Das Altpapier am 29. März 2018 Datenleck nach Mittelerde?

Der Wirbel um Facebook und Cambridge Analytica kommt noch lange nicht zum Ende und macht jetzt einen Ausflug nach Mittelerde. Was die Privatsphäre angeht, gelobt der Konzern zwar Besserung, zieht eigentlich aber nur eine Bauchweg-Hose an. Was macht die verlegernahe NRW-Regierung eigentlich aus dem Medienforum? Und was hat das Altpapier eigentlich mit dem Playboy gemein? Ein Altpapier von Nora Frerichmann.

Nee, auch heute kommen Sie wieder nicht durchs Altpapier, ohne noch ein paar Infos zum Wirbel um Facebook und Cambridge Analytica serviert zu kriegen. In vorfeiertaglicher Fabulier-Stimmung kommt heute aber noch eine Tolkien‘sche Ebene dazu. Aber von vorne: In der Sache sind nun (indirekte) Verbindungen nach Deutschland und auch nach Mittelerde aufgetaucht.

Die Datenanalyse-Firma Palantir des aus Frankfurt stammenden Tech-Investors Peter Thiel (u.a. Gründer von Paypal, Milliardär, Trump-Supporter, Facebook-Investor, dort Aufsichtsratsmitglied und scheinbar großer JRR-Tolkien-Nerd: andere von ihm gegründete Unternehmen heißen z.B. Valar Ventures, Mithril Capital Management) ist nach einem Bericht der New York Times möglicherweise in die Sache mit der Datenernte durch CA (Gedankenstützen in Altpapier x, y und z) involviert. Bei Spiegel Online heißt es:

"Thiels Firma Palantir droht nun, in den Strudel eines Skandals zu geraten, in dem es um sehr viel ausgefeiltere Techniken der Überwachung und Manipulation geht. Laut Aussagen des Whistleblowers Christopher Wylie tauschte sich Thiels Palantir eng mit der zwielichtigen Kampagnenfirma Cambridge Analytica aus."

Die NYT zitiert aus einem Statement des CA-Whistleblowers mit der einprägsamen Haarfarbe, der am Dienstag vor einem Untersuchungsausschuss des britischen Parlaments aussagte:

"'There were
Palantir staff who would come into the office and work on the data,' Mr. Wylie told lawmakers. 'And we would go and meet with Palantir staff at Palantir.'"

Die Entwicklung der Quizz-App, mit der CA die Daten von Facebook abgesaugt haben soll, sei ebenfalls von einem Palantir-Angestellten angeregt worden, heißt es. Palantir selbst wies das Ganze erstmal zurück. Zeit Online schreibt dazu:

"In einer ersten Stellungnahme hieß es, das Unternehmen habe 'niemals eine Geschäftsbeziehung zu Cambridge Analytica gehabt, noch mit Daten von Cambridge Analytica gearbeitet'. Als die New York Times jetzt über den von Whistleblower Wylie genannten Palantir-Mitarbeiter berichtete, präzisierte Palantir seine Darstellung: Der Mitarbeiter sei nicht im Auftrag des Unternehmens bei Cambridge Analytica tätig geworden, sondern in den Jahren 2013 und 2014 'in privater Funktion'."

Das Ausmaß hört sich in der Berichterstattung über Wylies Stellungnahme und einem von ihm vorgelegten Mailwechsel aber wohl etwas größer an. Jedenfalls wird da von Angestellten, Plural, gesprochen. Und die Frage, was jemand in "privater Funktion" mit Millionen von Datensätzen anstellen mag, drängt sich dabei wohl auch auf. Da bekommt die Tätigkeitsbeschreibung auf der Palantir-Website

"Back-end infrastructure for integrating, managing, and securing data of any kind, from any source, at massive scale"

gleich eine ganz neue Ebene, die angesichts des aktuellen Wirbels einen ziemlich schalen Beigeschmack entfaltet.

Fun-Fact und Mittelerde-Exkurs: Ein Palantir, das ist bei Tolkien ja eine Art Kristallkugel, ein sehender Stein, mit dem Macht ausgeübt und der Lauf der Geschichte beeinflusst werden kann. Ob Tolkien jetzt etwa Trump und den Brexit vorausgesagt hat, diese Frage kursiert bestimmt schon in einigen Mittelerde-Communities.

