Klimawandel und Abwasser Fischereiverband: Massenhaftes Fischsterben hat zugenommen
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19. September 2023, 12:26 Uhr
Viele Lebewesen in Seen und Flüssen in Sachsen-Anhalt sind gestresst. Der Klimawandel und Abwässer setzen ihnen zu. Zuletzt hat es mehrere Fälle von massenhaftem Fischsterben gegeben. Experten fordern deshalb schon lange ein Umdenken beim Wassermanagement.
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- Zuletzt hat es in Sachsen-Anhalt mehrere Fälle von massenhaftem Fischsterben gegeben.
- Fakt ist: Einleitungen von Abwässern und der Klimawandel setzen den Fischen zu.
- Zukünftig sollten mehr Anstrengungen in das Wassermanagement investiert werden, fordern Experten.
"Mir blutet das Herz, wenn ich das sehe. Da können einem schon die Tränen in die Augen schießen", sagt Gero Weinhardt über rund 1,5 Tonnen an totem Fisch, die Angler Anfang September aus einem Altarm der Saale geborgen haben. Zehn Tage davor war es in Stendal ebenfalls zu einem großen Fischsterben im Stadtsee gekommen. Nach einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter den Landkreisen in Sachsen-Anhalt hat es in den vergangenen fünf Jahren insgesamt mehr als 70 Fälle von Fischsterben im Land gegeben. Zuletzt war am Donnerstag ein Fall in Parchau im Jerichower Land bekannt geworden.
"Der Grund war klassische Eutrophierung, das Standardproblem, was wir in Sachsen-Anhalt haben", sagt Weinhardt im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Heißt: Zu viele Nährstoffe sind im Wasser, dadurch wird irgendwann der Sauerstoff knapp. Als Präsident des Landesfischereiverbands Sachsen-Anhalt weiß er genau, wie es um die Lebensqualität der meisten Wassertiere und- Pflanzen im Land bestellt ist. "Wir müssen feststellen, dass die Trockenheit, der Niederschlagsmangel und die Hitze den Fischen ganz schön zugesetzt haben", so Verbandspräsident Weinhardt.
Unterläufe der Flüsse sind problematisch
Gerade in einigen stehenden Gewässern drohe eine deutliche "Artenverarmung", befürchtet der Präsident. Dass es dem Fisch in Sachsen-Anhalt überall schlecht geht – darauf möchte sich Patrick Fink nicht einlassen. Fink beschäftigt sich am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg mit Fließgewässerökologie und analysiert Aquatische Ökosysteme. "In einigen Bereichen geht's den Fischen verhältnismäßig gut, in anderen haben sie tatsächlich Probleme", sagt Fink im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Vergleichsweise gute Lebensbedingungen gibt es noch in Bächen und Flüssen in den Mittelgebirgen.
"Überall dort, wo wir unbelastete Bäche haben, wie zum Beispiel im Oberlauf vom Harz, geht's den Fischen noch ganz gut", so Forscher Fink, "aber an den Unterläufen der Flüsse, wo dann Einleitungen von Abwässern oder aus der Landwirtschaft dazukommen, da wird es für einige Arten, die da ursprünglich vorkommen würden, eben eng und die nehmen in den Bereichen auch ab." Forellen fühlen sich wohl, wenn das Wasser sauber, klar und sauerstoffreich ist. "Im Harz finden die solches Wasser, im Tiefland wird es da aber schon enger", sagt Fink.
Klimawandel verschärft die Situation
Dazu bereitet der Klimawandel den Fischen zusätzliche Probleme. Höhere Temperaturen und ausbleibende Niederschläge sorgen für niedrigere Wasserstände. "Wir haben zunehmend lange Dürreperioden, in denen gerade die kleinen Fließgewässer nur noch wenig Wasser führen oder sogar austrocknen könnten und damit verschwindet der Lebensraum der Tiere", bilanziert Wissenschaftler Fink.
Durch niedrigere Wasserstände steigt auch die Konzentration von Nährstoffen, die den Fischen großer Menge zusetzen, sorgt sich Weinhardt vom Landesfischereiverband. Dadurch nehme Pflanzenwachstum überhand. "In der Nacht veratmen die Pflanzen den wertvollen Sauerstoff im Wasser, was im Sommer in den frühen Morgenstunden zu einer Mangelsituation führen kann." Weil den Fischen letztlich Sauerstoff fehle, seien von dem Problem alle Arten betroffen, so Weinhardt. Er fordert deshalb, die Gewässerpflege auszubauen.
Wassermanagement muss sich ändern
"Die Gewässer müssen frühzeitig entkrautet und regelmäßig sollte Schlamm entnommen werden." Das würden aber oft Naturschutz- oder Abfallgesetze verhindern, sagt Weinhardt. Wissenschaftler Fink warnt davor, sich in Einzelmaßnahmen zu verstricken. "Wir müssen den Gewässerlauf wieder natürlicher gestalten, die Uferstreifen müssen verbessert werden, beispielsweise mit Bäumen, die für Schatten sorgen und die Verdunstung reduzieren." Aber vor allem müsse weniger Abwasser und Dünger in die Gewässer gelangen.
In der Vergangenheit war es das Ziel, Wasser aus der Landschaft rauszubekommen. Zukünftig ist es wichtig, das Wasser dort zurückzuhalten. "Wir brauchen im Kontext des Klimawandels Strategien, wie wir das Wasser möglichst lange in der Landschaft zurückhalten, um beispielsweise Dürreperioden besser puffern zu können", sagt Fink.
Vorbild Thüringen?
Thüringen sei da schon auf einem guten Weg. "Die haben sich als ganzes Bundesland eine Niedrigwasserstrategie gegeben." Da sei Sachsen-Anhalt vielleicht noch einen Tick hinterher, so Fink.
Was das massenhafte Fischsterben in diesem Sommer angeht, sind Fischer Weinhardt und Forscher Fink unterschiedlicher Meinung. "Solche Ereignisse haben durchaus zugenommen. Schon allein, weil wir nicht mehr die Grundwasserstände haben, wie noch vor ein paar Jahren", so der Präsident.
Forscher Fink fehlen Daten, um darüber eine belastbare Aussage machen zu können. "Dazu erheben wir keine Zahlen." Oft seien sehr lokale Ursachen für ein Fischsterben verantwortlich, wie zum Beispiel Einleitungen aus der Industrie. "Ob so was zugenommen hat, kann ich nicht genau sagen", so Fink.
MDR (Hannes Leonard) | Erstmals veröffentlicht am 16.09.2023
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 18. September 2023 | 15:30 Uhr