Bemannte Raumfahrt mit SpaceX Neustart in den USA: NASA-Astronauten fliegen wieder zur ISS

28. Mai 2020, 10:37 Uhr

Nach neun Jahren Pause starten US-amerikanische Astronauten am 27. Mai 2020 erstmals wieder mit einem eigenen Raumschiff von den USA aus ins All. Der Termin für den bemannten Testflug war bislang immer wieder verschoben worden. Klappt es diesmal, soll die "Crew Dragon" von SpaceX den USA durch regelmäßige Flüge den unabhängigen Zugang zur Internationalen Raumstation ISS sichern.

Update 27. Mai

Start abgebrochen und verschoben

Schlechtes Wetter verhinderte den Start der Falcon 9-Rakete mit dem Raumschiff Crew Dragon von SpaceX am Mittwochabend zu seinem ersten bemannten Flug. 16 Minuten und 45 Sekunden vor Ende des Countdowns bekamen die Astronauten Bob Behnken und Douglas Hurley das Abbruchkommando des Flugdirektors. Neues Startfenster ist nun Sonnabend der 30. Mai, 21:22 Uhr MESZ.

Cape Canaveral, eine SpaceX Falcon 9 steht auf der Abschussrampe. 5 min
Bildrechte: imago images/ZUMA Wire

Die NASA hat grünes Licht gegeben. Die Falcon 9-Rakete mit dem Crew Dragon-Raumschiff von SpaceX soll heute um 22:33 Uhr (MESZ) zwei Astronauten zur ISS bringen. Zum ersten Mal seit neun Jahren wieder vom Boden der USA aus. Für viele dort das Ende der Schmach.

Am 21. Juli 2011 landete die Raumfähre "Atlantis" zum letzten Mal am Kennedy Space Center in Florida und beendete damit das Space-Shuttle-Programm der USA. Seitdem waren die Amerikaner darauf angewiesen, auf russischen Raumschiffen mitzufliegen. Bereits für 2017 war der bemannte Testflug eines neuen, eigenen Gefährts der NASA geplant. Doch nach Problemen und Rückschlägen bei der Entwicklung der "Crew Dragon" musste er mehrfach verschoben werden. Nun soll sie am 27. Mai starten - unter dem Kommando von Douglas Hurley. Er war bereits auf zwei Shuttle-Flügen an Bord, zuletzt während der letzten Atlantis-Mission STS-135. Er kennt die Nachteile der Shuttles, die dreißig Jahre lang im Einsatz waren:

Jetzt besinnen wir uns wieder auf Kapseln, so wie zu Beginn der Raumfahrt. Sie geben uns jederzeit die Möglichkeit, den Start abzubrechen - von der Abschussrampe bis hinauf ins All. Das konnten die Shuttles nicht.

Douglas Hurley, Astronaut

Crew Dragon sicherer als Shuttles

Raumschiff SpaceX Crew Dragon mit sichtbaren Andockmechanismus
Die Crew Dragon kann automatisch und manuell an die ISS angedockt werden. Bildrechte: NASA

Deshalb sei der Flug mit einer Kapsel sicherer und zuverlässiger als mit einem Shuttle. Läuft alles nach Plan, soll die "Crew Dragon" 24 Stunden nach dem Start an die internationale Raumstation ISS andocken. Dieser Prozess ist als automatisierter Vorgang vorgesehen, in den jedoch die Besatzung der ISS und die Astronauten an Bord der Kapsel eingreifen können. Sollte der Jungfernflug fehlerfrei gelingen, soll noch in diesem Jahr ein weiterer Start erfolgen, dann mit vier Astronauten an Bord. Für NASA-Chef Jim Bridenstine ist diese Mission ein Meilenstein:

Diese  Mission ist wichtig für die Vereinigten Staaten von Amerika, die wichtigste für die gesamte Welt. Wir müssen unseren Zugang zur Internationalen Raumstation sicherstellen.

Jim Bridenstine, NASA-Chef

Kein bescheidenes Statement, aber auch kein falsches: Denn an der Internationalen Raumstation (ISS) sind - neben den USA - auch noch Europa, Kanada, Japan und Russland beteiligt. Das ist vielleicht nicht "die gesamte Welt", aber es sind mehrere Partner eines internationalen Gemeinschaftsprojekts. Alle Beteiligten haben derzeit nur einen Zugang zur ISS: über Russland. Bridenstine wünscht sich da mehre Flexibilität.