Etwas Hintergrund zu Palantir (nicht Tolkiens, sondern Thieles) gibt’s heute von Roland Lindner auf der FAZ-Unternehmensseite:

"In der breiten Öffentlichkeit ist Palantir viel weniger bekannt als Start-ups wie Uber oder Airbnb, was mit der oft geheimen Natur der Arbeitzu tun haben dürfte. Das Unternehmen lebte vor allem in seiner Anfangszeit vor allem von Regierungsaufträgen, zu seinen ersten Investoren gehörte sogar eine Wagniskapitaleinheit des Auslandsgeheimdienstes CIA. Es wurde aus der Überlegung heraus gegründet, ob ausgefeilte Datenanalyse dabei helfen könnte, Bedrohungen für die nationale Sicherheit rechtzeitig zu erkennen und etwaige Terroranschläge zu verhindern. Mittlerweile arbeitet Palantir aber auch verstärkt für private Unternehmen und versucht, das Augenmerk der Öffentlichkeit weg von den Regierungsgeschäften zu lenken. Zu den Kunden gehören der deutsche Pharmakonzern Merck KGaA und der Flugzeugbauer Airbus."

Wem das noch nicht reicht: Vor gut einem Jahr rätselte die WirtschaftsWoche darüber, was Palantir eigentlich so genau treibt: "Ist Palantir gut oder böse? Sind sie Jedis oder stehen sie auf der dunklen Seite der Macht? Gandalf oder Sauron?" Ganz so schwarz/weiß lässt sich die ganze Situation aktuell wohl nicht einordnen. In dem Artikel gibt‘s weitere Hintergrundinfos.

Facebooks Bauchweg-Hose

Vielleicht hat die ganze Facebook/CA-Chose darüber hinaus aber doch eine positive Seite und wirkt mal etwas aufrüttelnd. Es wäre jedenfalls zu wünschen, dass Datenschutz nun endlich bei Nutzern und auch in der Politik vom leidigen "da hab ich jetzt grad keinen Nerv für"-Thema zur ernstgenommenen Sicherheits-Frage avanciert.

Jedenfalls sind diese Woche immer mehr Service-Artikel zum Thema "Wie schütze ich meine Daten?" aufgetaucht (aktuell z.B. bei heise.de, Bundesregierung und Mozilla, die einen "Container"-AddOn für den Besuch bei Facebook entwickelt haben). Solche Tipps sind aber eigentlich auch nichts Neues. In einem solche Service-Stück bei FAZ.net (€) ruft Michael Spehr aber auch nochmal in Erinnerung, dass es nicht nur um die Datensammelwut an sich geht, nicht nur um das, was wir von uns preisgeben, sondern auch darum, wie "die erfassten Daten zurückwirken":

"Unser digitales Pendant erlaubt nicht allein Rückschlüsse auf unser Denken und Fühlen, auf politische Entscheidungen und persönliche Präferenzen, sondern die Daten beeinflussen, mit wem wir in Kontakt treten, wie wir gesehen werden und welche Inhalte wir sehen. Wer mit Algorithmen Kaufentscheidungen beeinflusst, kann auch Einstellungen und Trends, Gesellschaft und Politik beeinflussen. Das alles ist nicht neu."

Währenddessen läuft bei Facebook die PR-Abteilung so heiß, wie wohl noch nie in seiner Geschichte. Nach den Ankündigungen von vergangener Woche hat das Netzwerk nun die Privatsphäreenstellungen geändert:

"Die Einstellungen sind jetzt nicht mehr auf fast 20 verschiedene Unterseiten verteilt, sondern an einem Ort zugänglich",

schreibt Erin Egan, bei Facebook für Privatsphäre zuständig, in einem Blogeintrag. Das muss ich nochmal wiederholen. Statt auf 20 verschiedenen Unterseiten gibt es nun eine Übersicht an einem Ort. Nicht zu fassen, das nenn ich Anstrengung! Der Grund: man habe "vielfach gehört", dass diese Einstellungen "schwer zu finden" seien und, "dass wir Menschen besser darüber informieren müssen". Das muss ihnen ein kleines blaues Vögelchen gezwitschert haben…

Dass das also eher scheinheilige Pseudo-Maßnahmen sind – Facebook eher eine Bauchweg-Hose anzieht, als die Ernährung umzustellen und Sport zu machen – und Applaus nicht so angebracht ist, schreibt Jonas Jansen auf der FAZ-Wirtschaftsseite (S. 17, bei FAZ.net ist eine etwas andere Version online):

"Was wie ein Fortschritt klingt, ist eigentlich eine Frechheit. Denn so etwas verspricht Facebook seit vielen Jahren, doch bislang war der Druck offenbar einfach nicht groß genug, sich an die eigenen Versprechungen zu halten. Vor acht Jahren sagte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg schon, dass er die Privatsphäre-Einstellungen vereinfachen wolle. Jetzt erst, da die halbe Welt über Facebook spricht, der Aktienkurs fällt und Zuckerberg vorgeladen wird, tut sich was. Und das vor­erst auch nur rein kosmetisch. Gleichzeitig schiebt Facebook abermals die Verantwortung auf die Nutzer, die selbst ihre Daten kontrollieren müssen. Nur weil die Oberfläche schicker wird, ändert sich Facebooks Geschäftsmodell kein Stück."

