Leipziger Turn- und Sportfest 1969 im Zentralstadion
Ab den 1980er-Jahren wurden Medikamententests an sogenannten Anschlusskadern getestet. Bildrechte: MDR/ Sendung "Die größte Show der DDR: Das Leipziger Turn- und Sportfest"

Geschichte Sportler als Versuchskaninchen: Neue Studie zum Doping im DDR-Sport

22. August 2023, 18:12 Uhr

In Erfurt ist eine neue Untersuchung zum systematischen Doping im DDR-Sport vorgestellt worden. Betroffen waren demnach nicht nur Spitzensportler. Gerade der Anschlusskader sei oft als Versuchskaninchen benutzt worden. Die Betroffenen leiden bis heute.

Beim Doping im DDR-Sport sind unerlaubte Mittel nicht nur bei Spitzensportlern eingesetzt worden. Das ist das Ergebnis einer Studie des Zentrums deutsche Sportgeschichte Berlin-Brandenburg, die im Auftrag der Thüringer Staatskanzlei und des Landesportbundes erarbeitet wurde. Demnach wurden neue Substanzen zuerst an sogenannten Anschlusskadern getestet.

Diese Sportler seien Versuchskaninchen gewesen, um keine wertvollen Olympioniken im Rahmen von riskanten Medikamententests zu schädigen, sagte die Co-Autorin Jutta Braun am Dienstag bei der Präsentation der Forschungsarbeit in Erfurt.

"Die Verantwortlichen wussten, dass sie gegen das Arzneimittelgesetz verstießen. Sie wussten, dass sie mit Leben spielten. Das macht das mögliche Mitwissen der Sportler*innen völlig irrelevant, da es ohnehin nicht hätte passieren dürfen", so Braun.

Verantwortliche spielten mit Leben der Sportler

Wichtig sei ebenso, dass der Kreis der Betroffenen, die heute teilweise immer noch an den physischen und psychischen Nachwirkungen leiden würden, wesentlich höher sei, als oft angenommen. Braun betonte immer wieder, dass alle Beteiligten einen Systemdruck verspürten. Die DDR habe dabei "eingebunden in ein internationales System des Sportbetrugs" gehandelt.

Die gewonnenen Erkenntnisse sollen nicht nur als wissenschaftliche Abhandlung publiziert werden, sondern darüber hinaus künftig als Leitfaden und juristischer Beistand dienen. Zudem werden die Ergebnisse im Rahmen der am Mittwoch eröffneten Kunstausstellung "Mein Sport. Meine Seele. Meine Kunst." im Thüringer Landtag gezeigt.

Glasflaschen und Glaskolben in einem Labor 8 min
Bildrechte: DRA
8 min

Im DDR-Sport wurden Höchstleistungen am laufenden Band produziert. Zum Erfolgsrezept gehörte auch systematisches Doping. Die "Klartext"-Reportage vom 30.09.1991 im DDR-Fernsehen klärt auf.

MDR FERNSEHEN So 29.09.1991 23:01Uhr 07:46 min

https://www.mdr.de/geschichte/stoebern/damals/videowand/doping-ddr-100.html

Rechte: Deutsches Rundfunkarchiv

Video

Thüringer Landesregierung gibt Forschungsarbeit in Auftrag

Zusammen mit René Wiese und einem Historikerteam hat Braun vor allem Gerichtsakten der Dopingprozesse der 1990er-Jahre ausgewertet. Untersucht wurden dabei beteiligte Personen, Mechanismen und gesamtgesellschaftliche Umstände. Den von Jutta Braun und René Wiese angeleiteten Forscherinnen und Forschern ging es weniger um die Frage, ob die betroffenen Sportler und Sportlerinnen wissentlich gedopt haben, sondern vielmehr um den gesamten gesellschaftspolitischen Kontext.

Die Forschungsarbeit wurde 2020 von der rot-rot-grünen Landesregierung und dem Landessportbund in Auftrag gegeben.

MDR (wh/jn)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 22. August 2023 | 19:00 Uhr

43 Kommentare

Andy Krisst vor 36 Wochen

...zum Beispiel mit dem tragischen Tod der bundesdeutschen Siebenkämpferin Birgit Dressel!
Ich zitiere mal aus der "Welt";
"Das Drama der Birgit Dressel ist eines der erschreckendsten Beispiele für Vertuschung und Verdrängung von Doping. Mehr als 400 Injektionen erhielt die Siebenkämpferin in den Monaten vor ihrem qualvollen Tod – sie starb mit nur 26 Jahren. Ihr Tod blieb ungesühnt."

Andy Krisst vor 36 Wochen

"für heutige Sportler und Sportlerinnen gibt es ein großflächiges Kontrollsystem, damit Dopingfälle aufgedeckt werden können."

Kontrollsysteme schön und gut, aber die hinken immer dem medizinischen Fortschritt hinterher. Auch die Dopingmethoden werden heute immer raffinierter. so dass SportlerInnen, die sich erwischen lassen, schon deppert sind.
BTW; Es ist übrigens schon sehr verwunderlich, wie viele Radsportler, und beileibe nicht nur die, Asthmatiker sind und sich mit den entsprechenden Medikamenten ganz legal dopen! Und was passiert, nichts!

Schwarzwasser vor 36 Wochen

Glück auf,

fragt mal die Kinder und Jugendlichen welche meistens ohne ihr Wissen mit dem Zeug vollgepumpt wurden. Da ist die Diskussion über Ost und West einfach nur Hohn für die Betroffenen. Einige meiner Kollegen waren mit 20 Jahren älter als manch ein 40 Jähriger. Demut würde dieser Diskussion besser zu Gesicht stehen als Klugscheißerei mancher Unwissender......

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