MDR KLIMA-UPDATE | 21. Oktober 2022 Warum vor allem alte Bäume unsere Klima-Freunde sind

Ausgabe #61 vom Freitag, 21. Oktober 2022

21. Oktober 2022, 11:00 Uhr

Ein alter Baum ist mehr als nur ein Schattenspender. Warum so ein Baum, der oft hunderte oder sogar tausend Jahre erreichen kann, ein Klimaschützer ist, zeigt das MDR Klima-Update.

Hej.

Haben Sie schon mal die Jahresringe eines Baumes gezählt? Ich bin als Stadtkind nicht allzu oft im Wald, aber wenn ich es mal rausschaffe und einen abgesägten Baum sehe, dann zähle ich. 1, 2, 3, ... 28: Hier bin ich geboren. Ein paar Ringe weiter: Hier ist die Mauer gefallen. Noch ein paar der feinen Linien weiter: Hier ist der erste Mensch auf dem Mond gewesen. Ist der Stamm richtig groß, dann kommen eine Menge Geburts- und Todestage sowie historische Ereignisse zusammen. So ein Baum hat gut und gerne mal mehr erlebt, als ich, meine Eltern und Großeltern zusammen.

Spätestens dann kommt mir dieses Lied in den Kopf: "Alt wie ein Baum, möchte ich werden." Während ich dann mindestens 15 Minuten mit diesem Ohrwurm weiter durch den Wald schlendere, kommen mir Fragen in den Kopf: Zum Beispiel: Wie alt ist alt für einen Baum? Meine Gedanken schweifen irgendwann ab: Im letzten Urlaub stand in irgendeinem Dorf eine riesige Linde auf dem Marktplatz, die von allen Seiten abgestützt werden musste. Mindestens drei Mal ist dort der Blitz eingeschlagen und dennoch wird alles an Lebenserhaltungsmaßnahmen aufgefahren, um den Baum zu retten. Ich schaue auf das Schild, das am Baum hängt. Die Linde ist fast tausend Jahre alt. Lohnt sich das?

Kurzgesagt: Ja. Und wie Sie merken, wird es heute um genau diese Frage gehen. Mir ist durch die Recherche klar geworden, was so ein Baum und vor allem alte Bäume für uns eigentlich noch leisten, neben dem Produzieren von Sauerstoff.


Zahl der Woche:

900

Noch'n Liedchen: "Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum...". Vor ziemlich genau 200 Jahren, fasziniertediese Baumart den Dessauer Dichter Wilhelm Müller und bescherte uns diesen Ohrwurm, den wahrscheinlich nur die Älteren unter uns weitersingen können. Und Alter ist das richtige Stichwort, denn die Linde ist praktisch unsterblich, so zumindest laut Andreas Roloff, emeritierter Professor für Forstbotanik im sächsischen Tharandt. "Das heißt, man kann oben was absägen, es bricht etwas ab bei einem Sturm oder der Baum fängt Feuer: die Linde treibt immer wieder aus."

Ein Beweis ist die Winterlinde von Großpörthen. Sie zählt zu den ältesten Bäumen Sachsen-Anhalts: Man schätzt sie auf 700 bis 900 Jahre. In etwa 1,50 Höhe hat sie einen Umfang von 9,85 Meter. Im Volksmund heißt sie auch Prangerlinde. Dass die Linde als Pranger benutzt worden sein könnte, darauf weist ein am Baum befestigter Eisenring hin.

Wie der Schutz sehr alter Bäume zum Klimaschutz beitragen kann

Was so ein uralter Baum noch leisten kann, ist im Prinzip eine ganze Menge und er ist sogar wichtig für den Klimaschutz. Das geht aus einem Artikel hervor, der in "Trends in Ecology & Evolution" erschienen ist. Ja, ich habe auch erst große Augen gemacht, als ich das las, denn ich muss bei alten Bäumen immer an die Linde denken, die im Prinzip tot war. Aber die alten Bäume sollen bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt und dem Ökosystem helfen, indem sie gefährdeten Umgebungen Stabilität, Stärke und Schutz bieten.

Wenn ich also an meine Waldspaziergänge zurückdenke, dann sind Vögel in den Baumkronen erstmal das Offensichtliche. Doch da ist noch mehr, wie Svenja Ahlgrimm MDR WISSEN erzählt. Sie kommt aus Greifswald und ist Dendroökologin. Sprich: Sie zählt die Jahresringe von Bäumen noch lieber als ich es tue. Ihrzufolge bietet jeder Baum einen eigenen Mikrokosmus.