Bei der Republik zeichnet Adrienne Fichter, bzw. die von ihr interviewte Sozialwissenschaftlerin und Programmiererin Zeynep Tufekci ein erwartungsgemäß nicht gerade rosiges Bild von der Beziehung Facebooks zu Datenschutz und Privatsphäre:

"Facebook hat die Richtlinien nicht wegen seines schlechten Gewissens verschärft, sondern weil es sein Geschäftsmodell tangiert. Sie wollen ja die Daten selbst horten, Dossiers über jeden aufbauen und nur gegen Geld verkaufen. Das Absaugen via App durch externe Drittanbieter läuft diesem Prinzip zuwider."

Das Interview ist u.a. auch lesenswert, weil Tufekci jedem die gemütliche Illusion nimmt, dass die bald in Kraft tretende europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO, gilt ab 25. Mai) grundlegenden Schutz vor Datenmissbrauch bieten könne. Sie bezeichnet die neue Regel zwar generell als "sehr interessant", weil sie "die grossen Konzerne in die Schranken weisen könnte". Die Verordnung sei aber "zu kurz gedacht", denn auch "eine sogenannte informierte Einwilligung bringt uns eben nicht weiter":

"Stellen Sie sich vor, wir befassen uns alle vorbildlich mit dem Thema Datenschutz und sind über alle Konsequenzen informiert. Der ideale Zustand also. Im Zeitalter von Machine Learning und künstlicher Intelligenz ist es töricht zu behaupten, wir wüssten, was wir da heute überhaupt unterschreiben. Wir haben doch keine Ahnung, was die heutigen Daten in Zukunft alles anrichten können! Niemand hätte vor sieben Jahren vorhersagen können, dass die getätigten Facebook-Likes von damals heute die Vorlieben, die sexuelle Orientierung und die Persönlichkeitszüge von einzelnen Personen so genau umschreiben können."

Für alle, die sich nun unter der Bettdecke verkriechen wollen und denken, da sei doch eh nix mehr zu retten, für die stellt Fichtner noch die Frage: "Also bringt uns die DSGVO im Endeffekt gar nichts?"

"Doch, sie bringt neue Ansätze. Vor allem in Sachen Vorratsdatenspeicherung durch Technologiekonzerne. Wie gesagt: Vielleicht trifft das alles nicht zu mit der Datenportabilität. Vielleicht schafft man dadurch ein neues Bewusstsein, und wir merken: Es ist besser, wenn die Leute entscheiden, was sie mit ihren Daten anstellen, als wenn es Facebook tut. Aber das Hauptproblem bleibt bestehen: Die Datenansammlungen durch Monopole müssen minimiert werden. Und wir brauchen endlich neue Wege für eine gesunde digitale Öffentlichkeit des 21. Jahrhunderts. Transparenz alleine hilft uns nicht weiter."

Als Vorschlag wirft Fichtner dann noch eine neue Form der Gewaltenteilung in den Raum: "Judikative, Legislative und Exekutive für die Verwendung von Daten".

NRW: Tschüss, Low-Level-Medienmenschen?

Einen neuen Vorschlag will auch die Landesregierung für Nordrhein-Westfalen, namentlich der unter Armin Laschet (CDU) für Medien zuständige Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski (CDU) machen: zwar nicht für Revolutionen im Datenschutz, wohl aber für die Zukunft des Medienforums NRW. Volker Nünning berichtet nun in der Medienkorrespondenz, die seit 1989 stattfindende Veranstaltung (Internet sagt dazu auch: "einer der bedeutendsten Medienkongresse in Deutschland und Europa", "zentraler Treffpunkt der Medien- und Kommunikationsbranche", "Diskussionsforum für die Herausforderungen der Informationsgesellschaft") werde in diesem Jahr nicht stattfinden.

