Gelbe Pillen
Gesucht: Tabletten, die zuverlässig schwere Covid-19-Verläufe verhindern. (Symbolfoto) Bildrechte: imago images/YAY Images

Covid-19 Bringen neue Covid-Medikamente Molnupiravir und Paxlovid die Wende in der Pandemie?

01. Dezember 2021, 17:45 Uhr

Die zwei neuen Wirkstoffe "Molnupiravir" von Merck und "Paxlovid" von Pfizer wecken Hoffnungen: Laut Herstellern reduzieren sie schwere bis tödliche Covid-19-Verläufe. Können sie die Kliniken künftig entlasten?

Das Sars-Coronavirus-2 wird wohl nie wieder ganz aus der Menschheit verschwinden, da sind sich die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler inzwischen einig. Aber wie können wir in den sogenannten endemischen Zustand gelangen? Das wäre eine Situation, in der das Virus zwar zirkuliert und Menschen daran erkranken, die Kliniken aber nicht in regelmäßigen Wellen durch schwerkranke Patientinnen und Patienten überlastet werden. Auch hier sind sich die Forschenden einig: Impfungen bleiben das wichtigste Mittel. Bei Menschen mit einer Grundimmunität stellt sich Covid-19 nicht mehr als mitunter tödliche Organerkrankung dar, sondern meist nur noch als grippaler Infekt. Ärztinnen und Pflegerinnen in Krankenhäusern könnten also aufatmen.

Neben den Impfstoffen könnten aber auch antivirale Medikamente dazu beitragen, die Belastung der Gesundheitssysteme durch Sars-CoV-2 zu reduzieren. Hier haben in den vergangenen Wochen zwei Unternehmen mit Erfolgsmeldungen neue große Hoffnungen geweckt.

Molnupiravir: Schwere Verläufe nur 30 Prozent geringer

Ende Oktober teilten der Pharmakonzern Merck (MSD) und sein Partner Ridgeback Biotherapeutics mit, ihr Mittel Molnupiravir habe schwere Verläufe um 50 Prozent reduzieren können. Das Medikament, das auch unter dem Namen Lagevrio firmiert, greift in den Vermehrungsprozess der Viren in den befallenen Zellen ein. Es liefert falsche Bausteine für die Virus-Erbinformation und sorgt so dafür, dass die Viren so stark mutieren, dass sie ihre Fähigkeit zur Vermehrung verlieren.

Nach der endgültigen Auswertung aller Daten musste Merck seine Aussagen aber teilweise relativieren. Am Ende wurden Klinikeinweisungen und tödliche Covid-19-Verläufe durch Molnupiravir/Legevrio nur um 30 Prozent reduziert. Zudem befürchten einige Experten die Gefahr von Nebenwirkungen. In Versuchen mit den Zellen von Hamstern schädigte der Wirkstoff auch das Erbgut der Tiere.

Paxlovid: Die Hoffnungspille von Pfizer

Vielversprechender stellt sich derzeit noch die Pille "Paxlovid" des US-Pharmakonzerns Pfizer dar. Pfizer, bereits ein Teil des erfolgreiches Impfstoff-Duos mit Biontech, hat Anfang November den Abbruch der klinischen Studie aufgrund überwältigender positiver Zwischenergebnisse bekanntgegeben. In der Pressemitteilung verkündet das Unternehmen, Paxlovid habe das Risiko einer Krankenhauseinweisung und eines tödlichen Verlaufs von Covid-19 um insgesamt 89 Prozent senken können.

Bei dem Wirkstoff handelt es sich im Wesentlichen um einen sogenannten Protease-Hemmer, also ein Medikament, das ein für die Vermehrung der Viren extrem wichtiges Enzym blockiert. Insgesamt waren bei dem Versucht 1.219 Erwachsene mit mindestens einem Risikofaktor für schwere Covid-Verläufe innerhalb von fünf Tagen nach einem positiven PCR-Ergebnis auf Sars-CoV-2 behandelt worden, entweder mit dem Medikament (607 Personen) oder mit einem Placebo (612 Personen). Beide Gruppen mussten jeweils für fünf Tage alle zwölf Stunden eine Tablette nehmen, insgesamt also zehn Dosen.

