Mitglieder der ANV-COP21 protestieren vor dem Rathaus von Toulouse
Aktivisten demonstrieren gegen "Greenwashing", also der Selbstdarstellung von Unternehmen als ökologisch, wenn die Praxis stattdeseen dem Klima und der Umwelt schadet. Bildrechte: IMAGO / NurPhoto

Klimabilanz von Unternehmen Verbraucherinnen gegen Klimawandel: CO2-Emissionen vermeiden, statt ausgleichen

28. Juni 2023, 10:04 Uhr

Viele Unternehmen wollen klimaneutral werden – und Kundinnen und Kunden befürworten das. Doch nicht alle Klima-Maßnahmen sind gleichermaßen populär. Die Verbraucherinnen haben Präferenzen, was Firmen tun sollen. Das zumindest legen die Befunde einer aktuellen Studie zum Thema nahe.

Unternehmen wie Daimler, Apple und Amazon wollen CO2-neutral werden. Und zwar am liebsten so schnell wie möglich: Daimler beispielsweise kündigte an, dass 2039 (oder sogar noch schneller) die gesamte Neuwagenflotte von Mercedes-Benz klimaneutral sein soll. Ein Grund dafür dürfte auch sein, dass Verbraucherinnen und Verbraucher klimabewusster werden und die Produkte, die sie kaufen, bewusster auswählen.

Eine Grafik trägt die Aufschrift "Angst vor Klimawandel". Im Hintergrund sieht man Flammen, kahle Bäume und Wolken. 33 min
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Wissenschaftliche Studie: Klima-Maßnahmen von Unternehmen werden unterschiedlich wahrgenommen

Ein Mann sitzt vor einem Laptop.
Verbraucherinnen und Verbraucher achten beim Einkaufen auf die CO2-Bilanz von Unternehmen. Und sind bereit, mehr zu bezahlen, wenn das Unternehmen klimaneutral produziert. Wird diese Klimaneutralität allerdings nur durch Kompensationen erreicht, scheint das weniger gut anzukommen. Bildrechte: IMAGO / Cavan Images

Rein rechnerisch lässt sich CO2-Neutralität auf zwei Wegen erreichen: Kohlenstoffdioxid kann entweder in der Produktion reduziert oder ausgeglichen werden. Letzteres bedeutet, dass Unternehmen CO2-Zertifikate aus Klimaschutzprojekten kaufen. Jedes Zertifikat entspricht bei diesem Handel einer Tonne klimaschädlicher Emissionen. Mitunter kann diese Art des Ausgleiches dazu beitragen, dass Unternehmen ihre Produkte schneller als "klimaneutral" verkaufen können und damit rechnerisch nicht falsch liegen – obwohl die Produktion eben durchaus CO2 verursacht hat.

Spannend ist, dass beide Wege zur Klimaneutralität von Verbraucherinnen und Verbrauchern sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Das zumindest ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Kühne Logistics University, der Universität Hamburg und der University of Tennessee. "Überraschenderweise waren die Verbraucher in unserer Studie aber nur dann bereit, mehr für das jeweilige Produkt auszugeben, wenn die Emissionen reduziert wurden", sagt Christian Troester, der Autor der Studie. Hatten die Unternehmen ihren CO2-Ausstoß lediglich ausgeglichen, waren die Konsumentinnen und Konsumenten eher nicht bereit, mehr Geld für ein Produkt auszugeben.

"Greenwashing": Wenn die Darstellung klimafreundlicher ist, als die tatsächliche Praxis

Warum genau die Teilnehmenden hier einen Unterschied machten, sei aus seiner Sicht nicht ganz klar, sagt Troester. Er vermute, dass Konsumentinnen und Konsumenten es schätzen, wenn Unternehmen die Umwelt aktiv schützen, indem sie innovative Prozesse entwickeln. Ganz so überraschend ist diese Entscheidung auf Verbraucherseite aber vielleicht gar nicht: An der Studie kann man kritisieren, dass sie CO2-Ausgleich und CO2-Vermeidung als klimatechnisch komplett gleichwertig ansieht. Während das rein rechnerisch stimmen mag, gibt es aus Umweltschutzperspektive gute Gründe, CO2 gar nicht erst auszustoßen.

Umweltschutzorganisation wie Greenpeace oder der WWF kritisieren CO2-Augleiche im Unternehmensbereich. Die Gefahr sei, so Greenpeace, dass Unternehmen CO2-Kompensationen nutzen, um sich ein wenig klimafreundlicher darzustellen, als sie tatsächlich sind. Man könnte von "Greenwashing" sprechen, findet Greenpeace, denn: Unternehmen können sich so als klimafreundlich präsentieren, ohne tatsächlich ihr klimaschädigendes Verhalten zu hinterfragen.

Klimakrise: Emissionen nicht nur rechnerisch reduzieren

Wenn wir eines Tages aber nicht nur eine rechnerische Null an CO2-Ausstoß anstreben, sondern unsere Emissionen tatsächlich stark reduzieren wollen, führt kein Weg daran vorbei, dass Unternehmen ihre Emissionen nicht nur kompensieren, sondern reduzieren. Kompensation könnte dann ein Weg sein, wenn alle Möglichkeiten zur Reduktion von CO2-Emissionen ausgeschöpft wurden. Die aktuelle Studie legt nahe, dass Verbraucherinnen und Verbraucher das ähnlich sehen und könnte für Unternehmen ein Impuls sein, noch intensiver über CO2-Reduktion nachzudenken, statt sich mit Zertifikaten schnell "freizukaufen".

Links/Studien

Die Studie Offset or reduce: How should firms implement carbon footprint reduction initiatives? ist im Journal POMS erschienen und hier nachzulesen.

Außerdem ist hier ein Hintergrundartikel zum Thema CO2-Kompensation bei unseren Kolleginnen und Kollegen von quarks zu finden.

iz

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