Eine künstlerische Darstellung vom weißen Zwergpulsar AR Skorpii (r.) und seinem Begleiter, einem roten Zwergstern.
Eine künstlerische Darstellung vom weißen Zwergpulsar AR Skorpii (r.) und seinem Begleiter, einem roten Zwergstern. Bildrechte: M. Garlick/University of Warwick, ESO

Universum Weiße Zwerg-Pulsare: Neue Klasse von Sternen bestätigt

26. Juni 2023, 16:04 Uhr

Zwei Forschungsteams haben unabhängig von einander eine neue Sternenklasse bestätigt. Weiße Zwerg-Pulsare sind eine Mischung aus Neutronensternen und weißen Zwergsternen. Aber wie kann man sich das vorstellen?

Die Wissenschaft von den Sternen, die Astronomie, hat einen neuen Typ Stern entdeckt: weiße Zwergpulsare. Dabei handelt es sich um einen Zwischentyp zwischen sogenannten Weißen Zwergen und Pulsaren. Bei beiden handelt es sich um die Leichen früherer Sterne.

Bereits 2016 hatten Forschende einen Hinweis auf einen weißen Zwergpulsar gefunden. Aber erst das jetzt entdeckte zweite Exemplar – J1912-4410 – bestätigt, dass es diesen Typ von Sternenleiche gibt.

Pulsare: Extrem dichte Objekte mit starken Magnetfeldern

Die schon länger bekannten großen Pulsare sind Neutronensterne. Sie sind Überreste massereicher Sterne, denen der Brennstoff für die Kernfusion ausgegangen ist. Weil der durch die Fusionsenergie entstehende Druck nach außen weggefallen ist, sind sie auf einen Bruchteil ihres ursprünglichen Umfangs kollabiert. Mitunter haben sie nur noch zehn bis 20 Kilometer Durchmesser, zugleich aber die Masse vieler Sonnen.

Diese enorme Verdichtung für zu einer solchen Konzentration der Schwerkraft, dass die Protonen zur Verschmelzung mit den Elektronen gezwungen werden, bis der gesamte Reststern nur noch aus dicht gepackten Neutronen besteht.

Durch die Schrumpfung beschleunigt sich zudem die Rotation um die eigene Achse (ähnlich einer Pirouetten drehenden Eiskunstläuferin, deren Drehung sich beschleunigt, je enger sie ihre Arme und Beine zum Körper nimmt). Die hohe Rotationsgeschwindigkeit, kombiniert mit der hohen Dichte, lässt enorm starke Magnetfelder entstehen und sorgt dafür, dass elektromagnetische Strahlung pulsartig ausgesendet wird. Daher der Name: Pulsar.

Weiße Zwerge - weniger dicht und magnetsich

Etwas anderes sind weiße Zwerge. Dabei handelt es sich um die Überreste von Sternen, deren Masse das maximal 1,46-fache der Sonne beträgt. Hier ist die Schwerkraft nach dem Kollaps nicht groß genug, um die Elektronen zur Fusion mit den Protonen zu zwingen, weshalb diese Sternleichen ihr Volumen teilweise erhalten können. Weiße Zwerge haben oft den Umfange der Erde und sind zwischen 0,07 und 50 Sonnenmassen schwer.

Weiße Zwerge strahlen oft noch Resthitze ab, bis zu 100.000 Grad. Zum Vergleich: Die Sonne ist an ihrer Oberfläche nur 5.800 Grad Celsius heiß. Doch trotz dieser Temperaturen leuchten die Weißen Zwerge nur noch schwach. Allmählich geben sie die Wärme ab und erstarren irgendwann zu einem schwarzen Zwergstern, einem kalten Klumpen dichter Materie. 

Doppelsternsysteme liefern neuen Brennstoff und es kommt zur Nova

Befinden sich weiße Zwergsterne in einem engen Doppelsternsystem, ziehen sie mit ihrer Schwerkraft manchmal Masse vom Partnerstern ab. Sammelt sich diese Masse auf dem weißen Zwerg und wird dort durch die Schwerkraft stark zusammengepresst, entzündet sich ein neuer Fusionsprozess. Diese Novae-Explosion (lat. neuer Stern) lässt sie erneut für eine kurze Zeit leuchten. Dieser Vorgang kann sich mehrfach wiederholen. 

