SPD-Bundestagsabengeordnete Rasha Nasr (M.) und Büroleiterin Katja Schittko im Gespräch mit der Dresdner Schülerpraktikantin Anouk.
SPD-Bundestagsabengeordnete Rasha Nasr (m.) und Büroleiterin Katja Schittko (re.) im Gespräch mit einer Dresdner Praktikantin (li.). Bildrechte: MDR/Carolin Büschner

Sommerpause im Bundestag In der letzten Sitzungswoche ist der Stress für Abgeordnete groß

09. Juli 2023, 05:00 Uhr

Im Bundestag ist die letzte Woche vor der Sommerpause immer ein Abstimmungs-Marathon. Das war sie auch diesmal: Wir haben die Dresdner SPD-Abgeordnete Rasha Nasr begleitet. Über Sommerfeste, hektische und vertagte Entscheidungen – und darüber, was in den Ferien auf sie wartet.

Natürlich herrscht nicht nur Partystimmung im Parlament. Vor allem nicht bei den Themen, die diese Woche noch behandelt werden: Das Gebäude-Energiegesetz, dessen Abstimmung überraschend vom Bundesverfassungsgericht gestoppt wird, die Suizidhilfe, für die es keine Mehrheit gibt. In der letzten Sitzungswoche will noch möglichst viel geschafft werden. Entscheidungen werden gefällt oder zumindest fast, es werden Reden gehalten, Kanzler Scholz wird befragt. Doch neben dem extra hektischen Abgeordneten-Alltag gibt es auch das Zusammenkommen, ein Revue-Passieren-Lassen.

"Die letzte Sitzungswoche ist eine ganz besondere Woche, weil sehr viele Sommerfeste stattfinden", erzählt Rasha Nasr. Die 31-jährige SPD-Abgeordnete aus Dresden ist seit zwei Jahren im Bundestag. Sie erlebt die besondere Stimmung vor dem Sommer nun zum wiederholten Mal. Im letzten Jahr sei es ruhiger gewesen, durch eine andere Themenlage. In dieser Woche geht es nun noch hektisch zu.

Lange Tage und Sommerfeste

Als wir Nasr am Dienstag treffen, ist sie auf einer SPD-Fraktionsveranstaltung – quasi eine Konkurrenzveranstaltung zum parallel stattfindenden Sommerfest der parlamentarischen Linken. Nasr hofft, dass dennoch viele Interessierte kommen. Es geht um die Vier-Tage-Woche an diesem Abend. Arbeitsminister Hubertus Heil spricht ein Grußwort, danach startet eine Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern aus Forschung und Wirtschaft. Ein Unternehmer schildert, wie er auf eigene Faust die Vier-Tage-Woche in seinem Betrieb spontan aber erfolgreich einführte. Es gibt Softgetränke und Brezeln. Viele junge SPD-Mitglieder sind vor Ort, machen Selfies und Stories für Instagram.


Rasha Nasr, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Dresden
Bildrechte: MDR/Carolin Büscher

Zur Person Rasha Nasr wurde am 12. Mai 1992 in Dresden geboren. Sie studierte Politikwissenschaften an der TU Dresden. Von 2016 bis 2017 war sie Asyl- und Integrationsbeauftragte von Freiberg. 2021 wurde sie in den Bundestag gewählt.

Rasha Nasr selbst sitzt in der ersten Reihe, bleibt aber nur für die ersten Grußworte. Dann geht es weiter, ein Telefonat mit den Genossinnen und Genossen aus Dresden will noch geführt werden. Die Tage im Bundestag sind lang. 80, 90 Stunden Arbeitszeit pro Woche seien schon normal für Sitzungswochen, so Nasr.

Man muss auch ein bisschen irre sein – im positiven Sinne – um das zu machen.

Rasha Nasr, SPD Bundestagsabgeordnete

Ein ehrliches Geständnis. Nach der vorangegangenen Woche – eine Auslandsreise nach Cambridge, für ein fünftägiges Seminarprogramm – ging die Woche für sie ruhig los. Montagmorgens sei die Woche noch entspannt, sagt Nasr. Mittags geht es im Parlament los.

Dienstag stehen regulär Fraktionssitzungen an. Am Mittwoch geht es für Rasha Nasr in den Ausschuss für Arbeit und Soziales. Dort werden Gesetzesvorhaben diskutiert, ehe ab Mittwochmittag bis Freitag der Bundestag im Plenarsaal zusammenkommt. Den ganzen Tag. Nasr wird ihre für diese Woche geplante Rede zum Thema Rente zwar halten, aber nicht vortragen. Wie das geht?

