Unser Immunsystem | Teil 2 Teil 2 | Warum wir ein Immunsystem haben

20. Oktober 2021, 10:37 Uhr

Unser Immunsystem wird mit Krankheitserregern wie Viren, Bakterien oder auch Pilzen fertig. Doch was genau ist unser Immunsystem und wie funktioniert es? Anhand wichtiger Kernfragen geht MDR WISSEN seiner Funktionsweise auf den Grund. Dabei ist zunächst einmal zu klären, warum wir überhaupt ein Immunsystem haben? Wie ist es entstanden? Was haben Ein- und Mehrzeller gemein und warum gibt es einen ständigen Wettlauf zwischen Parasiten und Wirten?

Computer Illustration zeigt Person mit Schild vor verschiedenen übergroßen Bazillen 3 min
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Zunächst ist das Immunsystem entstanden, um unsere "genetische Integrität" zu schützen. Heißt: Damit wir uns ungestört reproduzieren und fortpflanzen können. Und damit gibt es das Immunsystem auch schon seit Anbeginn der Zeit.

Immunsystem funktioniert auf Zellebene

Und weil sich die Lebewesen ursprünglich aus Einzellern entwickelt haben, funktioniert unser Immunsystem auch heute noch auf Zellebene, sagt Prof. Dr. Thomas Boehm, Direktor des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg im Breisgau: "Also die Einzelligkeit ist ja das Grundprinzip des Lebens. Und dann hat sich irgendwann einmal die Mehrzelligkeit entwickelt, die natürlich mit ein paar Zellen angefangen hat, bis es dann so komplexe Organismen gab, wie wir es sind."

Alles begann mit einer Zelle

Wimpertierchen Ciliophora veraltet Ciliata,  frisst eine Blaualge
Wimpertierchen Ciliophora frisst eine Blaualge: Das Leben auf der Erde begann mit Einzellern wie diesen. Bildrechte: IMAGO / blickwinkel

Die Abwehrmechanismen, so erklärt Boehm weiter, hätten sich natürlich mit der Zeit weiterentwickelt und auch entsprechend verändert. Doch alles habe mit einer einzelnen Zelle begonnen. Und diese Ursprungsfunktion sei auch heute noch vorhanden. Denn wenn uns ein Virus befällt, könne es gut sein, dass es ein einziges Virus ist, was eine Zelle infiziert. Das heißt, dann gelte die erste Attacke einer einzelnen Zelle. Und erst von dieser einzelnen Zelle verbreite sich das Virus in einem mehrzelligen Organismus immer weiter.

Entsprechend dieser Entwicklung von der Einzelligkeit zur Mehrzelligkeit entwickelte sich von der ersten Zellteilung an auch unser Immunsystem ständig weiter. Doch in seinem Kern funktioniert es bis heute immer noch auf Zellebene.

Auch Bakterien sind lernfähig

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Immer mehr Menschen entwickeln Allergien. Die Suche nach den Ursachen führt Mediziner zu den komplexen Lebensgemeinschafzen der Bakterien im menschlichen Darm.

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Nun könnte man meinen, je komplexer ein Organismus ist, desto komplizierter ist auch sein Abwehrsystem gegen Krankheitserreger. Doch das ist falsch! Bereits einzellige Bakterien haben ein lernfähiges Immunsystem, sagt Professor Boehm: "Die Bakterien sind außerordentlich raffiniert in der Art, wie sie ihr Immunsystem aufbauen. Die können sich nämlich erinnern, ob sie mit einem bestimmten genetischen Parasiten infiziert waren und können diesen dann bei folgenden Attacken sehr viel effizienter eliminieren."

Auch Viren passen sich ständig an

Bakterien haben also ein immunologisches Gedächtnis und sichern sich so ihr Überleben. Aber auch Viren passen sich ständig an. "Das Virus ist ja auch 'nicht auf den Kopf gefallen', sondern versucht, sich zu adaptieren, sodass das Wettrennen zwischen Parasit und Wirt unendlich weitergeht", erklärt Boehm.

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Dies sei das eigentliche Grundprinzip in der Entwicklung der Immunsysteme. "Wenn der Wirt durch eine raffinierte Veränderung seine Struktur oder seine Gene besser schützen kann, dann versucht der Parasit, sich darauf einzustellen und wieder eine bessere Infektionsmöglichkeit zu generieren." Und das gehe immer hin und her. Das sei ein unendlicher Wettlauf. Das heißt: "Organismen müssen sich eigentlich permanent anpassen, um zu verhindern, dass sie Opfer dieser Parasiten werden."

Ständiger Wettlauf gegen Viren und Keime

Wir rüsten also ständig auf oder genauer gesagt: Unser Organismus verändert sich ständig, passt sich an neue Entwicklungen an und versucht letztendlich zu gewinnen. Unser Immunsystem ist im Wettlauf gegen Viren und Keime jeglicher Art. Es ist ein bisschen wie beim Fahrraddiebstahl: Je besser die Fahrradschlösser, desto gewiefter die Diebe.

Corona-Maßnahmen befördern neue Virus-Varianten

Übrigens ist das auch der Grund, warum das Coronavirus immer ansteckendere Varianten entwickelt hat. Wegen der Immunisierung, der Masken, der Impfung und unserer Handhygiene muss das Virus Möglichkeiten finden, doch noch neue Wirte zu befallen. Da wird es eben ansteckender. Der Immunologe Thomas Boehm nickt und bekräftigt: "Das ist wie im Lehrbuch!"

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