Globale Fälle mit COVID-19, visualisiert am Center for Systems Science and Engineering CSSE der Johns Hopkins Universität
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Covid-19 Corona: Nicht überall starben in der Pandemie mehr Menschen

04. August 2021, 15:04 Uhr

Forscher aus Deutschland und Israel haben erstmals global die Sterbedaten der Corona-Pandemie ausgewertet. Die für 103 Länder verfügbaren Daten ergeben ein sehr differenziertes Bild der Auswirkungen von Covid-19 – unabhängig von der Corona-Teststrategie und -kapazität, den gemeldeten Infektionszahlen oder auch der Berichtspolitik der Länder.

  • Die Übersterblichkeit in Deutschland lag unter der der europäischen Nachbarländer, ausgenommen Dänemark.
  • In Australien und Neuseeland starben weniger Menschen als in vergleichbaren Zeiträumen vor der Pandemie.
  • Die AHA-Regeln haben viele Menschenleben gerettet.
  • Nicht alle Länder haben genaue Daten angegeben.

Wie tödlich waren die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie in der Welt? Auf diese Frage haben Forscher der der Universität Tübingen und der Hebräischen Universität Jerusalem erstmals eine Antwort gefunden, unabhängig von offiziell gemeldeten Corona-Zahlen. Dafür haben sie die aktuell größte Sammlung weltweiter Sterbedaten für 103 Länder in vergleichbarer Form in einer im Fachmagazin "eLife" erschienenen Studie aufbereitet. Das Ergebnis der Untersuchungen zeigt zum einen, dass die Pandemie weltweit gewütet hat – und es noch tut –, aber die Auswirkungen von Land zu Land sehr unterschiedlich sein können.

"Uns hat interessiert, ob eine Übersterblichkeit durch die Pandemie zu verzeichnen war, und wenn ja, in welchem Umfang – und ob die Zahlen über die Länder hinweg vergleichbar waren", erklärt Ariel Karlinsky, einer der Studienautoren. Die Analysen ergaben, dass in einigen der Länder, die am schlimmsten von Covid-19 betroffen waren – vor allem Peru, Ekuador, Bolivien und Mexiko – die Übersterblichkeit bei mehr als 50 Prozent der zu erwartenden jährlichen Sterblichkeitsrate lag. In Europa hatten besonders östliche Staaten wie Bulgarien, Serbien und Tschechien hohe Zahlen an Corona-Toten.

Daten können bei weiteren Studien helfen

Während die Todeszahlen in einigen lateinamerikanischen Ländern in der Pandemie um mehr als die Hälfte stiegen, starben in Australien und Neuseeland sogar weniger Menschen als in vergleichbaren Zeiträumen vor der Pandemie. In Deutschland blieb die Übersterblichkeitsrate – die Zahl der Toten über die zu erwartende Sterblichkeitsrate hinaus – unter der der europäischen Nachbarländer: bei 40.000. "Das sind viel weniger als die 90.000 offiziell gemeldeten Toten durch COVID-19", erläutert der zweite Studienautor Dr. Dmitry Kobak. In Nachbarländern wie den Niederlanden, Frankreich oder der Schweiz war die Übersterblichkeit teils mehr als doppelt so hoch. Wahrscheinlich ist ein Grund dafür, dass die Sterbezahlen bei anderen Atemwegserkrankungen durch die Corona-Schutzmaßnahmen gesunken sind – die AHA-Regeln haben also viele Leben gerettet.

Warum sich die Übersterblichkeitszahlen in benachbarten Ländern teilweise so deutlich unterscheiden, müssten dagegen noch weitere Studien klären. Diese könnten dann auch auf dem umfassenden Datensatz des internationalen Forscherteams aufbauen, wie Dr. Kobak betont: "Insgesamt erhalten wir durch unsere Ergebnisse ein umfassendes Bild der Folgen der Covid-19-Pandemie. Unser Datenbestand soll auch anderen Forschern helfen, ihre Fragen zur Pandemie zu beantworten." Eventuell können diese noch weitere Daten nutzen, denn einige Länder hätten laut den Studienautoren keine Daten geliefert und andere – darunter Nicaragua, Weißrussland, Ägypten und Usbekistan – nur weniger als ein Zehntel der tatsächlichen Pandemietoten gemeldet.

