Razzia im Zuge des Verbots der „Artgemeinschaft“ im sächsischen Leisnig, Ortsteil Naunhof.
Im Zuge des Verbots der "Artgemeinschaft" war die Polizei unter anderem im sächsischen Leisnig im Einsatz. Bildrechte: Thomas Datt/MDR

Razzia Bundesinnenministerium verbietet rechtsextreme "Artgemeinschaft"

29. September 2023, 10:12 Uhr

Das Bundesinnenministerium hat die rechtsextreme Gruppierung "Artgemeinschaft" verboten. Am Mittwochmorgen durchsuchten Einsatzkräfte zahlreiche Wohnungen von Mitgliedern der Gruppe in zwölf Bundesländern. In Thüringen stellte die Polizei Waffen sicher, in Sachsen-Anhalt unter anderem eine SS-Uniform.

Das Bundesinnenministerium hat die rechtsextremistische Vereinigung "Die Artgemeinschaft" verboten. Der Verein nennt sich mit vollem Namen "Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung". Wie das Ministerium mitteilte, gilt das Verbot für alle Teil-Organisationen. Dazu gehörten sogenannte "Gefährtschaften", "Gilden", "Freundeskreise" und das "Familienwerk e.V.".

Durchsuchungen auch in Mitteldeutschland

Zugleich durchsuchten Einsatzkräfte am frühen Mittwochmorgen 26 Wohnungen von 39 Vereinsmitgliedern sowie Räumlichkeiten des Vereins in zwölf Bundesländern. Durchsuchungen fanden nach Angaben des Ministeriums auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen statt.

Ein Einsatzort war im sächsischen Leisnig. Dort stehen Lutz G. und Dankwart S. nach MDR-Informationen im Verdacht, versucht zu haben, weitere Rechtsextremisten für eine Ansiedlung zu gewinnen.

Razzia im Zuge des Verbots der „Artgemeinschaft“ im sächsischen Leisnig, Ortsteil Naunhof.
Eine Razzia führten Einsatzkräfte In Naunhof, einem Orteil von Leisnig, in Sachsen durch. Bildrechte: Thomas Datt/MDR

SS-Uniform im Burgenlandkreis beschlagnahmt

Nach Angaben der Polizei wurden in Sachsen-Anhalt drei Einrichtungen im Burgenlandkreis mit mehr als 100 Einsatzkräften durchsucht. Dabei seien mehrere Handys und Laptops, Dokumente und Logos von verbotenen Vereinigungen sowie Symbole des Nationalsozialismus wie eine komplette SS-Uniform beschlagnahmt worden, teilte das Innenministerium am Mittwoch in Magdeburg mit. Auch Druck-Erzeugnisse wie etwa Bücher seien sichergestellt worden.

Nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT fand ein Einsatz in der Gemeinde Bornitz statt. Wie ein MDR-Reporter berichtete, soll es sich um das Grundstück des bekannten Neonazis Jens B. handeln. Er war Führungs-Mitglied des Vereins. B. hatte den NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben 2018 nach dessen Entlassung aus der Untersuchungshaft vorübergehend bei sich aufgenommen.

Waffen und Munition in Thüringen gefunden

Nach Informationen von MDR THÜRINGEN gab es Razzien in Ilfeld (Kreis Nordhausen), Probstzella (Kreis Saalfeld-Rudolstadt) und Waltershausen (Kreis Gotha). Wie ein Sprecher des Innenministeriums sagte, wurden bei der Aktion im Landkreis Gotha Waffen und Munition sichergestellt. Insgesamt beschlagnahmten die Polizisten Speere, Wurf-Äxte, Symbole, Vortrags-Utensilien, Bücher und Speichermedien.

Die Verbote von zwei rechtsextremen Organisationen kurz hintereinander - Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte bereits am 19. September die Neonazi-Vereinigung "Hammerskins" verboten - lösen offenbar in der Neonaziszene Verunsicherung aus. So liegt MDR THÜRINGEN ein Telegram-Post vor, in dem die Selbstauflösung der Neonazi-Gruppe "Arische Bruderschaft" aus dem Umfeld des Thüringer Neonazi-Kaders und Landesvorstands der Partei "Die Heimat" (ehemals NPD), Thorsten Heise, bekannt gegeben wird.

Faeser spricht von hartem Schlag

Razzien gab es außerdem in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein.

Mit der 'Artgemeinschaft' verbieten wir eine sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Vereinigung.

Nancy Faeser, SPD Bundesinnenministerin
Nancy Faeser
Bundesinnenministerin Nancy Faeser wertet das Verbot der "Artgemeinschaft" als Schlag gegen den Rechtsextremismus. Bildrechte: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte laut Mitteilung des Ministeriums: "Mit der 'Artgemeinschaft' verbieten wir eine sekten-artige, zutiefst rassistische und antisemitische Vereinigung. Das ist ein weiterer harter Schlag gegen den Rechtsextremismus und gegen die geistigen Brandstifter, die bis heute NS-Ideologien verbreiten." Die SPD-Politikerin erklärte weiter, die Gruppierung habe versucht, durch eine "widerwärtige Indoktrinierung" von Kindern und Jugendlichen "neue Verfassungsfeinde" heranzuziehen.

"Artgemeinschaft" offen rassistisch

Die "Artgemeinschaft" hat den Angaben zufolge rund 150 Mitglieder. Die Vereinigung sei offen neonazistisch, rassistisch, fremden- und demokratie-feindlich. Ihr zentrales Ziel seien die Erhaltung und Förderung der eigenen "Art". So gab der Verein seinen Mitgliedern etwa Anweisungen zu einer richtigen "Gattenwahl" innerhalb der nord- und mitteleuropäischen "Menschenart", um das der rassistischen Ideologie entsprechend "richtige" Erbgut weiterzugeben.

Quellen: dpa/MDR (ala)

Korrektur In einer früheren Version dieses Artikels war ein Video zu sehen, in dem ein Grundstück gezeigt und im Sprechertext gesagt wurde, dass der Besitzer im Zusammenhang mit der Terrorgruppe NSU auffällig geworden war.

Das ist nicht korrekt. Das gezeigte Grundstück und der Besitzer stehen in keinem Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz, der "Artgemeinschaft" oder dem NSU.

Wir haben das Video offline gestellt und bitten ausdrücklich um Entschuldigung für die falsche Darstellung.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 27. September 2023 | 07:30 Uhr

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