Ein älterer Mann
Biologisch gesehen können Männer genauso alt werden wie Frauen - einen wesentlichen Unterschied macht der Lebensstil. Bildrechte: IMAGO/Zoonar

Lebenserwartung Männer werden mittlerweile fast so alt wie Frauen – mit Ausnahmen

11. August 2023, 14:46 Uhr

Dass Männer statistisch gesehen früher sterben als Frauen, ist nicht biologisch bedingt, sondern lässt sich auf meist auf soziale Faktoren zurückführen. Aktuelle Daten zeigen nun, dass sich die Männer den Frauen angenähert haben. Aber es gibt große regionale Unterschiede.

Männer haben aufgeholt. Mittlerweile werden sie in einigen Regionen Europas fast so alt wie Frauen. Das zeigt eine aktuelle Datenauswertung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB). Die Forschenden untersuchten detaillierte Daten von Todesursachen für 228 Regionen in sieben Europäischen Ländern – und fanden starke regionale Differenzen. In Süddeutschland, Dänemark und der Schweiz sind die Unterschiede zwischen der Lebenserwartung von Männern und Frauen besonders gering, in München und Umland werden Frauen im Schnitt noch dreieinhalb Jahre älter. Zum Vergleich: Der gesamtdeutsche Schnitt liegt aktuell bei circa fünfeinhalb Jahren. Mitte der Neunziger Jahren lagen noch sieben Jahre zwischen Männern und Frauen.

Gleichheit in den Großstädten

In vielen Großstädten fällt der Unterschied zwischen Männern und Frauen übrigens geringer aus als auf dem Land. Markus Sauerberg, Mortalitätsforscher am BiB, erklärt das folgendermaßen: "Florierende Großstädte ziehen durch ihre guten Jobmöglichkeiten eher gesunde und qualifizierte Bevölkerungsgruppen an, während strukturschwache Regionen weniger attraktiv für diese Menschen sind." Deshalb sei die Sterblichkeitsrate in Großstädten oft über die Geschlechter hinweg niedrig.

Die größten Geschlechterunterschiede gibt es in Ostdeutschland

Ein Gegenbeispiel für diese Entwicklung sind Teile Ostdeutschlands: Hier liegen die Männer weiterhin deutlich hinter den Frauen, was die Lebenserwartung betrifft. Man finde in vielen Regionen Ostdeutschlands die größten Geschlechterdifferenzen in Deutschland, betont Markus Sauerberg: "Zum Beispiel in der Mecklenburgischen Seenplatte, mit einer Differenz von 6,7 Jahren. Es gibt aber auch Regionen im Westen mit eher großen Geschlechterdifferenzen, wie beispielsweise in Bremerhaven, Lüneburg oder Oberfranken-Ost (um die 5 Jahre). Die Regionen Mittelthüringen und Havelland-Fläming zeigen ein ähnliches Niveau."

Vor der Wiedervereinigung hatten Männer in der BRD bereits in den achtziger Jahren eine längere Lebenserwartung. Das hängt zu einem großen Teil mit der damals besseren Versorgung bei kardiovaskulären Erkrankungen zusammen, wie eine Veröffentlichung im Bundesgesundheitsblatt beschreibt. Heute ist es demnach aber eher der Umbruch der Wiedervereinigung selbst, der die Lebenswartung, gerade von Männern beeinflusst, das betrifft die Jahrgänge 1950 – 1970. Markus Sauerberg fasst zusammen: "Es gab einen direkten Effekt auf die Sterblichkeit nach der Wende mit einem Anstieg an Verkehrsunfällen, Selbstmorden und Alkoholmissbrauch. Männer waren davon mehr betroffen als Frauen."

Dass sich der wirtschaftliche Umbruch noch heute auf die Lebenserwartung auswirkt, zeigt sich auch in einigen Ländern in Osteuropa. Auch dort war der Wechsel vom Kommunismus zur Marktwirtschaft eine Ursache für psychischen Stress, die sich auch in der Sterberate von Männern niederschlug.

Frauen rauchen jetzt auch

Seit den achtziger Jahren hat sich die Lebenserwartung von Männern und Frauen in Europa aber insgesamt angeglichen. Daran hat auch die Entwicklung von Rollenbildern bei Männern und Frauen einen Anteil: Ein großer Faktor ist nämlich das Rauchen. Frauen haben erst ab den sechziger Jahren langsam damit begonnen, und während Männer bereits in den Achtzigern den Gipfel der Zigaretten-bedingten Sterblichkeit erlebten, steigt unter Raucherinnen dagegen die Sterblichkeitsrate bis heute immer noch weiter an. Dass Männer und Frauen sich hinsichtlich der Lebenserwartung angleichen, liegt insgesamt nicht nur daran, dass Männer gesünder werden, sondern auch daran, dass Frauen nun auch ungesunde "männliche" Angewohnheiten adaptieren.

Weitere Faktoren: Berufsleben und Herzgesundheit

Für die Angleichung der Geschlechterunterschiede in vielen europäischen Ländern sind auch noch zwei weitere Faktoren ausschlaggebend: Berufsleben und Herzgesundheit. Frauen sind mittlerweile meistens überall berufstätig. Das hat sich seit den 1960er Jahren verändert. Damit nehmen auch die Geschlechterunterschiede bei arbeitsbedingten Gesundheitsrisiken ab. Außerdem ein Grund für das Aufholen der Männer bei der Lebenserwartung war der Einsatz von Herzschrittmachern. Dank ihnen habe man die Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich reduzieren können, erklärt Markus Sauerberg.

Links/Studien

Die aktuelle Studie Sex differences in cause-specific mortality: regional trends in seven European countries, 1996–2019 ist im European Journal of public health verfügbar.

iz

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1 Kommentar

C.T. vor 50 Wochen

Kein Wunder bei dem Blutdruck, den man täglich durch das lesen der Nachrichten bekommt. Besonders Themen, die die ständigen Teuerungen mit fadenscheinigen Notwendigkeiten das Klima zu schützen begründen, treiben meinen Puls hoch...

... für mich ist man tot, wenn man sein Leben nicht mehr selbstständig und selbstbestimmend leben kann. Ich möchte nicht 93 Jahre alt werden, wenn ich ab 85 nurnoch im Rollstuhl umher geschoben werden muss oder gefüttert und und und ... nein! Ich wünsche mir über mein selbstbestimmtes und würdevolles Ende selbst entscheiden zu können und Schluss zu machen bevor man nurnoch "existiert"...

An einem Grabkreuz hängt ein Mund-Nasen-Schutz. 3 min
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