Covid-19 Mehr Impfdurchbrüche bedeuten nicht automatisch weniger Impfschutz

08. November 2021, 15:55 Uhr

Ein steigender Anteil von vollständig geimpften Covid-19-Patienten im Krankenhaus oder auf der Intensivstation ist zum Teil mit Wahrscheinlichkeitsrechnung zu erklären.

Mehr als 140.000 Impfdurchbrüche, seit es vollständig geimpfte Personen in Deutschland gibt (Stand 4. November 2021): Als absolute Zahl klingt das viel. In Relation gesehen ist es aber schon weniger, insbesondere mit Blick auf die schweren Verläufe.

Dass die Zahlen von Woche zu Woche steigen, liegt mathematisch auf der Hand. Von Beginn an war klar, dass Impfungen nicht zu 100 Prozent schützen. Insofern ist es pure Logik bzw. Wahrscheinlichkeitsrechnung, dass mit zunehmender Anzahl von Geimpften auch die Impfdurchbrüche zunehmen.

Was Impfdurchbrüche sind und wie sie definiert werden, haben wir in diesem Artikel erklärt, dessen Fazit aus statistischer Sicht lautete: Impfen schützt sehr gut vor schweren Covid-Verläufen.

An diesem Fazit ändert sich auch heute nichts. Aber in den Kommentaren zum gerade verlinkten Artikel wurde der Wunsch laut, nicht nur die Gesamtzahlen seit Anfang Februar unter die Lupe zu nehmen, sondern auch aktuellere, kürzere Zeiträume zu beleuchten. Dieser Wunsch wird hiermit erfüllt.

Grundlage die Zahlen des Robert Koch-Instituts. Darin werden nur ans RKI gemeldete symptomatische Fälle gezählt, bei denen der Impfstatus (vollständig geimpft oder nicht) ausdrücklich übermittelt wurde. Das sind innerhalb der ans RKI gemeldeten symptomatischen Fälle aber die mit Abstand meisten. Die absoluten Fallzahlen in dieser Gruppe erscheinen zudem groß genug, um mindestens von einer guten Stichprobenmenge auszugehen, deren prozentuale Werte man dann wohl auch auf die Gesamtheit aller Fälle hochrechnen kann.

Anteil der Impfdurchbrüche im höheren Alter größer

Das Diagramm, das wie alle in diesem Artikel regelmäßig aktualisiert wird, zeigt für die zurückliegenden vier Wochen den Anteil der Impfdurchbrüche in allen "Krankheitsstadien" (Symptome, Hospitalisierung, Intensivstation, Tod) - und wenn Sie die Schaltfläche "Impfstatus" bedienen, auch als eine Art Gegenprobe den Anteil der nicht vollständig Geimpften.

Es ist deutlich erkennbar, dass der Anteil der Impfdurchbrüche bei den Über-60-Jährigen größer war als in den anderen Altersgruppen. Am größten ist er bei den symptomatischen Fällen mit 60,5 Prozent (Datenstand 4. November).
Aus diesen 60,5,0 Prozent zu schlussfolgern, es sei egal, ob man geimpft ist oder nicht, ist aber falsch. Denn die Impfquote bei den Ü-60ern liegt bei deutlich mehr als 80 Prozent.

Dazu ein vereinfachtes Rechenbeispiel mit einer Impfquote von 80% und auch ansonsten einfachen runden Zahlen: Nehmen wir an, es gibt nur 100 Ü-60er in Deutschland. Dann sind 80 geimpft und 20 ungeimpft. Wenn aus jeder Gruppe gleich viele symptomatisch erkrankt sind (beispielsweise zehn), dann spricht das nicht für eine gleiche Verteilung, sondern es sind 50 Prozent der Ungeimpften krank (zehn von 20), aber nur 12,5 Prozent der Geimpften (zehn von 80). Das spricht also für den Impfschutz.

Man kann es auch andersherum formulieren: Wenn Impfen egal wäre, dann müssten bei einer Impfquote von 80 Prozent unter den symptomatisch Erkrankten 80 Prozent Geimpfte sein.

Mit der Impfquote sind auch die grundsätzlichen Abstufungen zwischen den Altersgruppen zu erklären. Je mehr Geimpfte eine Altersgruppe hat, umso wahrscheinlicher wird, dass Geimpfte dieser Gruppe erkranken. Und die Impfquoten unterscheiden sich in den Altersgruppen erheblich. Sie sehen die Quoten oben im Diagramm, wenn Sie auf die verschiedenen Balken klicken.

Wohl nachlassender Impfschutz

Trotzdem kann man die Zahl der Impfdurchbrüche, gerade in der Ü-60-Gruppe, natürlich als hoch empfinden - und fragen, woran das liegt. Allgemeingültige Antworten darauf können wir nicht geben. Aber ein mit zunehmendem Alter schwächer werdendes Immunsystem und die länger zurückliegende Impfung (die Älteren wurden zuerst geimpft) sind sicherlich mögliche Gründe.
Letzteres erscheint gerade dann plausibel, wenn man sich das nächste Diagramm anschaut. Darin unterscheiden wir die Anzahl der Krankheitsfälle nach dem Impfstatus der Über-60-Jährigen. Oben können Sie wählen, für welchen Zeitraum die Daten angezeigt werden sollen.

