnet. Das bis dato das einzige koschere Restaurant in Ostdeutschland.

Uwe Dziuballa
Uwe Dziuballa Bildrechte: imago images/ecomedia/robert fishman

Aber ein Restaurant unter Polizeischutz - schreckt das die Gäste nicht ab? "Zur Wahrheit gehört, dass wir mittlerweile pro Tag fünf, sechs Anrufe haben, die ihre Reservierung wieder stornieren. Weil sie Angst haben, weil sie nicht in eine jüdische Einrichtung gehen wollen. Aber noch sind wir in der glücklichen Position, dass es Gäste gibt, die teilweise auch noch nie bei uns waren und das Gefühl haben, jetzt geh ich gerade. Also traurig und erfreulich zugleich“, so der Restaurant-Betreiber.

Sinnbild für Dziuballas Arbeit ist das große Wandbild am Eingang des "Schaloms". Es zeigt links die Silhouette Jerusalems. Rechts die Skyline von Chemnitz. In der Mitte formen die Linien aus beiden Welten einen reich gedeckten Tisch. Eine Einladung an alle, sich beim gemeinsamen Essen miteinander auszutauschen, zu streiten und – im besten Fall - wieder zu versöhnen.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Religion und Gesellschaft | 29. Oktober 2023 | 10:00 Uhr

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