Daten zu Paxlovid noch nicht veröffentlicht

Während in der Placebogruppe 47 Personen in Kliniken behandelt werden mussten und schließlich zehn verstarben, waren es in der Versuchsgruppe nur sechs Klinikeinweisung, Todesopfer gab es hier keine. Wurde die Therapie schon innerhalb von drei Tagen nach dem positiven Test begonnen, war die Verbesserung noch etwas deutlicher. Bezüglich der Nebenwirkungen teilt Pfizer lediglich mit, dass es bei etwa 20 Prozent sowohl der Versuchsteilnehmer als auch bei der Placebogruppe zu Reaktionen gekommen sei.

Eine abschließende, umfängliche Veröffentlichung der wissenschaftlichen Daten steht bei "Paxlovid" allerdings noch aus. Daher können unabhängige Forscherinnen und Forscher derzeit beispielsweise nicht beurteilen, ob der Wirkstoff bei allen Risikogruppen eingesetzt werden kann. "Berichtet wird über ein teilweise deutliches Interaktionspotential, sodass gegebenenfalls hier auch Kontraindikationen zu vermuten sein können bei Risikopatienten mit Vorerkrankungen", sagt Stephan Eisenmann, Leiter der Pneumologie am Universitätsklinikum Halle auf Anfrage von MDR WISSEN.

Verfügbarkeit in Deutschland noch offen

Ebenfalls unklar ist, wie sich das Medikament bei einer Infektion mit der neuen Virus-Variante Omikron verhält. Klar ist aber, dass sowohl Paxlovid als auch Molnupiravir/Lagevrio am besten wirken, wenn die Therapie so früh wie möglich beginnt, am besten unmittelbar nach einem positiven Testergebnis. "Hier muss es zwingend zu einer besseren Einbindung der Covid-Testpraxen kommen. Bei Positivnachweis muss von dort die Therapie initiiert werden", sagt Pneumologe Eisenmann.

Offen ist auch, ab wann die Wirkstoffe für Patienten in Deutschland verfügbar sind. Über die Freigabe entscheidet, wie schon bei den Impfstoffen, die Europäische Arzneimittelagentur EMA. Sie hat angekündigt, die Daten aus den Zulassungsstudien so schnell wie möglich zu prüfen und die Behandlung von Patienten mit besonderen Risiken bereits vorab ermöglichen zu wollen.

Ein Sprecher des deutschen Bundesgesundheitsministeriums (BMG) teilt auf Anfrage von MDR WISSEN mit, dass man die Entscheidungen der EMA sowie Gespräche abwarte. Im Gegensatz zu anderen Regierungen hat der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bislang noch keine Bestellungen bei MSD oder Pfizer getätigt.

Schlechte Erfahrungen mit monoklonalen Antikörpern

Möglicherweise resultiert das vorsichtige Vorgehen aus der Erfahrung, den das BMG mit der Anschaffung von monoklonalen Antikörpern Anfang 2021 gemacht hat. Diese für 400 Millionen Euro angeschafften Wirkstoffe wurden kaum eingesetzt. Grund dafür dürften die schwierigen Voraussetzungen sein: Die künstlichen Antikörper müssen als Infusion in Krankenhäusern verabreicht werden. Sie sind nur dann hilfreich, wenn sie gegeben werden, bevor sich das Virus in einem Patienten stark vermehrt hat, also noch bevor deutliche Symptome auftreten. Hier haben Paxlovid und Molnupiravir/Lagevrio durch ihre Tablettenform einen entscheidenden Vorteil. Sie können den Patienten einfach mit nach Hause gegeben werden.

An der Hallenser Uniklinik, wo die Forscher im Austausch mit den Herstellerfirmen stehen, geht man davon aus, dass Paxlovid im zweiten Quartal 2022 verfügbar sein könnte, also frühestens ab April oder Mai nächsten Jahres. Bei Molnupiravir/Lagevrio sei es dagegen noch unklar. Nur eines ist damit ganz sicher: Bei der Bewältigung der vierten Welle werden beide Medikamente nicht helfen. Aus dieser Misere helfen jetzt nur Kontaktreduzierungen, Impfungen und Auffrischungen heraus.

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