Wenn Sie zwischen den zwei wählbaren Zeiträumen hin- und herschalten, fällt auf, dass der Anteil von Impfdurchbrüchen aktuell deutlich größer ist als im gesamten Zeitraum seit Februar (in den die aktuellen Zahlen ja trotzdem auch einfließen). Das dürfte wohl auch mit einem mittlerweile nachlassenden Impfschutz zu erklären sein.

Auffrischungsimpfungen

Zwar gibt es seit einer Weile Auffrischungsimpfungen (auch dritte Impfung oder Booster-Impfung genannt), aber bei weitem nicht so viele, wie es vor einem halben Jahr Zweitimpfungen gab. Das heißt: Die große Mehrheit der damals Geimpften könnte inzwischen nicht mehr so gut geschützt sein, wenn man unterstellt, dass der Schutz der vollständigen Impfung nach einem halben Jahr nachlässt.

Alle aktuellen Impfdurchbruch-Daten

Zum Schluss möchten wir Ihnen noch ein veranschaulichendes Diagramm anbieten, das wirklich alle Impfdurchbruch-Zahlen aus dem aktuellen RKI-Wochenbericht (den Sie als PDF-Datei immer hier herunterladen können) in sich vereint. Auch dieses Diagramm aktualisieren wir wöchentlich.

Darin zu finden sind wieder die vier verschiedenen Krankheitsstadien (Symptome, Hospitalisierung, Intensivstation, Tod), die unterschiedlichen Altersgruppen (12-17, 18-59, über 60, insgesamt) und die zwei jeweils veröffentlichten Zeiträume (vergangene vier Kalenderwochen bzw. alle Wochen seit 1. Februar 2021). Außerdem vermerken wir auch immer die Impfquote der angezeigten Altersgruppe zum Ende des Erfassungszeitraums.

Über die Schaltflächen oben können Sie selbst entscheiden, welche Daten Sie sich anzeigen lassen.

Weiterhin ist deutlich zu sehen, dass Impfungen sehr gut vor schweren Verläufen der Krankheit und vor dem Tod schützen. Beispielsweise gab es in den zurückliegenden vier Wochen 46 Covid-Tote zwischen 18 und 59 Jahren, aber nur sechs davon waren vollständig geimpft. Bei einer höheren Impfquote in dieser Altersgruppe wären es aus statistischer Sicht also mit Sicherheit weniger Tote als 46 gewesen.

Durch einen Vergleich des Anteils vollständig Geimpfter unter Covid-19-Fällen mit dem Anteil vollständig Geimpfter in der Bevölkerung ist es möglich, die Wirksamkeit der Impfung grob abzuschätzen. Das RKI tut das in jedem Wochenbericht. In der Ausgabe vom 4.11.2021 lautet die aktuell geschätzte Impfeffektivität für die vier vorhergehenden Wochen:

Schutz vor Hospitalisierung:
ca. 89% (18-59 Jahre)
bzw. ca. 85% (≥60 Jahre)
Schutz vor Behandlung auf Intensivstation:
ca. 94% (18-59 Jahre)
bzw. ca. 90% (≥60 Jahre)
Schutz vor Tod:
ca. 92% (18-59 Jahre)
bzw. ca. 86% (≥60 Jahre)

RKI-Wochenbericht vom 23.9.2021

Auch gut, aber in etwas geringerem Maße, schützen Impfungen vor symptomatischen Erkrankungen.
Zu vermuten wäre nun, dass sie vor asymptomatischen (aber vielleicht ansteckenden) Infektionen ebenfalls etwas weniger gut schützen, wozu es aber leider keine Zahlen gibt. Auf jeden Fall birgt das viel Diskussionsstoff bei der Frage, ob es richtig ist, dass Geimpfte sich nicht testen lassen müssen, wenn sie 2G- oder 3G-Veranstaltungen besuchen. Darüber kann man aus wissenschaftlicher und vor allem aus politischer Sicht trefflich streiten.

Wir haben im März 2024 einen Textabsatz dieses Artikels etwas detaillierter formuliert, um Missverständnisse auszuschließen, nämlich:

"Grundlage für unsere Diagramme sind die Zahlen des Robert Koch-Instituts. Darin werden nur ans RKI gemeldete symptomatische Fälle gezählt, bei denen der Impfstatus (vollständig geimpft oder nicht) ausdrücklich übermittelt wurde. Das sind innerhalb der ans RKI gemeldeten symptomatischen Fälle aber die mit Abstand meisten. Die absoluten Fallzahlen in dieser Gruppe erscheinen zudem groß genug, um mindestens von einer guten Stichprobenmenge auszugehen, deren prozentuale Werte man dann wohl auch auf die Gesamtheit aller Fälle hochrechnen kann."

(rr)

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