Donnerstag, 11.07.2019: Melancholie darf sein.
Dass auch ein Christenmensch nicht immer fröhlich ist, haben sie schon gemerkt. Aber dass er mehrfach im Monat melancholisch ist, das müsste ja nun nicht sein. Vor allem nicht, wenn alle anderen endlich mal fröhlich zusammen sind. Die Melancholiker sind dann die Spielverderber, die Undankbaren, die Ewig-Schwarz-Seher. Ich rede jetzt nicht von der Krankheit, die bei meiner Großmutter noch Schwermut hieß und bei meiner Mutter dann endogene Depression.
Ich meine die kleine Traurigkeit, den Blues, den man und frau hat. 20-30 Prozent der Mitteleuropäer kennen Melancholie. Da reicht ein längerer Blick auf den hilflosen alten Mann an der Haltestelle, und ich hab keine Lust mehr auf Smalltalk in der S-Bahn. Will jetzt am besten allein sein und heim, aufs Sofa und vielleicht vorm Fernseher ein bisschen heulen. Auch Männern geht das so.
Das versteht die Spaßgesellschaft aber nicht. Und die Jungen finden es total uncool. Und die Freundinnen wollen mich aufheitern. "Du musst mal raus, meine Liebe. Ich hol dich heute Abend ab."
"Tu dir was Gutes und dann ist‘s aber wieder gut", meinen manche Partner.
Aber man kann diese Stimmung auch anders sehen. In den wehmütigen Momenten liegt auch eine ungeahnte Quelle der Kraft. Oft liegt die Ursache für den Blues auch an unserem leer gefahrenen emotionalen Tank. Der Körper und die Seele brauchen wieder mal Ruhe. Und vielleicht will Gott solche Ruhemomente mit uns. In diesen Zeiten kommt er in unsere Nähe. Auch wenn wir ihn möglicherweise erst bemerken, wenn die Lebensgeister wieder geweckt sind. Insofern hat ein wenig Melancholie mit Stille und Nachdenklichkeit für jedes Gemüt positive Seiten.
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