Das verkündete die NRW-Regierung relativ leise, wenn man bedenkt, dass laut Medienkorrespondenz im Oktober noch getönt wurde, das Medienforum sei so konzipiert, dass es "von sich reden macht und Debatten auslöst" und in der Düsseldorfer Staatskanzlei nach dem Regierungswechsel zu schwarz-geld im Spätsommer 2017 für die Neukonzeption des Medienforums NRW sogar ein eigener Bereich geschaffen wurde. Denn das Branchentreffen wurde in den vergangenen Jahren immer weiter verkürzt, ist an die AGMA angedockt worden und auch "die inhaltliche Relevanz sank im gleichen Maß", schreibt Nünning.

Nur ein neues Konzept gibt es irgendwie nicht. Stattdessen soll wohl in diesem Jahr ein anderes Event stattfinden:

"'Wir haben dennoch vor, eine Veranstaltung zu machen', erklärte Liminski im Kultur- und Medienausschuss. Dabei wolle man sich auf 'High Levels' konzentrieren. Zum Zeitpunkt und zum näheren Ablauf dieser Veranstaltung machte Liminski keine näheren Angaben. Es könnte darauf hinauslaufen, dass ein solch exklusives Event mit Spitzenvertretern der NRW-Medienbranche nur mit Einladung zugänglich ist."

Im April, wenn Laschet als zuständiger Medienminister erstmals an der Sitzung des Kultur- und Medienausschusses im Düsseldorfer Landtag teilnimmt, könne es evtl. Neuigkeiten geben.

Nach dem Geklüngel um Minister Stephan Holthoff-Pförtner – der vergangenes Jahr zunächst auch für Medien zuständig war, während er selbst 17 Prozent der Anteile an der Funke-Mediengruppe hält (äh, ja, in NRW, nicht in der so gern für Ähnliches kritisierten Türkei) – lohnt es sich jedenfalls, im Blick zu behalten, ob die Regierung (der man sicherlich eine gewisse Verlegernähe attestieren kann) sich in diesem Jahr also aus dem Medienforum eine gemütliche Möglichkeit zum Kaffeklatsch in ausgewählter Runde schaffen möchte.  


Dass neben Holthoff-Pförtner auch Verkehrsminister Henrik Wüst Verbindungen zu Verlegern und Radio NRW, dem Mantelprogramm des NRW-Lokal- und Regionalfunks hatte, darf dabei im Hinterkopf behalten werden: Bis zu seinem Einsatz als Minister Mitte 2017 führte er ja die Geschäfte beim Zeitungsverlegerverband Nordrhein-Westfalen, der Pressefunk GmbH (zwischenholding der Rheinische Post Mediengruppe und Gesellschafter von Radio NRW) und der dein.fm Holding (2012 vom Zeitungsverlegerverband NRW gestartetes, junges Radioangebot bei Radio Bielefeld, Radio Gütersloh, Radio Herford, Radio Hochstift, Radio Lippe und Radio Westfalica).

Altpapierkorb (Rheinneckarblog, Playboy und Facebook, Hamlet und Facebook, Zeit/Fischer, Audio-MA, Algemeen Nederlands Persbureau)

+++ Am Dienstag hatten wir uns an dieser Stelle schon mal mit Hardy Prothmann, dem Rheinneckarblog und verschiedenen Nuancen zwischen Gonzo-Journalismus beschäftigt. Dabei ging’s um einen erfundenen Bericht über den "bisher größten Terroranschlag in Westeuropa". Jetzt habe die Staatsanwaltschaft Mannheim ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts "auf Störung öffentlichen Friedens“ eingeleitet, heißt es in einer dpa-Meldung bei FAZ.net. Beim Presserat seien zudem mehrere Beschwerden eingegangen: "Kritik am ‚Rheinneckarblog‘ lautete, er habe eine massive Unwahrheit verbreitet und die Bevölkerung mit Absicht verunsichert. Außerdem sei die Aufklärung der Sachlage hinter einer Paywall verborgen geblieben.“ Kritisch sieht das auch Bastian Brinkmann bei SZ.de.

+++ Was haben eigentlich wir hier beim Altpapier mit dem Playboy gemeinsam? Bis heute hätte ich da nicht allzu viele Parallelen gefunden, außer vielleicht, dass wir über Hunter S. Thompson schreiben. Jetzt sagt das Männermagazin (US-Ausgabe) allerdings, wie auch wir, #deleteFacebook (siehe Tweet von Cooper Hefner, die Begründung selbst bietet aber auch nochmal Diskussionspotenzial).

