Forschen im (ewigen) Eis Dresdner Forscher erreichen mit der Polarstern die Antarktis
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20. Februar 2024, 10:50 Uhr
Ein Forschungsteam der TU Dresden befindet sich auf Exkursion in die Antarktis. Es will das Zusammenspiel von Eisschild, Atmosphäre, fester Erde und Ozean besser verstehen lernen. Dafür werden sie auch ein Feldlager auf dem weißen Kontinent beziehen.
Fünf Geowissenschaftler der Technischen Universität Dresden befinden sich auf dem deutschen Forschungsschiff Polarstern. Das Schiff war am 6. Februar 2024 von Hobart im Südosten Australiens in See gestochen und ist auf dem Weg in die Antarktis. Das Gebiet des Antarktisvertrags – also 60° südlicher Breite – sollte die Polarstern bereits am 15. Februar 2024 (Donnerstag) erreicht haben. Die Ankunft an dem Arbeitsgebiet der Polargruppe ist für das Wochenende geplant.
Bei der Forschungsfahrt PS141 geht es um das Zusammenspiel von Eisschild, Atmosphäre, fester Erde und Ozean. Das Forschungsteam will die Mechanismen erforschen, durch die die Genese – also die Entstehung oder Entwicklung – des Eisschilds beeinflusst wird. Diese Mechanismen könnten nämlich zu Instabilitäten führen, erklärt Mirko Scheinert in einer Pressemitteilung der TU Dresden.
Doch was bedeutet das genau? MDR WISSEN hat bei dem Polarforscher nachgefragt. "Beispielsweise kann ein verstärkter Wärmetransport im Südozean hin zu den Randbereichen der Antarktis mit den in den Ozean hineinreichenden Gletschern und den Eisschelfen zu einem verstärkten subglazialen Abschmelzen (als von der Eisunterseite her) führen", schreibt Scheinert in einer E-Mail.
Der Zustand des Polareises hat Einfluss auf den Meeresspiegel
Beim Abschmelzen kommt es zu einem Massenverlust. Umgekehrt gilt aber auch: Wenn das Wasser in Form von Schnee und Eis gebunden wird, kommt es zu einem Massenzuwachs. Beides "ist unmittelbar mit einer Änderung des Meeresspiegels verbunden, die regional aber anders aussieht als im globalen Mittel."
Dennoch sind die Eismassen der Antarktis weiterhin kalt. Wie kommt es dann zur Abschmelze? Ein Großteil des Massenverlusts geschieht durch den Übergang vom aufliegenden zum schwimmenden Eis.
Hier muss man zwischen dem Eisschild und Eisschelfen unterscheiden, erklärt Scheinert: "Der Eisschild ist aufliegendes Eis (selbst wenn die Untergrundtopografie unterhalb des Meeresspiegels liegt), bei Eisschelfen dagegen handelt es sich um schwimmendes Eis." Für die Massenbilanz des Eisschilds sind die Eisschelfe irrelevant.
Feldforschung auf dem weißen Eis – Feldlager am erloschenen Vulkan
Anhand von modernen Messungen soll die Entwicklung des Klimas und des Eisschilds in der Ostantarktis rekonstruiert werden. Und das unter anderem bei einer Exkursion an Land.
Je nach Wetterlage und Arbeitsablauf, wird das Team zwischen dem 18. und 20. Februar ein etwa zehnwöchiges Feldlager am erloschenen Vulkan Gaußberg beziehen. Dieser befindet sich an der Küste des Südpolarmeeres im Kaiser-Wilhelm-II.-Land und ist vor etwa 56.000 Jahren unter dem antarktischen Eis ausgebrochen. Wie genau der Vulkan entstanden ist, ist ein Rätsel. Entdeckt wurde der Gaußberg im März 1902 von der ersten deutschen Südpolarexpedition unter der Leitung von Erich von Drygalski.
Liegt heute mehr Eis auf dem Vulkan?
"Von Drygalski nutzte damals klassische geodätische Messverfahren (Triangulation, trigonometrisches Nivellement)", so Scheinert. Die Polargruppe aus Mitteldeutschland will diese Region erneut vermessen – diesmal mit einem modernen geodätischen Verfahren und dem Einsatz von globalen Navigationssatelliten-Systemen (GNSS).