So finden verschiedene Arten in einem Baum Unterschlupf. Neben besagten Vögeln sind das dann Käfer, Larven, Spinnentiere und andere Insekten, die in den Rissen der Rinde oder Astlöchern leben, sagt sie. Das sei aber nur die Oberfläche, schaut man unter die Wurzeln, kommt man laut Ahlgrimm nicht mehr aus dem Zählen von Tierarten heraus. Über die Jahrhunderte bietet so ein alter Baum also ein Zuhause für sehr viele Arten, die man auf den ersten Blick beim Spaziergang nicht sieht. Und da kann auch gut mal die Rede von einer bedrohten Tierart sein.

Bäume helfen gegen Trockenheit

Bleiben wir beim Blick unter die Erde. In dem anfangs erwähnten Artikel heißt es, dass alte Bäume eine symbiotische Beziehung mit unterirdischen Pilzen eingehen. Die sollen Pflanzen in der Umgebung dann mit Nährstoffen versorgen, die sie zum Überleben benötigen. Diese Symbiose trage dann auch dazu bei, Trockenheit in trockenen Umgebungen zu reduzieren.

Wie das bei einem Baum funktioniert, kann Svenja Ahlgrimm erklären. Sie sagt, dass im Prinzip der ganze Baum bei Trockenheit, wie eine Klimaanlage fungiert. "Gerade jetzt, wo die Sommer immer trockener und heißer werden und die Landschaft immer mehr an Wasser verliert, spielt der Wasserdampf, den die Bäume produzieren, eine riesige Rolle", sagt sie. Der Baum scheidet nämlich, während er Photosynthese betreibt, Wasserdampf aus. Ein Abfallprodukt, dass uns zu Gute kommt.

Und schon bin ich in Gedanken wieder bei meinen gefühlten drei Waldspaziergängen im Jahr. Im Wald war es im Sommer tatsächlich kühler und das Atmen, was in der gleißenden Sonne manchmal schwerfällt, war hier weniger ein Problem. Gut, im Wald ist auch eine Menge Schatten, aber das mit der höheren Luftfeuchtigkeit kann ich bestätigen.

Kohlenstoffspeicher Baum

Dass ein Baum Schutz für Tiere, Schatten und Feuchtigkeit spendet, dass kann man, wenn man mit offenen Augen durch den Wald geht, noch erkennen. Doch so ein alter Baum macht auch Dinge, die mit bloßem Auge nicht gesehen werden können.

Das ein Baum Sauerstoff produziert, haben Sie schon in der Grundschule gelernt und dass er dabei Kohlenstoffdioxid verarbeitet, ist soweit auch noch klar. Aber das er davon riesige Mengen speichert, war mir nicht bewusst. Laut Svenja Ahlgrimm sind Bäume vor allem Langzeitspeicher von eben erwähntem Kohlenstoffdioxid: "Das heißt, sie speichern ganz viel Kohlenstoff in ihren Böden, in der sogenannten Humusauflage und in den Stämmen selbst. Wenn wir uns vorstellen, dass sich dieser Kohlenstoff mit der Zeit zersetzen würde, dann hätten wir eine unglaubliche Menge an Kohlenstoffdioxid, die freigegeben wird." Im Umkehrschluss reduzieren die Bäume durch das Aufnehmen und Speichern des Kohlenstoffdioxids den selbigen Gehalt in der Atmosphäre.

Wie sollen alte Bäume geschützt werden?

Was muss jetzt also passieren, damit die Menschen bewusster durch den Wald laufen und vor allem auch mal Natur als solche ruhen zu lassen? Nach Ahlgrimm müssen wir die "Wälder nicht primär als Holzproduzenten sehen, sondern vielmehr die anderen Waldfunktionen wertschätzen als Gesellschaft." Ich habe aber da ein wenig die Befürchtung, dass das in Zeiten von teurem Gas schwierig werden könnte.

In dem erwähnten Artikel, der in "Trends in Ecology & Evolution" erschien, ist von einem zweistufigen Ansatz zum Schutz alter Bäume die Rede. So sollen die Bäume durch Vermehrung und das Erhalten des Keimplasmas und des Gewebes erhalten werden. Und es müsse Schutzkonzepte geben und eine gezielte Wiederverwilderung der Wälder stattfinden.