+++ Beim NDR-Medienmagazin Zapp heißt es über die generelle Abkehr von Zuckerbergs blauem F: "Den eigenen Account zu löschen ist derzeit ein Statement, für viele Firmen sogar ein werbewirksames Symbol. Wer jetzt sein Image pflegen und polieren will, geht. Und die anderen, beispielsweise Medienhäuser? Dass namhafte, große Medien mal versuchen würden, auf diesen Kanal zu verzichten, fände Hölig (Anm. Altpapier: Sascha Hölig, Medienforscher am Hamburger Hans-Bredow-Institut) konsequent. Bisher hat lediglich die kleine Medienseite ‚Altpapier‘ lautstark angekündigt, Facebook zu verlassen. Allerdings hat ‚Altpapier‘ auch nur verschwindend wenige Follower – und die Redaktion von 360G, zu der das MDR-Angebot gehört, betreibt weiterhin eine Facebook-Seite.“ Mehr über unsere Einstellung zu Facebook und die Entscheidung, Schluss zu machen: bitte hier und hier entlang. Ein weiteres Pro und auch ein Contra zum Thema löschen oder nicht gibt’s heute bei SZ.de. Ach je, würde Shakespeare im 21. Jahrhundert leben, die existenzielle Zerrissenheit Hamlets hätte sich vielleicht auf eine andere Ebene verschoben: "Bei Facebook sein oder nicht sein, das ist hier die Frage“.

+++ Ach, und wo wir grade bei Zapp waren: Angesichts der Situation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in ganz Europa (Steuern statt Rundfunkgebühr in Dänemark, No Billag in der Schweiz, Kürzungen bei der BBC) gibt es dort jetzt ein Dossier zu Medienpolitik. "Dieses beinhaltet eine dreistellige Anzahl von ZAPP Beiträgen aus den letzten zehn Jahren, die nach thematischen Schlagwörtern katalogisiert sind. Das Dossier wird fortlaufend aktualisiert sowie um Gastbeiträge und Diskussionsforen zur Medienpolitik ergänzt“, heißt es vom NDR.

+++ Im Streit zwischen dem ehemaligen Bundesrichter Thomas Fischer und  der Zeit wegen der Berichterstattung über den Fall Wedel (hier und hier der Hintergrund) kritisiert Stefan Niggemeier bei Übermedien das Verhalten von Zeit Online: "Es hätte der 'Zeit' gut angestanden, die Medien-Debatte über eine Berichterstattung, die viele ethische Fragen aufwirft, nicht nur auszuhalten, sondern selbst öffentlich zu führen.

+++ Überraschend und mit erst 55 Jahren ist Mr.-Sat.1-Frühstücksfernsehen Martin Haas verstorben. Details haben u.a. FAZ.net und dwdl.de.

+++ Angesichts all der Jubel-PMs deutscher Radio-Sender aus den vergangenen Tagen hat sich Christoph Sterz bei Deutschlandfunks @Mediasres das Erhebungsverfahren der AGMA-Zahlen für’s Radio (Audio-MA) angeschaut. Er zeigt sich nicht komplett überzeugt von der Methode: "Die Radio-Realität 1:1 lässt sich durch überhaupt keine Studie abbilden. Das gilt eigentlich für alle Arten der Zuschauer- und Zuhörerermittlung. Dafür müsste man Sie und mich und alle anderen Menschen in Deutschland die ganze Zeit konsequent abhören“. Als Orientierung seien die Werte für Radiomacher aber dennoch wichtig. Dass nun die meisten Sender Jubel-Pressemitteilungen verschicken, erklärt sich Sterz damit, dass diese Sender tatsächlich in den meisten Fällen ihre Hörerzahlen steigern konnten, oft aber nur in einem ganz bestimmten Bereich – zum Beispiel nicht bei der wichtigen Tagesreichweite, sondern nur bei den Menschen, die gelegentlich mal bei dem Sender reinhören würden. +++ Und bei Meedia.de hat sich Jens Schröder die Radio-Werte angeschaut und sie mit der Spotify-Nutzung verglichen.

