Künstlerische Interpretation einer Reihe von Pulsaren, die von Gravitationswellen beeinflusst werden, die von einem supermassereichen schwarzen Doppelloch in einer fernen Galaxie erzeugt werden.
Künstlerische Interpretation einer Reihe von Pulsaren, die von Gravitationswellen beeinflusst werden, die von einem supermassereichen schwarzen Doppelloch in einer fernen Galaxie erzeugt werden. Bildrechte: Aurore Simonnet / NANOGrav Collaboration

Astronomie und Raumfahrt Anbeginn der Zeit: Mit Lisa bis zum Urknall blicken

10. Mai 2024, 07:23 Uhr

Mit Licht können wir nicht bis zum Urknall blicken. Wir können ihn aber mit Gravitationswellen hören. Jedoch müssen wir dafür in den Weltraum aufbrechen. Die Esa plant dafür das größte je dagewesene Observatorium im All: Lisa. MDR WISSEN hat mit Karsten Danzmann gesprochen, dem Forscher, der das Konzept maßgeblich mitentwickelt hat.

Porträtfoto von Patrick Klapetz
Bildrechte: privat

Vor etwa 13,82 Milliarden Jahren sollen Materie, Raum und Zeit aus einem unendlich winzigen und heißen Punkt entstanden sein – so besagt es die Theorie vom Urknall. Auch wenn sich der Begriff nach einer kurzen, gigantischen Explosion anhört, beschreibt die Theorie aber einen langen Zeitraum, in dem sich der Raum rasant ausgedehnt hat. Danach soll sich das Universum abgekühlt haben. Die Spuren der ursprünglichen Hitze sind aber als kosmische Hintergrundstrahlung noch heute messbar.

Das Lisa-Weltraumteleskop sucht mit Gravitationswellen nach dem Urknall

Dank Weltraumteleskopen können wir heute einen tiefen Blick in die Vergangenheit unseres Universums werfen. Mit James Webb wurden bereits weit entwickelte Galaxien entdeckt, die es so kurz nach dem Urknall hätte gar nicht geben dürfen. Den Startpunkt, den eigentlichen Knall, können wir nicht sehen, jedenfalls nicht mit Teleskopen, die Licht einfangen.

Mit dem Lisa-Projekt (Laser Interferometer Space Antenna) der europäischen Raumfahrtbehörde Esa könnte sich dies vielleicht ändern: Drei Satelliten, die ein gigantisches Observatorium für die Erforschung der Gravitationswellen bilden. Die Kantenlängen des gleichseitigen Dreiecks betragen jeweils 2,5 Millionen Kilometer.

Eine Collage der europäischen Lisa-Mission und von Karsten Danzmann vom MPI für Gravitationsphysik. 2 min
Bildrechte: MPI für Gravitationsphysik, Imago, MDR
2 min

Die Esa plant mit den drei Lisa-Satelliten das größte Observatorium der Menschheit im Weltall zu errichten. Es soll nach Gravitationswellen suchen. Karsten Danzmann erklärt, wonach Lisa sucht.

Do 25.04.2024 14:19Uhr 01:41 min

https://www.mdr.de/wissen/astronomie-raumfahrt/video-karsten-danzmann-ueber-lisa-mission-100.html

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Karsten Danzmann ist Direktor des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik und Experte, wenn es um den Nachweis von Gravitationswellen und die Entwicklung der dazu benötigten Laser-Technologien geht. Er hat Lisa maßgeblich mitentwickelt.

Ursprung des Universums: Hören statt sehen

Das Problem an den Teleskopen, die auf sichtbares Licht ausgerichtet sind, erklärt der Astrophysiker so: Mit ihnen könne man "nicht weiter zurückschauen als bis ungefähr 370.000 - 400.000 Jahre nach dem Urknall. Davor war die Welt so heiß und so dicht, dass Photonen, also die Lichtteilchen, nicht durchkonnten." Anders sieht es mit den Gravitationswellen aus. Diese werden kaum gestreut und mit ihnen "können wir bis zum Anfang sehen." Das wäre absolutes Neuland, denn "Wir wissen nicht, was der Anfang ist und wo er war."