Übersterblichkeitszahlen ausgewählter Länder
Land offiziell gemeldete Corona-Tote absolute Übersterblichkeit zusätzliche Tote pro 100.000 Einwohner Daten vorhanden bis zum
Deutschland 90.000 39.000 50 20. Juni 2021
Frankreich 110.000 72.000 110 13. Juni 2021
Österreich 10.0000 9.800 110 12. Juni 2021
Schweiz 10.000 8.600 100 06. Juni 2021
Schweden 15.000 8.900 90 06. Juni 2021
Großbritannien 130.000 110.000 160 13. Juni 2021
USA 590.000 640.000 190 13. Juni 2021
Russland 110.000 500.000 340 30. April 2021
Australien 910 -3.700 -10 28. März 2021
Neuseeland 30 -1.900 -40 06. Juni 2021
Peru 190.000 190.000 590 27. Juni 2021
Bulgarien 18.000 32.000 460 20. Juni 2021
Serbien 6.900 28.000 400 31. Mai 2021
Nordmazedonien 4.900 8.600 420 30. April 2021

gp/cdi

4 Kommentare

MDR-Team am 06.08.2021

@wo geht es hin
Sie sollten dann aber bei Destatis genau lesen: "Derzeit prägen zwei gegenläufige Einflussfaktoren die grundsätzliche Entwicklung der Sterbefallzahlen in Deutschland: Durch die demografische Alterung der Bevölkerung steigt der Anteil älterer Menschen von Jahr zu Jahr, wodurch – isoliert betrachtet – von Jahr zu Jahr auch mit mehr Sterbefällen zu rechnen ist. Allerdings gibt es auch einen Trend hin zu einer steigenden Lebenserwartung, der durch sinkende Sterbewahrscheinlichkeiten – ebenfalls isoliert betrachtet – einen dämpfenden Effekt auf die Entwicklung der Sterbefallzahlen hat. Je nachdem, ob man Sterberaten oder Sterbefallzahlen der Vorjahre als Vergleichswert heranzieht, wirken sich diese Effekte unterschiedlich aus. (...) Von 2010 bis 2019 sind die Sterbefallzahlen bei gleichzeitigem Wirken dieser Effekte um durchschnittlich 1% von Jahr zu Jahr angestiegen.
LG, das MDR-Wissen-Team

MDR-Team am 06.08.2021

Hallo @Felix,
die Studie arbeitet mit Daten, die von 2015 bis Mitte Juni erhoben wurden. Daraus haben die Forschenden unter Berücksichtigung linearer Trends und saisonaler Schwankungen eine Basissterblichkeit für jedes Land für das Jahr 2020 ermittelt. Die Übersterblichkeit haben sie aus der Differenz zwischen der tatsächlichen Gesamtmortalität von 2020-2021 und der Basissterblichkeit errechnet. Für jedes Land wurde die gesamte Übersterblichkeit ab Beginn der Pandemie ermittelt. Betrachtet man die absoluten Zahlen, wurde die höchste Übersterblichkeit in den USA verzeichnet. Die Rohzahlen der überzähligen Todesfälle können aber stark durch die Bevölkerungszahl der Länder beeinflusst werden. Deshalb haben die Forschenden die Übersterblichkeit pro 100.000 Einwohner betrachtet. Dem zufolge wurde die höchste Übersterblichkeit in Peru beobachtet. In der Tabelle im Artikel können sie sowohl die absoluten als auch die relativen Zahlen für ausgewählte Länder nachlesen. LG vom MDR Wissen Team

Felix am 04.08.2021

@MDR: Haben Sie die Zahlen selbst überprüft? Worauf bezieht sich die Übersterblichkeit? Auf 2019? Oder auf welchen Zeitraum/Mittelwert? Und sind das relative oder absolute Zahlen? Wurde also die Bevölkerungsveränderung berücksichtigt oder nicht?

Ich komme bei meiner Auswertung für Deutschland auf andere Werte. Relativ (also unter Einbeziehung der Bevölkerungsveränderung) sind bezogen auf 2019 etwas mehr Menschen gestorben (aber weniger als die angegebenen 39.000). Wenn man allerdings den Mittelwert der Jahre 2016-2019 nimmt, dann gibt es überhaupt keine Übersterblichkeit. Zu beachten ist, dass 2019 so wenig Menschen gestorben sind wie sehr lange nicht (weiß nicht, in welchem Jahr ähnlich wenig Menschen gestorben sind). Somit dient 2019 nicht zum Vergleich.