Südeuropäisches Klima in Mitteleuropa Heißer Spätsommer: Ist das die neue Normalität?
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29. August 2024, 15:00 Uhr
Kurz bevor die Freibäder ihre Vorhängeschlösser ans Wintergitter hängen, dreht der Hochsommer mal wieder eine wochenlange Extrarunde: Heiß und trocken bis in den September. Heiß und trocken sind gute Stichworte: Modellrechnungen zeigen, dass dort die mitteleuropäische Klimareise hingeht. Und nein, das ist kein Widerspruch zur extremen Nässe in diesem Jahr.
Das muss einem mal jemand erklären: Wenn im Mai die Freibäder aufsperren, trauen sich ohnehin nur harte Hunde ins Wasser. Aber im September geht’s oftmals schon in die Winterpause, trotz warmem Lüftchen und Dauersonne. Dieser Spätsommer ist ein astreiner Hochsommer, abermals möchte man sagen. Ob die Freibäder nun doch bald ihre Personalplanung an neue klimatische Verhältnisse anpassen müssen, ist sicher eine andere Debatte. Fest steht: In diesem Sommer profitieren erneut die, die den September schon längst als echten Sommermonat anerkennen.
Denn stabile Hochdruckgebiete bringt so schnell nichts aus der Fasson. Wenn der blaue Himmel und das warme Lüftchen erstmal da sind, dann bleiben sie auch eine Weile – alte Wetterregel halt. Und möglicherweise bald völlig normal, sagt die Geografin Elizaveta Felsche von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München: "Wir dürfen uns an das Phänomen trockene und heiße Perioden gewöhnen. Ob das immer der Spätsommer sein wird, das wissen wir nicht." Was wir aber wissen: So witzig ist das alles freilich nicht.
Bei Drei-Grad-Szenario: Jeder zweite bis dritte Sommer wie 2003
In einer aktuellen Studie haben Felsche und Team die Wahrscheinlichkeit von extremen europäischen Hitzeereignissen mit Klimamodellläufen kombiniert. Heraus kam: Wenn sich die Welt um drei Grad erwärmt, könnte jeder zweite bis dritte Sommer so aussehen wie im Extremjahr 2003. "Also was wir in Deutschland sehen werden, ist im Prinzip, dass sich unsere Sommer so anfühlen werden, wie sie gerade in Südfrankreich sind."
Was wir in Deutschland sehen werden, ist, dass sich unsere Sommer so anfühlen werden, wie gerade in Südfrankreich.
Okay, aus Magdeburg würde also Marseille, aus Nürnberg Nizza. Die Daten zeigen: Bei einer Erwärmung von drei Grad, könnten sich ganze europäische Klimaregionen nach Norden schieben. Bei einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 oder zwei Grad, nimmt die Wahrscheinlichkeit für Jahrhundertextreme wie 2003 zwar deutlich ab. Heiße Sommer und Dürre gehören aber trotzdem zur neuen Normalität.
Studienlage zeigt: Europäische Sommer werden warm und trocken
Elizaveta Felsches Erkenntnisse decken sich hier mit denen vorangegangener Studien. So kamen Klimaforschende aus Potsdam und Karlsruhe im vergangenen Jahr im Fachblatt Natural Hazards and Earth System Sciences zu dem Schluss, dass ein extremer Sommer wie der von 2018 in Europa in einer zwei Grad wärmeren Welt praktisch jedes einzelne Jahr auftreten werde. Und Forschende aus Jena schrieben 2021 im Journal Earth System Dynamics: "Es wird erwartet, dass trockene und heiße Sommer in den kommenden Jahrzehnten häufiger werden, was eine große Gefahr für die Stabilität der europäischen Wälder darstellt."
Auch die Geografin Elizaveta Felsche von der LMU betont, dass sich bei einem Drei-Grad-Szenario unsere Wälder erheblich verändern werden. Und für Süddeutschland gilt, der Sommer in Berlin geht nach Berchtesgaden. "Gerade die alpinen Regionen werden viel heißer und im Prinzip hält der normale Sommer in Deutschland dann Einzug in die Alpen."
Hohe Niederschläge und Sturzfluten kein Widerspruch zu heißen trockenen Sommern
Ausgerechnet dort, wo es diesen Sommer so nass war. Weil warme Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann, steigt künftig auch die Wahrscheinlichkeit für Starkregenereignisse. Für Elizaveta Felsche ist das kein Widerspruch zu ihren Ergebnissen: "Es kann sein, auf den Sommer betrachtet ist der Sommer extrem trocken und extrem heiß. Es kann aber trotzdem zwei Wochen darunter gegeben haben, wo es sehr viel geregnet hat und wo es zu Sturzfluten kam."
Egal, ob extrem nass oder extrem trocken – die neuen Sommer sind kein Spaß, sondern erfordern massive Anpassungen. Und das bedeutet nicht nur, Emsigkeit und Schaffensdrang in der Mittagshitze sein zu lassen, sondern ganze Städte grundlegend umzudenken und Wälder quasi neu zu pflanzen. Fest steht schon jetzt: Der typisch deutsche Sommer – manche nennen ihn durchwachsen und kennen ihn noch aus der Kindheit – wird künftig ein Exot sein.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 29. August 2024 | 16:20 Uhr
AlexLeipzig vor 1 Wochen
Klingt nach "wasch mich, aber mach mich nicht nass" - es ist weder Panik noch Hysterie, die Fakten zu benennen und das Handeln anzumahnen, sondern schlicht Wissenschaft. Seit Jahrzehnten mittlerweile. Ob wir weiter warten oder endlich handeln, hängt von unserer eigenen Vernunft ab, wir können auch weiter grasen, bis der letzte Halm gefressen ist...
Wagner vor 2 Wochen
Unsere Erde ist ein dynamisches System-war sie seit der Entstehung und die Dynamik wird bleiben . Und diese Dynamik sollte dargestellt werden.Ich glaube aber kaum ,dass dazu ein kleiner Artikel ausreicht. Und der Mensch gehört zum System dazu,er wirtschaftet,gestaltet seine Umwelt von Anfang an. Auch das führt zu Veränderungen.
Wetter ist aber Wetter. Jede Wolke und jedes Gewitter dem Klimawandel zuzuordnen, halte ich für gewagt. Es sind doch eher die langfristigen Trends ,die wir sehen,die diesen ausmacht. Und die Wälder —die wurden doch vom Mensche ökonomisiert - Fichten usw.. Nun sind eben andere Bepflanzungen gefragt. Anpassungen sind nötig ,Ja. Aber keine Hektik und keine Panik.
Denkschnecke vor 2 Wochen
Nein, die Wissenschaft schreibt eben nicht einzelne Wetterereignisse dem Klimawandel zu. Die schaut sich über Ort und Zeit gemittelte Daten an. Wie zum Beispiel die ozeanische Oberflächentemperatur der letzten 140 Jahre. Da sehen Sie in den letzten 70 Jahren einen wunderbar konsistenten Anstieg. Das ist Klimawandel.