+++ Über den Innovationsreport der taz hatten wir hier im Altpapier ja schon mal berichtet. Im Hausblog wird jetzt ein Zwischenfazit gezogen. Ein Teil der Mission sei bereits geglückt: "Aufwecken, mutige Visionen entwickeln, Debatten anstoßen, das ist und war das erklärte Ziel des taz Reports 2021. Dass in diesem Report dann noch nicht jede Idee jede*n überzeugt oder gar bis zum Ende durchdekliniert ist, liegt in der Natur der Sache. Und auch, dass einige Medienkommentare die kritische Bestandaufnahme als Eingeständnis des Scheiterns oder einer Krise interpretieren, war zu erwarten. Denn um Diskussionen und Denkprozesse anzustoßen muss so ein Report auch waghalsig, schmerzhaft ehrlich und kontrovers sein.“

+++ "Big Brother investiert“, heißt es heute flapsig formuliert auf der SZ-Medienseite. Gemeint ist damit der niederländische Medienunternehmer John de Mol, der zu Beginn des Jahrtausends mit "Big Brother“ Milliarden gemacht hat und dessen Konzern Talpa nun die Nachrichtenagentur Algemeen Nederlands Persbureau (ANP) kauft. "Der Unternehmer will den größten Medienkonzern der Niederlande aufbauen. Zuletzt scheiterte de Mol mit dem Versuch, die Zeitung ‚De Telegraaf‘, eine der größten in den Niederlanden, zu übernehmen“, schreibt Timo Niemeier bei dwdl.de. Dass das "in diesen Zeiten, in denen Fake-News an der Tagesordnung sind“ zu einer unabhängigeren Berichterstattung führt, wie de Mol in der PM verspricht, darf allerdings erstmal generell abgewartet werden, weil Medienkonzentration und so…

+++ Nach dem Abgang von Gabor Steingart bei der Handelsblatt Media Group (siehe Altpapier hier und hier) gibt’s nun ein neues Konzept für die Geschäftsführung: Die drei verbliebenen Geschäftsführer Frank Dropheide, Ingo Rieper und Gerrit Schumann teilen sich die bisherigen Aufgaben von Steingart. Um die Ansichten der Redaktionen von Handelsblatt und WirtschaftsWoche mit zu berücksichtigen sollen Sven Afhüppe, Beat Balzli und Miriam Meckel ein (Achtung, fancy Anglizismus) "Insight Board“ bilden, das sich mit der Geschäftsführung austauscht. Damit seien die Spekulationen über einen Verlagsumbau erstmal vom Tisch, schreibt Roland Pimpl bei horizont.net: "Das neue alte Führungsteam zeigt dagegen Kontinuität: Es kommt keine neue Lichtgestalt von außen, die für Kurswechsel stehen könnte.“

+++ Hier noch ein paar komprimierte Neuigkeiten Ihres Altpapier-Personalien-Services: Die taz holt Ute Zauft von rbb24 als Leiterin für ihren Online- und Social Media-Auftritt. +++ Peter Hell, lange Reporter bei "Spiegel TV“ soll nach Spekulationen von Meedia.de wohl als Chefreporter zur Bild nach Berlin wechseln. Springer selbst will sich dazu aber nicht äußern.  

+++ Und die Medienseiten sind schon in vorösterlicher Stimmung und bringen viele TV-Kritiken: Das Joshua-Profil nach dem Buch von Florian Fitzek (Karfreitag, RTL) kommt bei der Süddeutschen nicht so gut davon.

+++ Und wenn es ums "Fremdschämen für Fortgeschrittene“, um Christian Ulmen und Fahri Yardim geht, dann ist natürlich die 2. Staffel der Maxdome/Pro7-Serie "Jerks“ gemeint, die ab heute bei dem VoD-Dienst und im Mai bei Pro7 läuft. Nora Burgard-Arp schreibt dazu bei Meedia.de: "Wer pointiert-feinsinnigen Humor sucht, ist bei ‚Jerks‘ an der falschen Adresse. Denn Christian Ulmen und Fahri Yardim sind die Könige des Volltrottel-Humors – und landen damit einmal mehr einen fernsehkomödiantischen Volltreffer.“ Und Anja Rützel zeigt sich bei Spiegel Online erfreut über die besondere Art des Lachens, die die Serie herauskitzelt: "‘Jerks‘ ist immer noch lustig, und es tut immer noch ein bisschen weh, wenn man lacht. Das ist schön, weil es eben immer noch selten ist beim Fernsehen, wo man ja meistens eher lacht, weil es den anderen weh tut.“

+++ Ganz zum Schluss noch was: "Das wirkt wie ein Porno mit Handlung, bei dem die Handlung aber nur die allerletzte Minute einnimmt, nachdem alles andere vorbei ist. Ich musste ein bisschen lachen.“ Ich beim Lesen auch!

Neues Altpapier gibt’s wieder am Dienstag. Frohe Ostern allerseits!