Raumfahrt: Solar Orbiter & Parker Solar Probe Die Sonne: Der große weiße Fleck, über den wir noch zu wenig wissen?
Hauptinhalt
09. August 2021, 09:37 Uhr
Seit Ikarus wissen wir, dass es schlecht ist, der Sonne zu nahe zu kommen. Zwei Raumsonden machen es trotzdem: Solar Orbiter (ESA) und Parker Solar Probe (NASA) sollen die letzten Rätsel unseres Heimatsterns enthüllen.
Unsere Sonne, was wissen Sie darüber? Dass Sie nicht direkt hineinschauen sollen, vermutlich. Dass es ohne Sonne kein Leben auf der Erde gäbe, klar. Dass sie im galaktischen Vergleich eher Durchschnitt ist, aber in unserem Sonnensystem ein Gigant. Egal ob Planeten, Monde, Kometen oder andere Objekte: Niemand kommt an die Masse der Sonne ran. Selbst, wenn wir sie alle zusammenrechnen, machen sie nicht mal annähernd ein Prozent der Masse des Sonnensystems aus. Der Rest ist: Sonne. 4,6 Milliarden Jahre alt und immer noch ganz schön heiß, vor allem im Inneren.
Und bei allem, was wir bereits wissen, ist sie immer noch voller Rätsel. Das sollen zwei Weltraummissionen ändern, die in den kommenden Tagen Meilensteine auf ihrem Weg zur Sonne erreichen.
Zwei Missionen auf dem Weg zur Sonne
Eine der beiden ist die "Solar Orbiter"-Mission der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA, die am 10. Februar 2020 ins All aufgebrochen ist. Um in einen sicheren Sonnenorbit zu gelangen, nutzt sie die Anziehungskraft von Erde und Venus. Dadurch kann sich die Sonde langsam an die gewünschte Bahngeschwindigkeit annähern. Das nächste Bahnkorrektur-Manöver an der Venus ist für den 8. August geplant.
Die "Parker Solar Probe"-Mission der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA ist bereits seit drei Jahren unterwegs. Der nächste nahe Vorbeiflug an der Sonne, auch Perihel genannt, soll am 9. August 2021 erfolgen.
Komplexe Sonne
Über die Sonne als Stern wissen wir eine Menge, weil sie der nächste Stern von uns aus ist, sagt Prof. Volker Bothmer vom Institut für Astrophysik an der Universität Göttingen. Er leitet den deutschen Teil der "Parker Solar Probe"-Mission.
Erde und Sonne sind im Mittel circa 150 Millionen Kilometern voneinander entfernt. Klingt riesig. Trotzdem ist sie für uns "durch die Energieversorgung der bedeutendste Stern", so Bothmer. Die Abstände zu den anderen Planeten sind ebenfalls bekannt. Für eine Umdrehung um die eigene Achse benötigt die Sonne 25 Tage. Da sich die Erde zeitgleich um die Sonne bewegt, benötigt es 27 Tage, bis wir ihren Ausgangspunkt wiedersehen.
Die Sonne besteht überwiegend aus Wasserstoff und Helium und funktioniert wie ein riesiger Reaktor, der den Wasserstoff als Treibstoff verwendet – bis er der Sonne in ungefähr fünf Milliarden Jahren ausgehen wird. Auch dass die Sonne in ihrem Inneren ein Magnetfeld generiert und dass es alle elf Jahre die meisten Sonnenflecken auf ihrer Oberfläche gibt, ist bekannt.
Auch im Weltraum gibt es Wetter
Und dann gibt es noch das Weltraum-Wetter. Auch das hat mit der Sonne zu tun. Wie das Weltraumwetter zurzeit ist, kann man übrigens nachschauen. Sonnenaktivitäten und Polarlichter werden auf der Seite "Space Weather Live" bereitgestellt.
Wie das Wetter entsteht? Die Sonne gibt verschiedene Energieformen ab, wie die Gesamtstrahlung, die UV- und Röntgenstrahlung auf der sonnenzugewandten Seite. In der Erdatmosphäre werden durch Lichtteilchen Elektronen produziert und das kann auch zu einem kurzzeitigen Kontaktverlust zu Satelliten führen. Es gibt Sonnenwinde im All, erklärt Bothmer, denn "der Raum zwischen Sonne und Erde ist nicht leer.
