Ein Teilnehmer einer Verdi-Demonstration steht mit einem Schild mit der Aufschrift «Nicht der Streik gefährdet den PNV, sondern der Arbeitgeberverband» während einer Kundgebung in der Innenstadt von Hannover.
Das Grundgesetz schützt Arbeitskämpfe in Deutschland, ein Streik-Gesetz gibt es aber bislang nicht. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Matthey

Tarifkonflikt bei der Bahn Mehr Kontrolle über den Arbeitskampf: Braucht Deutschland ein Streikgesetz?

13. März 2024, 16:05 Uhr

In Deutschland sind Streiks als Arbeitskämpfe, die im Rahmen von Tarifverhandlungen geführt werden, durch das Grundgesetz geschützt. Ein Streikgesetz gibt es bislang nicht. Genau so eine Regelung wäre aber sinnvoll, findet der FDP-Politiker Reinhard Houben. Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist gegen eine Einschränkung des Streikrechts.

Der Streik ist in Deutschland kein Grundrecht. Allerdings schützt das Grundgesetz mit Artikel 9, Absatz 3 Arbeitskämpfe, die zum Zweck des Abschlusses von Tarifverträgen geführt werden. Ein reines Streikgesetz gibt es in Deutschland nicht. Was immer wieder als Streikrecht angeführt wird, bezieht sich lediglich auf richterliche Urteile.

FDP-Politiker: Streikgesetz einführen

Das müsse dringend geändert werden, sagt Reinhard Houben. Er ist wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion: "Wenn wir uns in Europa umschauen, haben wir viele demokratische Rechtsstaaten, die ein Streikgesetz haben, und deswegen finde ich es in der aktuellen Lage sinnvoll und richtig, darüber nachzudenken, ob wir nicht bestimmte Regeln – zumindest bei Streikmaßnahmen, die die Infrastruktur betreffen, die die Stromversorgung betreffen – dort zu Regelungen kommen in einem Gesetz." Das habe man in Deutschland bisher nicht getan, aber es sei machbar.

Reinhard Houben (FDP) spricht bei der 77. Sitzung des Bundestages.
Der FDP-Politiker Reinhard Houben Bildrechte: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Am Dienstag hat Reinhard Houben dazu in einer Klausursitzung der FDP-Bundestagsfraktion das Thema eingebracht. Allerdings ist laut Houben in absehbarer Zeit nicht mit einem Streikgesetz zu rechnen, weil es dazu keine Regelung im Koalitionsvertrag gebe.

"Deswegen kann ich mir nicht vorstellen, dass in dieser Legislaturperiode dort gesetzlich, praktisch, faktisch etwas geändert wird, aber ich finde, wir sind am Punkt, dass wir eine Debatte führen müssen und dann gegebenenfalls nach der nächsten Bundestagswahl das Thema auch ernsthaft angehen sollten."

DGB: Deutsches Streikrecht ist schon sehr restriktiv

Keine Notwendigkeit für ein Streikgesetz sieht der Deutsche Gewerkschaftsbund. DGB-Rechtsexpertin Isabel Eder sagt: "Streik ist das Mittel der Beschäftigten, um ihre berechtigten Interessen durchzusetzen." Dadurch werde erst Augenhöhe zwischen zwei sehr ungleichen Parteien im Tarifkonflikt hergestellt.

Jetzt dieses Recht der Beschäftigten aus Anlass eines Streiks in einer Branche, einer kleineren Gewerkschaft, einschränken zu wollen, sei vollkommen unverhältnismäßig, so Eder. "Und man muss dazu sagen, in Deutschland gibt es im internationalen Vergleich relativ wenig Streiktage, auch wenn aktuell gefühlt mehr gestreikt wird als bislang. Das deutsche Streikrecht ist im Vergleich bereits sehr restriktiv." 

IDW: Streiks als letztes Mittel

Die juristischen Meinungen zum Streikrecht seien widersprüchlich, sagt Hagen Lesch. Er ist Experte für Tarifpolitik beim Institut der Deutschen Wirtschaft Köln. Für die einen sei die Rechtssprechung in Ordnung. Anderen gehe der Arbeitnehmerschutz zu weit.

Lesch hält es deshalb für geboten, die wirtschaftliche Perspektive in den Mittelpunkt zu rücken: "Streiks sind ja dann nicht zulässig, wenn sie unvertretbare volkswirtschaftliche Schäden verursachen oder auch dem Gegner wirtschaftlich einen so großen Schaden zufügen, dass er in die Knie geht. Das Problem zwischen GDL und Bahn kann man gut beziffern, weil die Bahn über die Streikkosten berichtet und da sagt die Rechtssprechung: Na gut, das ist ein Schaden, den die Bahn hinnehmen muss."

In der Rechtssprechung seien jedoch keine Drittschäden beachtet. Es würden viele Gruppen geschädigt, deren Kosten niemand messe. Das sei das eigentliche Problem, so Lesch weiter. Aus ökonomischer Sicht sei es deshalb geboten, Streiks wieder als letztes Mittel einzusetzen. Dazu gehöre, dass vor einem Arbeitskampf zunächst immer eine Schlichtung stattfinde. Am Bau oder im öffentlichen Dienst sei das gang und gäbe. 

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 13. März 2024 | 07:00 Uhr

72 Kommentare

Taf73 vor 37 Wochen

Lieber Wessi, hätten Sie meine Posts gelesen, dann wüssten Sie, dass die AFD auf Grund ihrer neoliberalen Wirtschaftspolitik bei Wahlen nicht in Frage kommt. Ich würde mich eher als linken Demokraten (kein Lifestyle-Linker) bezeichnen, und ich finde es schlimm, dass ich als ebensolcher die AFD gegen Antidemokraten in Schutz nehmen muss.

emlo vor 37 Wochen

Irrtum, @Janes! Eine Gewerkschaft kann nur dann das Maximum für ihre Mitglieder herausholen, wenn sie auch die Macht, also die Größe, dazu hat. Eine Minigewerkschaft mit einer handvoll Mitgliedern nimmt niemand ernst.

emlo vor 37 Wochen

@Peter Pan: Warum sollten die Beschäftigten für Fehler des Managements einstehen, auf die sie Null Einfluss haben?
Bei den Gewinnen ist das anders, denn die werden in der Hauptsache von den Beschäftigten erwirtschaftet.

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