Energiekrise Die Gasumlage zwischen Transparenz und Geschäftsgeheimnis

23. August 2022, 15:00 Uhr

Insgesamt elf Gasimporteure wollen Zahlungen aus der Gasumlage in Anspruch nehmen, darunter die in Leipzig ansässige EnBW-Tochter VNG. Wie dringend die Unternehmen das Geld tatsächlich benötigen, bleibt aber unklar.

Seit Montag ist die vollständige Liste der Unternehmen bekannt, die die Gasumlage in Anspruch nehmen wollen. Insgesamt haben nach Angaben von Trading Hub Europe zwölf Gasimporteure rund 34 Milliarden Euro an Ausgleichsansprüchen beantragt. RWE hat allerdings bereits erklärt, auf die Umlage zu verzichten und das Minus aus dem Gasgeschäft allein tragen zu wollen. Der Konzern hatte erst jüngst milliardenschwere Halbjahresgewinne bekanntgeben.

Es bleiben demnach elf Unternehmen, die die Unterstützung tatsächlich in Anspruch nehmen wollen. Dazu zählt die in Leipzig ansässige EnBW-Tochter VNG. Die weiteren Unternehmen sind Uniper, Ewe, Sefe (vorher bekannt als Gazprom Germania), Axpo, DXT Commodities, Enet Energy, Gunvor, OMV, Vitol und die Sefe-Tochter WIEH.

Dass die Namen überhaupt öffentlich sind, dafür war die Bundesregierung auf die Kooperation der Unternehmen angewiesen. Um Transparenz zu schaffen, hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Unternehmen um Veröffentlichung ihrer Namen gebeten. Ohne deren Zustimmung wären sie von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen geschützt, erklärte das Ministerium noch vergangene Woche.

VNG hält sich mit Geschäftszahlen bedeckt

Wie dringend der Bedarf für die Ausgleichszahlungen im Einzelnen ist, bleibt allerdings bisher offen. VNG erklärt auf Nachfrage von MDR AKTUELL lediglich, die aktuelle Situation auf dem Gasmarkt stelle den Konzern "vor große Herausforderungen". "Grund dafür ist die notwendige Ersatzbeschaffung zu wesentlich höheren Kosten." Konkrete Zahlen will das Unternehmen allerdings derzeit nicht nennen und verweist auf "noch nicht abgeschlossene Gespräche".

Die aktuelle Situation auf dem Gasmarkt aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und die Liefereinkürzungen russischer Gasmengen stellt VNG vor große Herausforderungen.

VNG

Im Gegensatz zu börsennotierten Unternehmen wie Uniper und RWE sei VNG zudem nicht zu Zwischenberichten verpflichtet, heißt es – der reguläre Geschäftsbericht ist demnach erst nach dem Winter im kommenden April zu erwarten. Auch der Mutterkonzern EnBW hält sich zur wirtschaftlichen Lage von VNG bedeckt und verweist darauf, dass VNG eine rechtlich selbstständige Aktiengesellschaft sei.

Noch Ende Juli hatte sich EnBW-Chef Frank Mastiaux optimistisch zur Gastochter VNG geäußert. Auch ein bereits im April abgeschlossener Kredit bei der KfW über eine Milliarde Euro sei demnach noch nicht abgerufen. VNG selbst nennt den Kredit eine "zusätzliche finanzielle Absicherungsmaßnahme".

Von Milliardenverlusten bis zum hohen Plus

Wie unterschiedlich Gasimporteure von der derzeitigen Gaskrise betroffen sind, zeigen die Beispiele RWE und Uniper anschaulich: Uniper meldete zuletzt für das erste Halbjahr einen Verlust von mehr als zwölf Milliarden Euro. Der Konzern ist der größte deutsche Gasimporteur und verfügt nach eigenen Angaben allein über 7,4 Milliarden Kubikmeter Gas-Speicherkapazität – zum Vergleich: Durch die Pipeline Nord Stream 1 flossen zuletzt täglich etwa 33 Millionen Kubikmeter Gas täglich, was rund 20 Prozent der Maximalkapazität entspricht.

Dagegen verzeichnete RWE trotz Verlusten im Gasgeschäft insgesamt ein deutliches Plus: Der bereinigte Nettogewinn lag dem Konzern zufolge im ersten Halbjahr bei knapp 1,6 Milliarden Euro. Auch EnBW meldete für das erste Halbjahr ein Plus – mit 1,42 Milliarden Euro fiel der operative Gewinn zwar etwas geringer aus als im Vorjahreszeitraum. In einer Prognose für das gesamte Jahr rechnet der Konzern dennoch mit einer Steigerung von zwei bis sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

BMWK verweist bei Umlage auf Gleichbehandlungsgrundsatz

Für einen Anspruch auf den Kostenausgleich durch die Gasumlage spielt das Gesamtbild eines Unternehmens allerdings keine Rolle. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) führt als Kriterien für eine Bewilligung unter anderem an, dass es sich um Importeure von russischem Erdgas nach Deutschland handeln muss, die von einem Ausfall von Gasimportverträgen unmittelbar betroffen sein müssen und nur Bestandsverträge aus der Zeit vor dem 1. Mai dieses Jahres erfasst werden.

Ein Unternehmen braucht Gewinne, um sich breiter aufzustellen und sich damit auch unabhängiger von russischen Lieferungen zu machen.

Bundeswirtschaftsministerium

So solle "ein Großteil der Zusatzkosten für das Ersatzgas" ab Oktober "auf möglichst viele Schultern verteilt“ werden. "Die Verordnung muss aber zugleich dem Gleichbehandlungsgrundsatz genügen, so dass alle Importeure russischen Erdgases erfasst sind, auch wenn diese neben Gas auch Strom im Unternehmensportfolio bedienen", heißt es aus dem Ministerium. So bräuchten Unternehmen Gewinne, "um sich breiter aufzustellen und sich damit auch unabhängiger von russischen Lieferungen zu machen". Wie mit "zufallsgetriebenen Gewinnen" umzugehen sei, werde in der Koalition noch besprochen.

MDR (rnm)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 22. August 2022 | 14:00 Uhr

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