Informationspflicht Karlsruhe: Regierung Merkel hat Rechte des Bundestags verletzt

26. Oktober 2022, 17:46 Uhr

Das Bundesverfassungsgericht hat die Informationsrechte des Bundestags gestärkt. Die Bundesregierung muss demnach auch bei Fragen der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik das Parlament informieren. Geklagt hatten die Fraktionen der Grünen und Linken: Sie hatten bei der Bundesregierung vergeblich Informationen zur europäischen Flüchtlingspolitik angefragt.

Die Bundesregierung muss den Bundestag auch in Fragen der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik so früh wie möglich umfassend einbinden. Das geht aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe hervor. Der Bundestag müsse auch in diesem Bereich so rechtzeitig informiert werden, dass er auf Verhandlungslinie und Abstimmungsverhalten der Bundesregierung noch Einfluss nehmen könne, sagte Vizegerichtspräsidentin Doris König.

Strittige Fälle vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise 2015

Die Richterinnen und Richter des Zweiten Senats gaben zwei Organklagen der Fraktionen von Grünen und Linken statt, die die bisherige restriktive Praxis seit Langem kritisiert hatten. Konkret ging es um zwei Vorgänge vor dem Hintergrund der Flüchtlingsbewegungen 2015.

Damals hatte die Bundesregierung den Parlamentariern einen Konzeptentwurf für die inzwischen ausgelaufene EU-Operation "Sophia" gegen Schleuser im Mittelmeer erst dann zugänglich gemacht, als der Einsatz im Rat der EU-Mitgliedstaaten bereits beschlossen war. Das Papier konnte auch dann nur in der Geheimschutzstelle des Bundestags und nur von Mitgliedern bestimmter Ausschüsse eingesehen werden. An dem Einsatz hatten sich auch Schiffe der Bundeswehr beteiligt.

Bundesverfassungsgericht gibt auch Linksfraktion recht

Karlsruhe gab zudem der Linksfraktion bei einer weiteren Klage recht. Dabei ging es um einen Brief aus dem Jahr 2015 vom damaligen türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu an die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Aufnahme von Geflüchteten durch die Türkei. Die Linksfraktion hatte den Brief vergeblich angefordert. Auch in diesem Fall seien Beteiligungsrechte des Parlaments verletzt worden, erklärte das Bundesverfassungsgericht nun.

Artikel 23 des Grundgesetzes bestimmt, dass Bundestag und Bundesrat in Angelegenheiten der Europäischen Union mitwirken. Und weiter: "Die Bundesregierung hat den Bundestag und den Bundesrat umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten." Ausnahmen hiervon seien nur in bestimmten Fällen möglich, die aber begründet werden müssten, entschied das Gericht.

dpa/AFP (jan)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 26. Oktober 2022 | 16:00 Uhr

Mehr aus Politik

Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat Europawahl 1 min
Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat Europawahl Bildrechte: mdr
1 min 24.04.2024 | 11:33 Uhr

Nach der Verhaftung eines Mitarbeiters wegen Spionageverdachts steht der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, unter Druck. Er möchte aber Spitzenkandidat bleiben.

Mi 24.04.2024 10:59Uhr 00:47 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/video-krah-inteview-afd-spion100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Mehr aus Deutschland

Nachrichten

Die Akkropolis auf einem Hügel mit rotem Himmel. 1 min
Eine feine Schicht aus Sahara-Sand und -Staub hat sich in Athen und anderen Teilen Griechenlands über Stadt und Land gelegt. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min 24.04.2024 | 17:12 Uhr

Eine feine Schicht aus Sahara-Sand und -Staub hat sich in Athen und anderen Teilen Griechenlands über Stadt und Land gelegt. Doch das rötlich schimmernde Naturschauspiel hat seine Nachteile.

Mi 24.04.2024 16:29Uhr 00:34 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/panorama/video-griechenland-athen-saharastaub-roter-himmel-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video
Erich Schmidt-Eeenboom 4 min
Bildrechte: picture alliance/Karlheinz Schindler/dpa-Zentralbild/ZB