Eine solche Konstellation zeigt sich nun bei dem 2016 beschriebenen AR Scorpii. Er befindet sich im Sternbild Skorpion in einer Entfernung von 378,3 Lichtjahren. Das besondere: Weder die extrem schnelle Rotation noch die starken elektrischen Felder der eigentlichen Pulsare waren bei AR Scorpii vorhanden. Stattdessen befand sich der weiße Zwergstern in einem sehr engen Doppelsternsystem und wurde von seinem unmittelbaren Nachbarn gefüttert. Trotzdem zeigte er starke, pulsartige Signale, die die Forschenden an Pulsare denken ließ.

Warum verfügte der weiße Zwerg über so starke Magnetfelder?

Grund dafür ist möglicherweise das gemeinsame System: Der Nachbar, ein roter Zwergstern, liefert Teilchen in das Magnetfeld des sterbenden weißen Zwerges. Beide Sterne stehen so eng beieinander, dass sie sogar in unsere Sonne hineinpassen würden. Das Leuchtturmfeuer des weißen Zwergpulsars streift dabei in regelmäßigen Abständen den roten Zwergstern, wodurch es zu drastischen, aber regelmäßigen Helligkeitsschwankungen kommt. 

Bei dieser Entdeckung ist das Vorhandensein eines starken Magnetfeldes entscheidend. Wie dieses Feld entstanden ist, konnten die Astrophysikerinnen und Astrophysiker bisher nicht klären. Deshalb suchten sie nach einem zweiten, weißen Zwergpulsar, um weitere Anhaltspunkte zu bekommen. Mit dem jetzt entdeckten J1912-4410 ist ein solches Beispiel gefunden.

J1912-4410 besiegelt eine neue Klasse von Sternen

"Unsere Nachfolgekampagne mit anderen Teleskopen zeigte, dass dieses System etwa alle fünf Minuten ein Radio- und Röntgensignal in unsere Richtung sendete", erklärt das Forschungsteam in ihrer Studie. J1912-4410 dreht sich damit 300-mal schneller als unser Planet um seine eigene Achse. Zudem ist der weiße Zwergpulsar 773 Lichtjahre von der Erde entfernt. 

Zwar hat J1912-4410 die ungefähre Größe unserer Erde, seine Masse entspricht aber der unserer Sonne. Seine Temperatur unterschreitet 13.000 Grad Kelvin und ist dementsprechend kühl – was wiederum für ein hohes Alter spricht. 

Vergleich der Größen und effektiven Temperaturen von Planeten, Braunen Zwergen und Sternen. Dargestellt sind die Sonne, der rote Zwergstern Gliese 229A, der junge braune Zwerg Teide 1, der alte braune Zwerg Gliese 229B, der sehr kühle braune Zwerg WISE 1828+2650 und der Planet Jupiter
Vergleich der Größen und effektiven Temperaturen von Planeten, Braunen Zwergen und Sternen. Dargestellt sind die Sonne, der rote Zwergstern Gliese 229A, der junge braune Zwerg Teide 1, der alte braune Zwerg Gliese 229B, der sehr kühle braune Zwerg WISE 1828+2650 und der Planet Jupiter Bildrechte: Linda Huff, Nasa, MPIA, V. Joergens, Wikipedia

Weiße Zwergpulsare als neue Sternenklasse

"Der Ursprung von Magnetfeldern ist eine große offene Frage in vielen Bereichen der Astronomie, und das gilt besonders für Weiße Zwerge. Es können mehr als eine Million Mal stärker sein als das Magnetfeld der Sonne, und das Dynamomodell hilft zu erklären, warum", erklärt die Astrophysikerin Ingrid Pelisoli von der University of Warwick (Großbritannien). 

Das Dynamomodell ist die Schlüsseltheorie, die das starke Magnetfeld beschreiben kann. Sie besagt, dass Weiße Zwerge elektrische Generatoren (Dynamos) in ihrem Kern haben. Ähnlich wie beim flüssigen Kern der Erde sein Magnetfeld – nur viel stärker. Mit der Entdeckung eines zweiten weißen Zwergpulsars konnte das Forschungsteam diese These nun bestätigen.

Unabhängig von dieser Studie konnte auch ein Forschungsteam vom Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam das Objekt J1912-4410 als weißen Zwergpulsar – ähnlich wie AR Scorpii – identifizieren. Dafür nutzten sie Daten des Röntgen-Weltraumobservatoriums eROSITA. Beide Forschungsergebnisse deuten also darauf hin, dass es weiße Zwergpulsare gibt und das sich einige davon wohl auch in unserer Milchstraße verstecken. Und ganz nebenbei haben sie eine neue Klasse von Sternen bestätigt.

Kernfusion 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Kernfusion 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Links/Studien

0 Kommentare