Klimawandel Klimaforscher Rahmstorf: Inzwischen ständig extreme Hitze über 10 Prozent der Landflächen
Hauptinhalt
18. Juli 2023, 08:38 Uhr
Temperaturrekorde am Mittelmeer, in den USA und in China sogar 52,2 Grad Celsius: Der aktuellen extremen Hitze gingen Höchsttemperaturen in den Ozeanen voraus. Klimaforscher Stefan Rahmstorf erklärt die Hintergründe.
Auf der Nordhalbkugel werden aktuell neue Rekordtemperaturen gemessen. Vergangene Woche zeigten Daten vom europäischen Umweltsatellit Copernicus Sentinel-3 Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius an den Osthängen des Vulkans Ätna auf Sizilien. Damit erfüllt sich eine Vorhersage von Wissenschaftlern. Die hatten bereits Anfang Juni gewarnt: Die Meere sind so warm wie nie. Damit seien extreme Hitzewellen an Land nur eine Frage der Zeit.
Aktuell steigen diese Werte weiter: Das Mittelmeer misst an der Oberfläche zwischen 25 und 28 Grad. In Florida wurden bereits 32 Grad Wassertemperatur gemessen. Im ganzen Juni lag die Durchschnittstemperatur im Nordatlantik 1,36 Grad Celsius über dem Durchschnitt. Was dieser Wert bedeutet, erklärt der Ozeanograf und Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Frage: 1,36 Grad Celsius über dem Durchschnitt im Nordatlantik klingt jetzt nicht nach einem großen Unterschied. Ist diese Temperatur aus Ihrer Sicht bedenklich?
Stefan Rahmstorf: Das ist schon eine erstaunliche marine Hitzewelle. Die Ozeane fangen etwas mehr als 90 Prozent Wärme auf, die durch die Treibhausgase entsteht, die wir in die Atmosphäre entlassen haben. Daher erwärmen sich die Meere seit 50 Jahren kontinuierlich. Immer wieder werden Rekorde gebrochen.
Frage: Wie ist das mit der Ostsee? Man hört immer wieder, sie wäre zu warm. Andererseits luden die Temperaturen im Juni nicht zum Baden ein.
Rahmstorf: Die Ostsee ist eigentlich ein kühles Meer, einen Großteil des Jahres sogar sehr kalt. Die Feriensaison dort war bisher eher kurz. Ich glaube aber, dass sich das verlagern wird. Das Mittelmeer könnte den Menschen einfach zu heiß werden, um dort im Sommer Urlaub zu machen.
Frage: Die Forschung spricht in Zusammenhang mit der Erwärmung der Ozeane immer von den Oberflächentemperaturen. Wie ist das definiert, wie tief reicht diese Oberfläche?
Rahmstorf: Da geht es um die obersten 10 bis 100 Meter. Gemeint ist eine bestimmte Wasserschicht, nämlich die, die durch die Sonne aufgeheizt und vom Wind durchmischt wird. Diese Schicht hat eine ziemlich konstante Temperatur. Darunter, in der Tiefsee, wird es immer kälter. Und ganz in der Tiefe sind die Ozeane dann nur noch ein bis zwei Grad warm.
Frage: Mal abgesehen davon, dass der Klimawandel eine Rolle bei dieser Aufheizung spielt, was sind die genauen Ursachen? Sind es die hohen Lufttemperaturen oder liegt es an den CO2-Emissionen, die die Ozeane direkt aufnehmen?
Rahmstorf: Natürlich spielt die globale Erwärmung eine zentrale Rolle im Hintergrund. Aktuell sehen wir aber einen besonderen Schub an Erwärmung. Die Ursache davon ist noch nicht ganz genau untersucht. Klar ist, im Pazifik haben wir ein neues El-Nino-Ereignis. Das ist eine natürliche Klimaschaukel, die alle paar Jahre auftritt und die zu einer warmen Oberfläche im tropischen Pazifik führt. Im Atlantik sehen wir besonders warme Stellen, vor allem im Osten und Norden und entlang der Subtropen auch weiter südlich. Diese Stellen sind dort, wo der Wind außergewöhnlich schwach war im vergangenen Monat. Und das macht auch durchaus Sinn: Wenn es weniger Wind gibt, ist diese durchmischte Schicht an der Ozeanoberfläche dünner und kann sich dadurch schneller aufheizen.
Frage: Und was bedeutet das alles für die Tiere und Pflanzen in den Meeren?
Rahmstorf: Das ist noch nicht genau abzusehen. Klar ist: es ist eine große Belastung für viele Lebewesen, denen es in diesen Gebieten zu warm wird. Oft sind solche Hitzewellen im Meer auch mit Sauerstoffarmut verbunden. Aber ich bin kein Meeresbiologe.
Frage: Wie beeinflussen die Temperaturen der See denn die an Land? In Griechenland etwa sind Temperaturen vorhergesagt von bis zu 43 Grad am kommenden Wochenende.
Rahmstorf: Eigentlich kühlen die Meere das Land ab, weil sie sich insgesamt weniger erwärmen als die Landoberfläche. Das Land hat sich in den vergangenen Jahrzehnten etwa doppelt so schnell erwärmt wie die Meeresoberfläche. Inzwischen haben wir ständig auf etwa zehn Prozent der Landfläche extreme Hitze. Das gilt derzeit nicht nur für das Mittelmeer, sondern auch für die USA, die unter einer großen Hitzeglocke stöhnen. Und in China wurde ein neuer, absoluter Hitzerekord erreicht: 52,2 Grad Celsius.
Frage: Die Aktivisten der letzten Generation, die sogenannten Klimakleber, haben also recht?
Rahmstorf: Ja! Ihre Forderungen sind vollkommen berechtigt. Die Politik versagt im Moment und erfüllt die Versprechungen des Pariser Klimaabkommens einfach nicht.
(MDR KULTUR/MDR WISSEN)
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 17. Juli 2023 | 08:10 Uhr
THOMAS H am 19.07.2023
"Tatsächlich geht es in dem Artikel um Höchsttemperaturen in den Ozeanen, weshalb Schneefall mitten in Südafrika damit keinen Zusammenhang hat."
Und wie MDR-Team, wird dies belegt, ohne das man, mit den verschiedensten Eingabebegriffen suchen muss.
Es hängt doch alles irgendwie miteinander zusammen.
MDR-Team am 19.07.2023
@Brigitte Schmidt
Tatsächlich geht es in dem Artikel um Höchsttemperaturen in den Ozeanen, weshalb Schneefall mitten in Südafrika damit keinen Zusammenhang hat. Natürlich ist es interessant, derartige Wetterphänomene zu betrachten, doch ist es auch wichtig, die dahinter stehenden Ursachen zu untersuchen.
LG, das MDR-Wissen-Team
Brigitte Schmidt am 19.07.2023
Und der Hinweis, daß es gerade in Südafrika seit 11 Jahren das erste Mal geschneit hat scheint wohl auch keinen "Zusammenhang mit dem Artikel" zu haben.
Dabei ist es doch interessant derartige Wetterphänomene zu betrachten und dabei alle Ausprägungen zu sehen und nicht nur die eine Richtung, oder?