"Von der Erde aus lassen sich Gravitationswellen aber nur bedingt erforschen, weil man sie hören muss. "Was wir von der Erde aus hören, sind Gravitationswellen bei hohen Frequenzen, und zwar bei Frequenzen von einigen Hertz bis zu ein paar Kilohertz", sagt Danzmann.

Künstlerische Darstellung der LISA-Satelliten im Sonnensystem bei der Beobachtung von Gravitationswellen aus einer fernen Galaxie
Künstlerische Darstellung der LISA-Satelliten im Sonnensystem bei der Beobachtung von Gravitationswellen aus einer fernen Galaxie Bildrechte: University of Florida/Simon Barke

Da auf der Erde jedoch alles rauscht, können niedrige Frequenzen nicht ausreichend isoliert werden. "Dazu müssen sie irgendwo hingehen, wo es ruhig ist. Und wo ist es ruhig? Da, wo nichts ist. Da oben im Weltraum."

Die Dominanz der schwarzen Löcher am Anbeginn der Zeit

Von der Erde aus können wir Objekte mit dem Ausmaß von einigen Sonnenmassen und winzige Dinge hören. Doch am Anfang des Universums gibt es "Galaxien und viele andere Objekte, die haben nicht eine Sonnenmasse, sondern Tausend, Millionen, Milliarden. Das sind die superschweren Schwarzen Löcher". Jede Galaxie scheint in ihrem Zentrum ein solches, supermassereiches schwarzes Loch zu beherbergen.

Sie haben möglicherweise bereits vor der Entstehung von Galaxien, zum Anbeginn der Zeit, das Weltall dominiert. Danzmann vermutet, dass sie verantwortlich sind dafür, "dass die Struktur in unserer Welt so entstanden ist, wie sie heute ist". Mit den drei Satelliten des Lisa-Projektes können die niedrigen Frequenzen, die solche Objekte ausstrahlen, aufgespürt werden. 

Gab es den Urknall wirklich?

Die Urknall-Theorie ist derzeit eine der plausibelsten Hypothesen, wenn es um die Entstehung unseres Universums geht. Jedoch gibt es auch andere vielversprechende Theorien, wie die des Big Bounce. Hier ist der Urknall nur das Resultat des Kollapses eines Vorgängeruniversums. 

Schema, das den Urknall illustrieren soll: Sich von links nach rechts ausdehnende Grafik mit Materie, die sich zu Elemente, Sternen, Planeten und Glaxien entwickelt.
Schema, das den Urknall illustrieren soll: Sich von links nach rechts ausdehnende Grafik mit Materie, die sich zu Elementen, Sternen, Planeten und Galaxien entwickelt. Bildrechte: imago/UIG

Dieser Kollaps wird als Big Crunch bezeichnet, bei dem das Universum unter der Wirkung der Gravitationskraft kollabiert. Statt sich weiter auszubreiten, fällt das Universum in sich zusammen und verschwindet. Beim Big Bounce soll sich dieser Vorgang – von Ausbreitung und Zusammenfall – bis ins Unendliche wiederholen. 

LISA könnte den Beweis für die passende Theorie und die tatsächliche Entstehung unseres Universums liefern. "Und wenn wir dann den Urknall bisher nicht gehört haben, dann bauen wir die nächste Mission und die ist um den Faktor zehn empfindlicher", gibt sich Danzmann optimistisch. 

LISA: Ein weiter Weg

Im Jahr 2035 sollen die drei Lisa-Satelliten mit einer Ariane-6-Rakete ins Weltall gebracht werden. Bis die ersten Daten die Erde erreichen, wird es weitere zwei Jahre dauern. Um die ganzen Daten zu analysieren, braucht es einiges an Rechnerleistung. Mit den bisherigen Supercomputern wird das eine Herausforderung werden. 