Laut Ahlgrimm gibt es da jetzt schon Vereine in Deutschland, die mit ehrenamtlichen Schülergruppen Bäume pflanzen. Ihrzufolge geht es dann weniger darum, dass mehr Wald entsteht, sondern darum, die Wälder zu stärken, "damit sie dem Klimawandel gut gegenüberstehen können oder zumindest irgendwie durchkommen". Das schürt immerhin ein wenig Hoffnung.


🗓 Klima-Termine

Montag, 24. Oktober – Herrnhut

Der Umweltzentrum Dresden e. V. lädt zum Themencamp über Nachhaltigkeit und Berufsorientierung in den Bereichen Handwerk und Bauen ein. In dem sechstägigen Camp können Teilnehmende in verschiedene Handwerksberufe reinschnuppern sowie Menschen und Projekte kennenlernen, die etwas für Klima und Umwelt tun.

Montag, 24. Oktober – Pirna

Im Themencamp unter dem fancy Namen "Müsli, Smoothie, Suesskartoffel" lernen die Teilnehmenden im Jugendgästehaus Liebethal, welche Trends es rund um das Thema gesunde Ernährung gibt und was die mit dem Klima zu tun haben.

Dienstag, 25. Oktober – Dessau

Das Umweltbundesamt entwickelt ein neues Mini-Game für junge Menschen. So sollen Entscheidungen für einen nachhaltigen Alltag das Leben eines Eisbären retten. Wer zwischen 14 und 27 Jahren alt ist, kann sich bei der "Digitale Jugendwerkstatt: Nachhaltiger Leben" anmelden und das Spiel testen.

Samstag, 29. Oktober – Dresden

Wie wird neben all dem Krieg und anderen Leid in der Welt im Journalismus über den Klimawandel berichtet? Dieser Frage wird in der Freien Alternativschule Dresden nachgegangen unter dem Thema: Klimaberichterstattung: Journalismus in der Klimakrise. Mehr Infos hier.


📰 Klimaforschung und Menschheit

Neue Bewertung der Meereserwärmung zeigt zukünftige Klimarisiken auf

"Der Ozean ist der Schlüssel zum Verständnis unserer Vergangenheit als auch unserer Zukunft", heißt es in einer neu veröffentlichten Forschungsstudie des "Nature Reviews". Die Forschenden haben sich hier nochmal speziell den Ozean angeschaut, denn laut Studie gelangen 90 Prozent der durch Treibhausgase erzeugten Wärme in die Ozeane. So soll die Studie Informationen darüber liefern, wie stark sich der Planet erwärmt hat und welche Erwärmung in den kommenden Jahrzehnten zu erwarten sei. Hier geht's zum Artikel.

Simulation: Warum der Antarktische Rieseneisberg A68 in kürzester Zeit verschwand

Im Sommer 2017 hat sich mit dem Eisberg A68 eine gewaltige Fläche vom antarktischen Schelfeis abgelöst. (Als Schelfeis werden geschlossene Eisdecken über den Meeren an den Rändern des antarktischen Eiskontinents bezeichnet.) Der Koloss war 175 Kilometer lang und 50 Kilometer, was in etwa der siebenfachen Fläche Berlins entsprach. Doch innerhalb von drei Jahren zerbröselte der Berg, zerbrach erst in verschiedene kleine Teile, die am Ende ganz verschwanden. Wissenschaftler waren von der Dynamik überrascht, besonders, da sich einige der Bruchereignisse nicht durch Berührungen des Meeresgrundes erklären ließen. Ein Team um Alex Huth von der Princeton University hat das Auseinanderbrechen in einer neuen Studie simuliert und dabei ein ausscherende Meeresströmungen als mögliche Ursache für einige der beobachteten Brüche entdeckt. Die Erkenntnisse könnten helfen, die Auswirkungen der Auflösung gewaltiger Eisberge besser zu verstehen. Dadurch, dass beim Schmelzen derart großer Eisflächen gewaltige Mengen Süßwasser in das Südpolarmeer gelangen, kann das Weltklima direkt beeinflusst werden.


📻 Klima in MDR und ARD


👋 Zum Schluss

Wenn Sie und ich also das nächste Mal einen Spaziergang durch den Wald machen, dann sollten wir definitiv mit offeneren Augen laufen und das mehr wertschätzen, das uns umgibt. Jetzt, im Herbst, ist der Wald ja auch besonders schön. Und wer mag, kann ja auch mal einem Baum mit einer Umarmung danken.

Herzlich
Maximilian Fürstenberg

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Schreiben Sie uns an klima@mdr.de.

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