Künstliche Intelligenz Chat-GPT: Der Dosenöffner für die KI-Revolution wird ein Jahr alt

30. November 2023, 16:11 Uhr

Bis vor einem Jahr war Künstliche Intelligenz ein schwer zu erklärender Forschungszweig. Dann kam Chat-GPT, seitdem können alle mitreden. Chat-GPT ist aber erst Version 0.1 der KI-Revolution, sagt ein Dresdner Forscher.

Versetzen wir uns in Gedanken ein Jahr zurück. Ende 2022 haben wir schon von Künstlicher Intelligenz gehört, klar. Sicher forschen da viele dran. Am autonomen Fahren zum Beispiel. Das wird bestimmt das nächste große Ding. Aber es dürfte noch lange hin sein. KI - was hat das schon mit mir zu tun ...

Und dann bäm! ChatGPT! Am 30. November 2022 kommt der KI-Chat-Bot auf den Markt. Oder was heißt schon "auf den Markt", er ist ja für alle frei verfügbar, schnell auch auf Deutsch. Millionen Zugriffe an jedem Tag. Alle reden davon. Nicht mal die Entwickler von OpenAI hatten mit so einem Ansturm gerechnet. Eine KI-Revolution. Oder doch nicht? Oder wie? Oder was?

Was ChatGPT ist (zum Beispiel Hausaufgabenhilfe, Ideengeber oder Datenanalyst) und was er nicht ist (zum Beispiel ein Rechengenie oder vertrauenswürdig), wurde seither ausgiebig getestet, bei uns, anderswo im Internet und in Millionen Haushalten. Eines aber ist ChatGPT ganz schnell geworden, ein Dosenöffner. Und die geöffnete Dose ist die Welt der KI.

Jetzt braucht man nur noch zu sagen "so wie ChatGPT".

Prof. Dr. Wolfgang E. Nagel, Direktor Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen (ZIH), TU Dresden

KI-Forschung wird natürlich schon seit vielen Jahren betrieben, sagt Wolfgang Nagel, Direktor des Zentrums für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen (ZIH) an der TU Dresden. "Aber die Forscher konnten es nicht erklären. Jetzt braucht man nur noch zu sagen 'so wie ChatGPT', und alle wissen ungefähr, was gemeint ist." ChatGPT habe das Thema KI an jeden Abendbrottisch gebracht, sagt Nagel. Schüler, Eltern - alle können mitreden, weil sie die Interaktion mit KI selbst ausprobieren können.

ChatGPT ist erst Version 0.1 der KI-Revolution. Bis Version 1.0 ist es noch ein weiter Weg.

Von einer KI-Revolution, die da seit einem Jahr läuft, will Wolfgang Nagel noch nicht sprechen, zumindest nicht von einer fertigen. ChatGPT sei aber ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin. Der Professor für Rechnerarchitektur vergleicht es mit Software-Entwicklungsstufen. ChatGPT sei Version 0.1 der KI-Revolution, also das ganz frühe Entwicklungsstadium. Bis Version 1.0 sei es noch ein weiter Weg. Durch die vielen Weiterentwicklungen im KI-Sektor seit Einführung von ChatGPT sind wir laut Nagel "jetzt vielleicht schon bei Version 0.25 oder 0.3, aber das Tempo lässt sich nicht linear fortsetzen, denn die Entwicklungsschritte dauern unterschiedlich lang."

Nagel selbst ist Teil dieser Entwicklung. Er ist Professor für Rechnerarchitektur, sein Forschungsschwerpunkt sind Hochleistungsrechner. Und die braucht man dringend, wenn man neuronale Netze anlernen will, denn die Netze müssen groß und vollständig sein, um später gute Antworten geben zu können. "Ich helfe den KI-Forschern, an Antworten zu kommen", sagt er, "durch die Bereitstellung von Rechenkapazitäten mit innovativen Methoden." Eine der wichtigsten Aufgaben dabei sei es, bei solchen Hochleistungsrechnern mit möglichst wenig Energie auszukommen. Alles müsse so effizient wie möglich sein. "Sonst", so Nagel, "bekommen wir ein Akzeptanzproblem, mit Recht."

Wolfgang Nagel steht inmitten von Speichersystemen des Hochleistungsrechners CARA
Wolfgang Nagel steht inmitten von Speichersystemen eines Hochleistungsrechners, in diesem Fall eines Rechners, der von Dresden aus für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) arbeitet. Bildrechte: picture alliance/dpa/Robert Michael

Nächste Aufgabe: Die erklärbare KI

Ein anderes Akzeptanzproblem hat die KI, genauer gesagt ChatGPT schon jetzt: Man kann ihm nicht rückhaltlos vertrauen. Er halluziniert, erfindet also unwahre Dinge, oder liegt in manchen Fragen einfach falsch. Problem dabei: Einmal angelernt, ist so ein KI-Chatbot bislang wie eine Blackbox, in die man nicht mehr hineinsehen und also nicht ergründen kann, warum das Falsche erzählt wird.

Forscher weltweit, sagt Wolfgang Nagel, haben deshalb das Ziel einer "explainable AI", also einer erklärbaren KI, "um erklärbar zu machen, wie sie arbeitet und warum sie zu welchem Ergebnis kommt." Aus Nagels Sicht ist das die derzeit dringlichste Aufgabe, und es wäre gleichzeitig der nächste Entwicklungsschritt hin zur Version 1.0 der KI-Revolution.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 28. November 2023 | 16:30 Uhr

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