Wenn wir sicherstellen wollen, dass alle Partner kontinuierlich Zugang zur ISS haben, müssen wir in der Lage sein, auch mit den Raumschiffen des jeweils anderen zu starten.

Jim Bridenstine

Bislang hat nur Russland ein entsprechendes Transportmittel, wenn auch ein sehr zuverlässiges. Auch der ehemalige Astronaut Thomas Reiter von der europäischen Weltraumagentur ESA sieht das kritisch:

Alle Beteiligten sind derzeit von einem Partner abhängig. Wehe, es passiert etwas. Dann gibt es kein Ausweichsystem.

Thomas Reiter, Astronaut a. D.

Deshalb seien Redundanzen in der Raumfahrt enorm wichtig. Die Vergangenheit hat das gezeigt: Nach dem Fehlstart einer russischen Sojus-Rakete im Oktober 2018 - der Flug wurde nach zwei Minuten abgebrochen, die Crew konnte sich retten - war die ISS für mehrere Monate nicht erreichbar. Gelingt der Testflug der "Crew Dragon" und steht sie dann regelmäßig für bemannte Flüge zur Verfügung, sinkt das Risiko, dass das je wieder passiert.

Ohne Mannschaft sind die Dragon-Kapseln bereits seit neun Jahren im Einsatz und versorgen die ISS mit Wasser, Nahrung und neuen Experimenten. Auf der Spitze einer Falcon-9-Rakete der kalifornischen Firma SpaceX heben sie regelmäßig ab ins All.

Crew Dragon für Havarien gewappnet

Mit der bemannten Kapsel sollen eines Tages bis zu sieben Astronauten zur ISS fliegen können. Falls beim Start etwas schief geht, trennt sich die Mannschaftskapsel blitzschnell von der Rakete. Bei einem Startabbruch würden fünf Sekunden lang spezielle Notfalltriebwerke an der Crew Dragon brennen. Sie sollen die Kapsel aus dem Gefahrenbereich der Startplattform heraustragen. Danach öffnen sich Fallschirme, zwei Minuten später wassert die Kapsel vor der Küste Floridas, in unmittelbarer Nähe des Startplatzes Cape Canaveral.

Erstmals wieder Landung auf dem Wasser

Genauso werde das Raumschiff auch nach seiner regulären Mission aus dem All zurückkehren, hofft Bob Behnken, der zweite Astronaut auf dem Jungfernflug der Crew Dragon. Zwar habe man bei bemannten Flügen seit Jahrzehnten keine Landung auf dem Wasser mehr durchgeführt, erwarte aber ein sanfteres Aufsetzen als bei den Sojus-Kapseln.

Die Landung wird definitiv härter werden als bei den Space Shuttles, die wie ein Flugzeug ausgerollt sind. Wie es uns dann in der Kapsel, auf dem Ozean schwimmend, ergeht, davon erzähle ich Ihnen in der nächsten Pressekonferenz.

Bob Behnken, Astronaut

Doch bevor die Astronauten an ihre Landung auf der Erde denken können, muss die "Crew Dragon" an der ISS andocken. Gelingt das, hätten die USA damit nach fast einem Jahrzehnt wieder einen eigenen Zubringer zur ISS. Für die beiden Astronauten an Bord ist das eine besondere Mission. "Es ist wahrscheinlich der Traum eines jeden Testpiloten, die Gelegenheit zu bekommen, ein brandneues Raumschiff zu fliegen", so Bob Behnken.

Im Namen von NASA und SpaceX kann ich es kaum erwarten, die bemannte Raumfahrt zurückzubringen an die Küste Floridas.

Douglas Hurley

Mit dem Raumfahrtkonzern Boeing und dessen Kapsel Starliner steht neben SpaceX noch ein zweites Unternehmen in den Startlöchern, dass an ISS-Zubringern für die USA arbeitet. Doch erst einmal muss die Mission am 27. Mai 2020 zeigen, was die Crew Dragon von SpaceX kann. Die NASA wird den nach ihren Worten historischen Start live übertragen: Launch America!

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