Mit GNSS lassen sich die Bewegungen der Erdkruste hochpräzise erfassen. Bereits in der Vergangenheit hatten diese Bewegungen nämlich zu Veränderungen der Eismassen geführt. Mit dem Vergleich der Daten kann die Forschungsgruppe zeigen, "ob und in welchem Maß sich die Höhe des Inlandeises am Gaußberg über diese Zeitspanne von 120 Jahren geändert hat."
Um die Hebung und Senkung (Vertikalkomponente) präzise zu bestimmen, braucht es aber mehr Messpunkte. Erst dann können Rückschlüsse auf vergangene und gegenwärtige Eismassenänderungen gezogen werden.
Fotogrammetrie: Forscher nutzen Drohnen zur Vermessung
Und tatsächlich möchte die Gruppe einen neuen, dauerhaften Messpunkt, also eine neue GNSS-Permanentstation errichten. "Die bisher existierenden Messpunkte sind über den Küstenabschnitt Ostantarktikas mit einer Ausdehnung von etwa 2.000 Kilometer sehr spärlich verteilt. Der nächstgelegene Messpunkt liegt in einer Entfernung von mehr als 150 Kilometern", erklärt der Polarforscher aus Dresden. Neben der Deformation der Erdkruste kann damit auch der innere Aufbau der Erde im Bereich der Ostantarktis untersucht werde.
Doch das ist noch nicht alles: Mit Drohnen wird die Fotogrammetrie ermöglicht – ein berührungsloses Verfahren zur Bildmessung und Auswertung der Fotografie. Mit diesem Verfahren lassen sich die Lage und Form von abgelichteten Objekten indirekt bestimmen und mithilfe einer Bildinterpretation beschreiben. Außerdem wird die Polargruppe geologische Proben von der Region entnehmen und diese untersuchen.
Der deutsche Forschergeist am Polarkreis
Wenn es um die Erforschung der Antarktis und Arktis geht, scheint der deutsche Forschergeist geweckt zu sein. Das hat vermutlich mehrere Gründe. Scheinert sieht etwa Deutschland in der Verpflichtung, "als reiche, industriell hoch entwickelte Nation, Forschung zum Wohle der Allgemeinheit zu ermöglichen" – besonders in Zeiten des Klimawandels.
"Die Antarktis spielt im Klimasystem eine zentrale Rolle, wir tun gut daran, zu verstehen, was da passiert und unser Verhalten anzupassen. Schließlich ist die Antarktis mit dem Antarktisvertrag der einzige Kontinent, wo nach wie vor friedliche Kooperation über politische und nationale Grenzen hinweg gelebt wird", findet der Polarforscher.
Scheinert und seine Kollegen sind ein Teil davon. Innerhalb der nächsten Wochen werden sie Daten über den weißen Kontinent sammeln und in die Fußstapfen von Erich von Drygalski und anderen Polarforschern treten. Die Forschungsfahrt PS141 der Polarstern wird schließlich am 14. April 2024 in Walvis Bay (Namibia) enden.
geradeaus vor 42 Wochen
Ich wünsche dem Forschungsgemeinschaft der TU Dresden viel Erfolg und auch viel Spaß. Das Privileg zu haben auf diesem riesigen Schiff in dieser fantastischen Umgebung dem nachgehen zu dürfen was man gerne macht, nämlich zu forschen, ist wunderbar.
Ich bin mir sicher dass das fünfköpfige Team samt der ganzen Besatzung der Polarstern einen exzellenten Job machen wird. Auch die ganzen Eindrücke die sie sammeln werden. Auf diesem Teil der Erde zu sein den nur die allerwenigsten zu Gesicht bekommen ist ein Privileg. Ich bin richtig neidisch ^^.
Leider geht das in der Bevölkerung etwas unter und sie bekommen nicht den Respekt den sie wirklich verdienen. Dennoch, also ich hin schon gespannt auf die nächsten Artikel darüber und vor allem die Bilder, sofern es sie den gibt ^^
Schöner Artikel