Meinung zu Gast Friedrich Merz und der Osten von Anne Hähnig 4 min
Audio: "Meinung zu Gast"-Autorin Anne Hähnig findet, der Umgang mit den ostdeutschen Bundesländern könnte Friedrich Merz zum Verhängnis werden. Bildrechte: Felix Adler, picture alliance/dpa | Ronny Hartmann
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"Meinung zu Gast" Der Osten könnte Friedrich Merz zum Verhängnis werden

16. Februar 2024, 16:37 Uhr

"Meinung zu Gast"-Autorin Anne Hähnig blickt kritisch auf den Umgang des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz mit den ostdeutschen Bundesländern. Er sei der nächste, der hier scheitern könnte.

Erfolg ist eine trügerische Sache. Denn Erfolg verführt leider dazu, blind zu werden für die Probleme, in denen man längst steckt.

Friedrich Merz ist einer, der gerade recht erfolgreich ist. Seine CDU hat sich an ihn gewöhnt und er sich an sie. In den Bundesumfragen schneidet sie nicht überragend, aber doch ziemlich gut ab – als immerhin unumstritten stärkste Kraft. Und was man so aus der Partei hört, deutet darauf hin, dass Merz selbst es in der Hand hat, ob er Spitzenkandidat für die Bundestagswahl werden will oder nicht.

Meinung zu Gast In der Rubrik "Meinung zu Gast" analysieren und kommentieren Medienschaffende aus Mitteldeutschland alle zwei Wochen Transformations- und Veränderungsthemen: faktenbasiert, pointiert und regional verortet. Die Beiträge erscheinen freitags auf mdr.de und in der MDR AKTUELL App. Hören können Sie "Meinung zu Gast" auch jeden zweiten Sonntag im Nachrichtenradio MDR AKTUELL.

Der Osten als Schicksalsregion

Und doch gibt es da ein Problem, in dem Merz längst steckt. Es könnte sein, dass ihm das Gleiche geschieht wie das, was seinen Vorgängern im Amt des CDU-Chefs widerfahren ist: nämlich am Osten zu scheitern.

Nur ein schneller Exkurs: Als sich Angela Merkel 2018 als Unionsvorsitzende zurückzog, lag das unter anderem daran, dass ihr im Osten niemand mehr folgen wollte. Annegret Kramp-Karrenbauer, die danach kam, musste zurücktreten, weil in Thüringen Chaos herrschte. Die CDU-Fraktion hatte gemeinsam mit der AfD und der FDP einen Ministerpräsidenten gewählt. Auch Armin Laschet hielt sich nicht lange in seiner Position. Er hatte die Bundestagswahl 2021 nicht nur, aber auch im Osten verloren. Hier war das Ergebnis der CDU noch etwas schlechter als im Westen.

Die ostdeutschen Bundesländer sind zur Schicksalsregion für CDU-Vorsitzende geworden. Friedrich Merz weiß das natürlich. Und doch zieht er daraus kaum Schlüsse.

Annegret Kramp-Karrenbauer (l), CDU-Bundesvorsitzende und Verteidigungsministerin, steht neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie dem CDU-Vizevorsitzenden Armin Laschet vor dem Beginn der Sitzung des CDU-Bundesvorstands im Konrad-Adenauer Haus, 2020.
Diese CDU-Vorsitzenden sind am Osten gescheitert: Annegret Kramp-Karrenbauer, Angela Merkel und Armin Laschet. Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Verlust von Machtoptionen droht

Er verlässt sich darauf, dass die in der Summe vergleichsweise konservativen Ost-CDUler einen vergleichsweise konservativen Vorsitzenden wie ihn schon mögen. Dass sie auf ihn hören werden, wenn es darauf ankommt. Aber da könnte er sich täuschen.

Denn die Ost-CDU war nie so verunsichert wie gerade. Da ist, na klar, die AfD, die sie längst übertrumpft hat. Das letzte Mal, dass die Union bei einer Bundestagswahl im eigentlich tiefschwarzen Sachsen vorn lag, war 2013. Noch schwerer aber wiegt etwas anderes: Nämlich dass der CDU gleich in mehreren Ost-Ländern die Machtoptionen abhanden kommen. Nach den Landtagswahlen in diesem Herbst könnte es sein, dass sich die Partei etwa in Sachsen oder Thüringen entweder mit der AfD oder der Linken zusammentun müsste, um eine Mehrheit zu bilden.

Nicht beteiligen ist keine Lösung

Kein Mensch beneidet Friedrich Merz um dieses Problem, um das er sich als Bundes-Parteichef wird kümmern müssen. Es ist ein klassisches Dilemma. Welche Lösung er auch immer findet: Sie wird wehtun.

Die Sache ist nur, dass Friedrich Merz glaubt, diesem Schmerz entgehen zu können, indem er sich an der Lösungsfindung einfach nicht beteiligt. Will er, dass sich seine Landesverbände im Osten den Linken öffnen? Hofft er, dass Sahra Wagenknechts Partei groß wird, weil es zu der keinen Abgrenzungsbeschluss gibt? Strebt er eine Minderheitsregierung an? Oder etwas ganz Neues, Experimentelles, etwa eine Art Expertenkabinett?

Anne Hähnig, Zeit im Osten
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Anne Hähnig Anne Hähnig leitet das Ressort "ZEIT im Osten" der Wochenzeitung "DIE ZEIT". In der Reihe "Meinung zu Gast" kommentiert sie als Gastautorin Transformations- und Veränderungsthemen in Mitteldeutschland.

Das Prinzip Hoffnung

"Wir reden darüber nicht", sagen einflussreiche Leute aus der CDU. Vielleicht reden sie darüber nur öffentlich nicht. Das kann sein. Wahrscheinlicher aber ist, dass Merz nach dem Prinzip Hoffnung agiert: Hoffentlich werden die Wahlergebnisse anders aussehen als die Umfragen. Wird schon nicht so schlimm kommen.

Wenn es aber doch so schlimm kommt, dann findet sich die Union am Wahlabend in einem Machtvakuum wieder. Einem Machtvakuum, in dem manchmal Verrücktheiten passieren. Wer Entscheidungen vermeidet, nimmt in Kauf, dass andere sie treffen. Und aktuell lässt die Stimmungslage in der Ost-CDU darauf schließen, dass man sich lieber der AfD als der Linken zuwenden würde. Denn wohin, so denken manche Unionsmitglieder schon jetzt, wohin habe einen die strenge Abgrenzung denn gebracht?

Wenn das auch Friedrich Merz‘ Meinung ist, kann er die Dinge ja laufen lassen. Aber wenn nicht, dann sollte er mit dem beginnen, was sich die Ost-Landesverbände sowieso von ihm erwarten: nämlich zu führen.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 18. Februar 2024 | 09:35 Uhr

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