"Ich werde meine Rede zu Protokoll geben, weil der Tagesordnungspunkt um 23:20 Uhr aufgerufen wird. Und es gibt so ein gentlemen's agreement, dass eine Person der Ampel auf jeden Fall spricht, der Rest aber zu Protokoll gibt." Um die Uhrzeit höre niemand mehr zu, und zweitens schaue auch niemand mehr zu.

Mit Zeit will in dieser Woche also besonders genau umgegangen werden. Und dennoch rechne sie mit allem, sagt Nasr. "Ich rechne damit, dass ich aus dem Bett geklingelt werde um noch eine namentliche Abstimmung zu machen oder einen Hammelsprung durchzuführen, was auch immer."

Frust über vertagte Entscheidungen

Donnerstagnachmittag im Abgeordnetenrestaurant: Nasr wirkt noch kraftvoll, macht aber dennoch ihrem Ärger Luft. Das für diese Woche geplante Gesetz zur Sterbehilfe wurde vertagt, für keinen der Vorschläge gab es eine Mehrheit. "Es ist gut, dass wir darüber überhaupt gesprochen haben, das Thema etwas aus der Tabu-Zone geholt haben. Aber klar bin ich frustriert darüber, dass es für keinen Gesetzesentwurf eine Mehrheit gab." So bleibe alles beim Status Quo. "Das ist ärgerlich." So viel in der letzten Woche noch geschafft werden sollte: Nicht alles auf der Tagesordnung kommt durch. Manche Punkte müssen im Herbst nochmal neu verhandelt werden. Auch das ist Teil der Demokratie.

Rasha Nasr rührt in ihrem Cappuccino, erzählt vom SPD-Sommerfest am Vorabend. Olaf Scholz sei auch da gewesen, habe in einem Grußwort nochmal zusammengefasst, welche Themen für ihn gerade besonders wichtig seien.

Es ist auch immer so – wie so eine Abschlussfeier nach einer Klassenfahrt.

Rasha Nasr, SPD Bundestagsabgeordnete

"Aber vor allem war es wie ein großes Familienfest. Und es geht auch darum, dem ganzen Team einmal Danke zu sagen." Ob im Wahlkreisbüro oder im Bundestag – hinter jedem und jeder Abgeordneten stehen weitere Menschen, die organisieren und mitdenken. Nasrs Büroleiterin reicht ihr die vergessenen Laktase-Tabletten.

Sommerpause ist nicht (nur) Strand

"Es finden einfach keine Sitzungen im Bundestag statt, aber wir sind ja trotzdem in unseren Wahlkreisen unterwegs," erklärt Nasr, was jetzt auf sie zukommt. Für sie steht in den nächsten Wochen eine Sommertour an: Als Praktikantin wird sie zu Hause in Dresden in öffentlichen Stellen mitarbeiten. Außerdem schaut sie sich die Arbeit kleinerer, inhabergeführter Unternehmen an.

Und dann doch noch: Das erste Mal ein längerer Urlaub seit drei Jahren. Flitterwochen. "Wir haben letztes Jahr im September geheiratet und dachten, es wäre ganz klug, das noch vor dem ersten Hochzeitstag zu machen." Ende August geht es dann aber auch schon wieder weiter. Die Fraktions- und AG-Klausuren stehen an, ehe das Parlament Anfang September dann wieder in Berlin zusammenkommt.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 08. Juli 2023 | 11:54 Uhr

23 Kommentare

Niemann vor 46 Wochen

Ihre Ignoranz gefällt mir, ...nicht! Ich verfolge schon lange Bundestags Sitzungen meist gähnen sie vor Leere insbesondere bei Rednern von der AfD, da flüchtet man auch gern mal aus dem Saal. Es ist nicht die Ausnahme, es ist die Regel. Grün-rot ist nur reichlich anwesend wenn es gilt ein Gesetz durch zu peitschen. Überzeugen sie sich einfach mal mit eigenen Augen anstatt daherzuschätzen. Übrigens, ich würde gern mal den Schreihals Hofreiter vertreten. Und weiter, für das Geld was die ach so gestressten Abgeordneten abfassen müssen normale Bürger 72 Stunden am Tag arbeiten.

Eddi58 vor 46 Wochen

@Gold…
Das Gute daran ist, dass der Rechtsstaat funktioniert und die politische Hygiene noch nicht ganz tot ist.
Zu anderen Zeiten wurden solche Menschen Minister mit fatalen Folgen für Deutschland und Europa .🤔

Goldloeckchen vor 46 Wochen

„ Sie ja noch einmal überlegen ob die bösartigen, neidischen und niederträchtigen Posts gerechtfertigt erscheinen?!“

Ja ja und ja.
In Brüssel wurden erst Sozialdemokraten verhaftet und weggesperrt und in Berlin werden Trauzeugen posten verschafft usw usf ☝️

🫣😉🙋‍♀️😂

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