Seniorin und Senior vgehen eine Straße entlang.
Zukünftige Rentner im Osten könnten bald schlechter dastehen. Bildrechte: IMAGO / Michael Gstettenbauer

Altersarmut Ist die Rentenangleichung eine versteckte Rentenkürzung für Ostdeutsche?

03. Dezember 2023, 09:34 Uhr

Viele Jahre haben die Menschen im Osten darauf warten müssen, bis die Renten endlich dem Westen angeglichen wurden. Seit diesem Jahr ist es soweit – wer gleich verdient, bekommt auch die gleiche Rente. Der Linkenpolitiker Sören Pellmann spricht trotzdem von einer faktischen "Rentenkürzung Ost". Wie kommt er darauf?

Eines vorweg: Eine Rentenkürzung im Wortsinn wird es nicht geben, dass also ein Rentner weniger bekommt als bislang. Ab 2025 führt die Rentenanpassung aber wohl dazu, dass für künftige Rentner in den neuen Bundesländern weniger auf dem Rentenkonto landet als es (zumindest) nach der aktuellen Regel (noch) würde. Grund dafür ist, dass der sogenannte Aufwertungsfaktor wegfällt.

Der Linkenpolitiker Sören Pellmann erklärt das so: "Das heißt, dass Rentnerinnen und Rentner, die weniger Verdienst hatten, bei den Renten aufgewertet worden sind. Das ist mit der sogenannten Rentenangleichung aufgehoben worden und das wird in den nächsten Jahren insbesondere dazu führen, dass Rentenarmut deutlich zunimmt."

Um das Rentenniveau im Osten an den Westen anzugleichen, hat die Rentenkasse bislang die Löhne in Ostdeutschland höher bewertet – übrigens nicht nur bei den niedrigen Einkommen, sondern generell. Diese Hochwertung fällt jetzt also weg. Was aber bestehen bleibe, seien die Lohnunterschiede, sagt Pellmann.

Pellmann: Immer noch niedrigere Löhne im Osten

"Wenn ich mir alleine die Tarifgebundenheit anschaue, im Osten und Westen, also, wo Tariflohn gezahlt wird oberhalb des Mindestlohns, dann sind das im Osten nur zehn Prozent der Beschäftigten. Und dass bei gleicher Arbeit gleichwertig bezahlt wird, da sind noch deutliche Unterschiede. Und das macht es dann bei der Rentenberechnung, da es diesen Faktor nicht mehr gibt, eben zu einer De-facto-Kürzung."

Nach Angaben des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle ist die Lohnlücke zwischen Ost und West immer noch immens. So haben Vollzeitbeschäftigte im Osten im vergangenen Jahr im Schnitt rund 13.000 Euro weniger verdient, als jene im Westen. Vor diesem Hintergrund kommt das Dresdner ifo-Institut zum gleichen Schluss wie Pellmann.

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Der stellvertretende Institutsleiter Joachim Ragnitz sagt: "Die Beitragszahler werden insoweit schlechter gestellt, weil ihre Rentenanwartschaften, die sie jetzt erwerben, geringer ausfallen, einfach weil der Hochwertungsfaktor wegfällt. Das ist etwas, was rentensystematisch auch geboten war, weil man insgesamt eine Angleichung des Rentensystems haben wollte." Den Nachteil, den die ostdeutschen Beitragszahler dadurch haben, habe man billigend in Kauf genommen, sagt Ragnitz.

Aufwertung war ebenfalls ungerecht

Inhaltlich hält Ragnitz diesen Schritt aber für nachvollziehbar. Denn die pauschale Hochwertung der ostdeutschen Löhne führe auch zu einer Reihe von Ungerechtigkeiten. "Es gibt einige Bereiche, wo wir schon seit langem eine Angleichung der Löhne in Ost und West haben. Das führt dazu, dass die ostdeutschen Beitragszahler trotzdem von dieser Hochwertung begünstigt waren. Auf der anderen Seite gibt es dann auch Leute, die in Westdeutschland niedrigere Löhne haben, die haben dort keine Hochwertung bekommen. Die im Osten aber schon."

Diese Ungerechtigkeiten führt auch die Deutsche Rentenversicherung, DRV, in einem Faktencheck zur Angleichung an. Die Annahme, dass die Rentenbeiträge im Osten durch die ausbleibende Höherwertung künftig weniger wert sein werden, bezeichnet sie als falsch. Sie führt als Begründung an, die Renten in Ost und West seien künftig grundsätzlich gleichgestellt. Das stimme auch, sagt der Rentenexperte Ragnitz. Dass die Renten gleichgestellt seien, sage aber nichts darüber aus, ob das geänderte System Nachteile für ostdeutsche Beitragszahler mit sich bringt.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 03. Dezember 2023 | 06:08 Uhr

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