Das ist ein ständiger Strom von geladen Teilchen: Wasserstoff, Helium und Elektronen.
Aber wie werden die Elektronen von den Atomen gelöst? Dazu gibt es zwar schon physikalische Vorstellungen, aber "wenn wir jetzt aber mit dem Parker Solar Probe dorthin fliegen, hoffen wir den Mechanismus zu verstehen".
Optische Beobachtung zeigt nicht alles
Bisher wurde die Sonne überwiegend optisch beobachtet. Jedoch werden dadurch Temperaturen, Dichte, elektromagnetische Felder und Wellen nicht erkannt. Unser Wissen bezüglich der Sonne ist somit lückenhaft.
Wir wissen nicht, wie die Korona, die ein sehr heißes Gas ist, genau entsteht und wir wissen auch nicht, wie die Beschleunigung von geladenen Teilchen des Sonnenwindes in den Weltraum hinaus hervorgerufen wird.
Um die Beschleunigung der Sonnenwinde zu verstehen und zu begreifen, warum sich die Korona auf mehrere Millionen Grad aufheizt, muss vor Ort gemessen werden. Dafür soll die Sonde sich bis auf sechs Millionen Kilometer über der Oberfläche der Sonne heranwagen, so Bothmer und führt fort:
Da kommen wir an Bereiche, an denen wir prognostiziert haben, dass dort noch Beschleunigungsprozesse des Sonnenwindes und die physikalischen Vorgänge, die das hervorrufen, stattfinden.
Missionsziel von Parker Solar Probe
Die Parker Solar Probe der NASA soll die Korona der Sonne untersuchen und Antworten auf folgende Fragen finden: Welche Mechanismen beschleunigen und transportieren diese energiereichen Partikel? Wie wirkt der Energiefluss, der die Korona so stark aufheizt? Wie ist die Struktur von Plasma und Magnetfeld am Entstehungsort des Sonnenwinds aufgebaut?
Das Institut für Astrophysik der Universität Göttingen ist an der Solar Orbiter Mission als Co-Investigator des Solar Orbiter Heliospheric Imager (SoloHI) Instruments unter der Leitung des Naval Research Laboratory, Washington, DC beteiligt. Das Projekt fällt unter den Namen "Coronagraphic German und US Parker Solar Probe Survey" (CGAUSS).
Außerdem ist Deutschland mit dem Instrument "Wide-Field Imager for Parker Solar Probe" (WISPR) vertreten. Dieses schaut nicht auf die Sonne, sondern in die Richtung, in die sich die Sonde bewegt, um Bilder des Lichts aufzunehmen, das von den Elektronen in der Korona gestreut wird.
Oberfläche und Atmosphäre der Sonne
Anders sieht es beim Solar Orbiter aus. Er nähert sich der Sonne auf circa 42 Millionen Kilometer an und gelangt damit in ein Gebiet, in dem untersucht werden kann, wie "Sonnenflecken entstehen und das Magnetfeld der Sonne generiert wird", erklärt Bothmer.
Im Gegensatz zur NASA-Raumsonde hat der Solar Orbiter seine Kameras direkt auf die Sonne gerichtet und erkundet sie aus der Ferne. Sie sollen die Oberfläche und die Atmosphäre der Sonne mit bildgebenden Verfahren in verschiedenen Wellenbereichen untersuchen. Außerdem sollen Partikel, Strahlung und Felder in unmittelbarer Umgebung der Raumsonde gemessen werden.
Wie geht die Reise der Raumsonden weiter?
Bis 2030 soll sich Solar Orbiter immer weiter der Sonnen annähern und dabei einige Vorbeiflüge an der Venus absolvieren. Und nicht nur dort holt die Sonde Schwung. Der nächste und letzte Vorbeiflug an der Erde ist im November 2021 vorgesehen. Die Parker Solar Probe-Sonde soll noch im Oktober 2021 an der Venus vorbeifliegen. Ihren sonnennächsten Punkt wird sie an Heiligabend 2024 erreichen und wer weiß: Vielleicht bekommen wir dann ein überraschendes Weihnachtsgeschenk aus Richtung Sonne.
Übrigens: Auf dem Twitter-Account vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (@dlr_next) wird jeden Morgen ein aktuelles Bild der Sonne gepostet. Die Bilder stammen vom "Solar Dynamics Observatory" der NASA.