Künstlerische Darstellung des Konzepts eines Raumfahrzeugs für die Laser-Interferometer-Weltraumantenne (Lisa)
Künstlerische Darstellung des Konzepts eines Raumfahrzeugs für die Laser-Interferometer-Weltraumantenne (Lisa) Bildrechte: AEI/Milde Marketing/Exozet

Doch auch hier ist Danzmann optimistisch: "Wir haben noch 15 Jahre, um den entsprechenden Rechner zu bauen. Das wird schon." Mit langen Zeiträumen hat er Erfahrung: Den ersten Vorschlag für LISA hat Danzmann vor 31 Jahren geschrieben. Zu einer Zeit, als Gravitationswellen noch nicht als bestätigt galten. Erst im Jahr 2015 hatten zwei Postdocs diese als erste Menschen überhaupt gehört – und das im gegenüberliegenden Gebäude von Danzmanns Büro.

Die Wellen wurden von dem Gravitationswellen-Observatorium Ligo (Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory) in den USA aufgezeichnet. "Es war an einem Montagmittag um 11:50 Uhr und die beiden Postdocs taten, was immer sie so tun: Sie wollten zum Essen gehen", erinnert sich Danzmann. Sie hatten noch zehn Minuten bis dahin und haben sich entschlossen, nachzuschauen, was das laufende Ligo-Experiment bisher aufgezeichnet hat. "Und plötzlich haben sie Wellen gehört."

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 13-18 Nachmittag | 15. März 2023 | 16:30 Uhr

4 Kommentare

Rainer Kirmse vor 1 Wochen

SCHÖPFUNGSBERICHT

( Humorvolle Sicht )

Woher kommt das Universum,
war es Urknall oder Schöpfung?
Ein Gott oder wer auch immer,
keiner hat den rechten Schimmer.😉

Milliarden Jahre vor unserer Zeit
war's in der Heimatgalaxie soweit.
In der Sonne startet die Kernfusion,
die Akkretionsscheibe in Rotation;
darin Kollisionen und mancher Zoff,
Gravitation hielt zusammen den Stoff.

Daraus auch unsere Erde entsteht,
die sich seitdem um ihre Achse dreht.
Noch war der ganze Planet wüst und leer;
große Trockenheit, Wasser musste her.
Das kam aus Vulkanen, mit Kometen;
so konnte sich bald das Leben regen.

Aus toter Materie ging es hervor, strebte hin zu höchster Komplexität.
Die Evolution wirkt als ein Motor, der einfach niemals ins Stocken gerät.

Zahllose Arten entsteh'n und vergeh'n,
bevor der Mensch betritt die Szenerie.
Auch dessen Ende ist vorherzuseh'n,
das ist die kosmische Dramaturgie.

Wir sollten auf Erden nutzen die Zeit,
zum Siege verhelfen der Menschlichkeit.

Rainer Kirmse AGB

C. Lewis vor 1 Wochen

Es braucht keinen „Schöpfergott“, um das Universum oder seine Entstehung zu erklären…

Der „biblische Gott“ ist ohnehin ein Mythos ohne jedwede reale Grundlage!

Den Glauben eines jedweden Menschen in allen Ehren, aber die Bibel, der Koran und alle anderen religiösen Schriftzeugnisse sind reine Erfindungen menschlichen Geistes.

Halten wir uns besser an Tatsachen und den erklärbaren Erkenntnissen der Naturwissenschaften.
Das bringt auch weniger Verdruss…

goffman vor 1 Wochen

Sagt doch niemand.
Wenn ich mir einen Prozess ausdenken und ablaufen lasse, dann ist es vielleicht auch unmöglich, nachzuweisen, wer sich diesen Prozess ausgedacht. Trotzdem kann man aber ja den Prozess untersuchen und verstehen und auch von aktuellen Zuständen auf vorherige schließen.

Falls Sie also auf die Existenz eines Schöpfers anspielen:
Dies wird überhaupt nicht ausgeschlossen. Der Nachweis des Urknalls würde nichts über die Existenz eines Schöpfers aussagen. Die Existenz eines Schöpfers, eines "Plans" ist schlicht nicht Forschungsgegenstand.

Ein Konflikt zwischen Religion und Wissenschaft existiert nicht. Und nein, Wissenschaft ist nicht Nichtwissen.

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